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Saarkalender für das Jahr 1930
deutſchen Zeugen des Vorganges. Andlauer zeigt ſich wohlwollend, verſpricht,
der Sache nachzugehen und git die beiden Arbeiterführer voller Hoffnung
auf eine glückliche und gerechte Wendung. Am 9. Oktober wird der Beſuch
wiederholt. Man hat in Erfahrung gebracht, daß das Kriegsminiſterium in
Paris das Urteil zu beſtätigen habe. Auf Grund des wahren Sachverhalts
erſuchen beide, unter Mithilfe des als menſc<henfreundlich bekannten Generals
einen Gnadenerlaß einzureichen. Andlauer erklärt, ſein Möglichſtes zu tun,
damit. das Todesurteil nicht vollſtreckt werde. Man möge den Erfolg ſeines
Schreibens abwarten, er werde Nachricht geben. Da bis zum 15. Oktober keine
Meldung eintrifft, erſcheint Biehler, beunruhigt, nochmals bei Andlauer, der ihm
mitteilt, daß bisher no< keine Antwort aus Paris eingetroffen ſei. Aud
Pfarrer Bengert aus Burbach bemüht ſich unabläſſig, den Unſchuldigen zu
retten. Es trifft auch inzwiſchen bei der Militärbehörde ein Schreiben des
unvorſichtigen Schützen ein, das die Vorgänge in der Gaſtſtube erklärt. Alles
vergebens! Ter raſende See will ſein Opfer haben.
Am 20. Oktober, abends 5 Uhr, wird dem Jnhaftierten die unmittelbar
bevorſtehende Vollſtreckung des Urteils angekündigt. Man bietet ihm Kognak
an, er verweigert die Annahme, ihm wird ein franzöſiſcher Geiſtlicher zugeführt,
den er zuräckiveiſt. Er bittet um einen deutſchen 'Pfarrer, und Dr. S<mli eilt
herbei. „Ih habe in meinem Leben manchen ſchweren Gang getan, aber Dies
war der ſchwerſte“, ſagt er ſpäter zum Bruder des Ermordeten. Der Geiſtiiche
findet Johannes gefaßt und ergeben. Mit wehem Herzen beten beide, dann
tröſtet der erſchütterte Seelſorger den Todgeweihten mit dem heiligen Sakra-
ment. Schon bricht der Herbſtabend herein, ein Laſtauto fährt in der Däm-
merung hinaus zum Schießplatz der Siebziger. Man ſieht auf dem Gefährt
Dr. Schlich und Jakob Johannes feſt Hand in Hand. Die Gefühlsroheit
der galliſchen Raſſe tritt auch hier wieder in Erſcheinung. Der Sarg wird auf
demſelben Wagen mitgeführt, ſo daß das Opfer ihn ehen muß. Welche Seelen-
qualen mögen noh ii dieſem Wege erduldet ſein! Eine Abteilung Marokkaner
und nicht weniger wie eine ganze Shwadron Kavallerie umgeben den traurigen
Zug, der den Schlageter Saarbrückens zum Tode hinausführt. Johannes bleibt
ſtandhaft bis zum letzten Augenblick. Die Franzoſen wollen ihm eine Binde
über die Augen legen, er reißt ſie weg mit den Worten:
I< bin unſ<huldig, ih bin ein deutſ<er Mann
und.kann furchtlos dem Tode ins Auge fehen!“
Die Schüſſe krachen, Johannes ſinkt lautlos zuſammen, ein edles Herz iſt grau-
jam vernichtet -zur höheren Ehre Frankreichs, das ſeiner Enttäuſchung und
ſeines Zornes nicht Herr werden kann, die ihm das Saarvolk entgegenträgt.
Kaum iſt das Echo der Salve im abendlichen Walde verhallt, da ſchleppen
auch ſchon auf einen Wink des Offiziers Marokkaner den Sarg herbei. Der
Erſc<oſſene wird hineingelegt und in eiliger Fahrt geht es vem Südfriedhof zu,
der bei voller Dunkelheit erreicht wird. Auch hier macht ſich wieder eine ſelt-
ſame Furcht der Franzoſen geltend. Das ganze Gelände iſt durc< Reiterei ab-
geſperrt, die, um die Sicherheit beſorgt, unruhig umhertrabt. Selbſt ein Panzerxr-
auto iſt erſchienen. Wehe dem, der ſich harmlos dem geheimnisvollen Zug
genähert hätte! Der Wärter wird gerufen. In einem umfangreichen Reihengrab
wird haſtig der Sarg herabgelaſſen, keine Erde bedeckt ihn, wie von Furien
gepeinigt, eilt ſoſort die ganze Kavalkade nac< Saarbrücken zurück.
- Am nächſten Morgen, wie man mir verſichert, erſcheint auf wenige Stunden
ein Anſchlag, wohl nur um Form und Vorſchrift zu genügen. Er iſt in dem
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