Saarkalender für das Jahr 1930
Zu gewiſſenhaft. Jh ſtehe auf dem Vorderperron der Straßenbahn. Die Straßenbahn
iſt überfüllt; auch vorne ſtaut ſich alles. Zwiſchen Tür und Führer, eingeklemmt in drang-
voll ſürc<hterliher Enge, ſteht mein Freund Bubbes. So oft der Führer die Klingel tritt,
ſ<hneidet er die blödſinnigſten Geſichter. So gut es bei dem Spektakel geht, verſtändige ich
mich mit ihm: „Was is?“ -- „Ei, der ſteht“ =- nach dem Führer deutend, „met ſeinem
Abſatz uff meinem Krähnau! Autſch!“ -- „Ei, ſahs-em doh!“ -- „I< werre mich hiete!
Do owwe ſteht doh, „Dem Führer iſt jede Unterhaltung mit den Fahrgäſten ver-
boten!“ C. Sch.
Grünanlagen werden jetzt im Saargebiet mit großem Fleiße geſchaffen, um allen Ge-
legenheit zu bieten für bequeme Spaziergänge. Vor einigen Wochen geht der Lenker und
Leiter eines ſaarländiſchen Fabrikortes mit einigen Bürgern durch ſein Herrſchaftsgebiet
und bemerkt in einem rauchigen Viertel eine Menge junger Mädchen oder Frauen mit
Kinderwagen. „Wie würden ſich dieſe armen Leute freuen, könnten ſie im Grünen mit
den Kleinen umherfahren, anſtatt in dieſer dumpfen Straße“, bemerkt Herr X. „Ach
nein“, entgegnet ihm ein kundiger Bürger, „hätten wir den ſchönſten Park, ſie wären
allegar hier. Heute iſt nämlich Lohntag, und die Mädchen lauern den jungen Buben wegen
der Alimente auf.“
Das Mann von die Katz. Bekanntlich hat die franzöſiſche Bergverwaltung, um gefügige
Arbeitskräfte zu erhalten, Bergleute aus aller Herren Länder ins Revier geſchleppt. Ein
Pole, welcher entweder gar nicht oder nur gebrochen deutſch ſprechen konnte, erzählte
eines Tages ſeinen Kameraden bei der Arbeit, daß er viele Mäuſe in ſeinem Hauſe habe
und ſich eine Katze anſchaffen müſſe. Da er aber nur eine männliche Kaße wollte, das
Wort „Kater“ aber nicht wußte, ſagte der Pole nur, er wolle „das Mann von der
K aß“. =- Dieſe originelle Bezeihnung des Kaßzenvaters trug ihm bald den Namen (er
bieß mit Vornamen „Jaſcheck“) „Katerjaſche>k“ ein
Als Kaſernenhofblüten aus der Zeit der 70er und 7. Dragoner kurſieren unter den ehe-
maligen Angehörigen dieſer Regimenter noch zahlreiche, gut verbürgte unfreiwillige Wiße.
Die meiſten ſind allerdings zu derber Natur, von den harmloſen ſei hier einer wieder-
gegeben. In einer Inſtruktionsſtunde der Siebziger ſpricht der Unteroffizier lang und
breit über Kriegsliſt: „Krebs“, ſagt er dann, „geben Sie mir nun ein Beiſpiel an über
Kriegsliſt.“ Krebs: „Kriegsliſt iſt, wenn man den Feind nicht merken läßt, daß man keine
Patronen mehr hat, ſondern immer ruhig weiter ſchießt.“
Von der 20-Groſchen-Schicht. Bergrat Ammon, Kaiſer Rotbart genannt, führte dereinſt
auf der Grube Camphauſen ein ſtrenges Regiment. Ueber die kleinſte Nachläſſigkeit geriet!
er in Erregung, jeder fürchtete ſeine Schärfe. Da trifft er auf einem Waldweg einen
Knappen, der an dem Vorgeſetzten, irgendetwas vor ſich hinmurmelnd, vorübergeht.
Ammon ſtellt den Mann zur Rede, ob etwa das Gemurmel ein ihm ſchuldiger Gruß
bedeuten ſolle. „I<h han Glückauf geſaht, Herr Bergrat, awwer für 20 Groſchen die Schicht
kann ma nit ſo hart (laut) grüße!“ Der Bergrat iſt entwaffnet, lacht und erzählte ſpäter
gerne von dieſer Abfuhr.
Im Zivilkaſino zu Saarbrücken ſaß recht oft ein bekannter Saarbrücker 0 6
guten Tropfen und war erhaben über Raum nD Se Sie AR85 SE Wt au
na<4 Mitlernacht, erſchien ſein Diener auf der Bildflä e: „ e ? I
vx ihn an. SD gnädige Frau laſſen den gnädigen Herrn zur Gardinenpredigt
bitten!“
Zweideutig. Bürgermeiſter zum Ortsvorſteher: „Nu, han ſich ſeit meinem letſchde Be-
ſuch noch viel Vagabunde ſehe laſſe?“ =- Ortsvorſteher: „Nei, ſeit Se zeletſ<d hier warre,
hat ſich kei Geſindel meh gezeigt!“
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