Saarkalender für das Jahr 1930
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damals unruhigen Leben nicht beachtet worden, nur ein Freund des Johannes
weiß darüber Auskunft zu geben, er hat den Wortlaut notiert:
Erſ<hoſſen wurde Jakob Johannes „wegen Mord-
verfüh an einer' franzöſiſchen Abteilung“.
Das iſt, wie aus dem ganzen Sachverhalt heruorpecht; eine Verleumdung,
ein Phantaſieprodukt typiſcher Franzoſenangſt. Tragiſc;) bleibt es, daß aus
militäriſchem Gehorſam der wohl unterrichtete General Andlauer, an deſſen
ehrenhafter Geſinnung nicht zu zweifeln iſt, mit ſeinem Namen hier die Ge-
walttat des Kriegsminiſteriums zu Paris deken muß.
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No< am Abend des 20. Oktober erfahren die Geſchwiſter das Geſchick des
Bruders. In aller Frühe des nächſten Tages ſind ſie auf dem Friedhof und
umſtehen weinend die Grabſtätte im Anblick des ſchmuckloſen, von Erde noch
unbedeckten Sarges Während der Inhaftierung haben die Franzoſen ein
Wiederſehen jtets beharrlich, gefühllos und jen verweigert. Man will den
Bruder aber noch einmal jehen und Abſchied nehmen. Der Sargdeckel wird
emporgehoben, nur eine Schußwunde in der Nähe des Herzens wird ſichtbar.
Ein namenloſes Grauen erfaßt alle, denn der gange Körper iſt von Mißhand-
lungen entſetzlich zugerichtet, blutunterlaufen, mit Riſſen und Striemen bedeckt,
Löcher in den Armen, ein Bild unendlichen Jammers. Der kräftig gebaute
Mann innerhalb weniger Tage nur noch ein Skelett.
Eigenartig bleibt, daß ſich die Franzoſen weigern, einen Totenſchein aus-
uſtellen, der Kampf hierum dauert eine Woche. Ein Bruder des Jakob Johannes
keit als Andenken an den Verſtorbenen deſſen Uhr, die Franzoſen ſchweigen
verlegen, die Uhr iſt -- geſtohlen. Vertreter der Gewerkſchaften, unbekümmert
um Politiſche Richtungen, treten ſofort in der Stille zuſammen und beweiſen
dem ſo verhängnisvoll in die Franzoſenhände gefallenen Kameraden Treue und
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