Full text: 8.1930 (0008)

Saarkalender für das Jahr 1930 
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Humor in der Kirche. Mein Vetter R. ſtand mit ſeinen Lehrern und Seelſorgern in 
ſeiner Jugend ſtets auf recht geſpanntem Fuß. Daß er im Konfirmandenunterricht ſo 
gar nichts lernen wollte, traf den Vater des Jungen beſonders deshalb, weil er dem 
Kirchenrat (ſog. Vierziger) angehörte. Als die öffentlihe Prüfung in der Schloßkir<e 
ſtattfinden ſollte, war der Pfarrer in einiger Verlegenheit. Uebergehen konnte er den 
Sohn eines Vierzigers in der Prüfung nicht; andererſeits wollte ex dem Jungen die 
Blamage erſparen, daß er nichts wußte. Deshalb fand er den Ausweg, daß er ihm die 
erſte Frage, die im Katechismus ſtand, vorlegte, die lautet: „Mein liebes Kind, was biſt 
Du?“ Die Antwort lautet: „I< bin ein Chriſt.“ Dieſe Frage mußte der Junge doch 
beantworten können; außerdem machte es einen ganz guten Eindruck, wenn die erſte 
Frage in der Prüfung an den Sohn eines Mannes gerichtet wurde, der im Kirchenrat 
ſaß. Aber ſelbſt dieſe Frage war ſhon zu ſchwer, denn der Junge erhob ſich in ſeiner 
ganzen, damals ſchon beträchtlichen Länge -- er hat ſpäter bei den Küraſſieren gedient -- 
nahm eine der Situation entſprechende und beſcheidene Miene an und antwortete 
demütig mit artiger Stimme: „J<h bin ein Kind.“ Das E<ho war ein allgemeines 
Räuſpern und unterdrücktes Lachen in der Gemeinde. 
Aus der quten, alten Zeit, als ih noh jung und tatenfriſc<h als Aſſeſſor auf der 
Grube Kamphauſen Dienſt tat -- ſo ſchreibt mir ein hoher Bergbeamter -=- vergeſſe ich 
nicht ein kleines Erlebnis, das heute der famoſen ſaarländiſchen Anekdotenſammlung des 
Saarkalenders vielleicht willkommen iſt. Ein Bergbote wurde tägli< mit Berichten über 
dienſtliche Angelegenheiten zum Bergamt nach Saarbrücken abgefertigt. Dieſer wichtige 
Bote erledigte ſodann nebenbei für uns in der Stadt noh allerlei Kommiſſionen, wie man 
es damals nannte, und verſorgte uns mit allem Nötigen. Der Bergbote, ein gewiſſenhafter, 
aber nicht gerade regſamer Geiſt, erhält von mir den Auftrag, Kloſettpapier mitzubringen. 
Der gute Mann ſteht ſtill, als wenn er noh auf etwas warte. Jh frage: „Wollen Sie 
noh was?“ „Tja, Heer Aſſeſſer, menne Sie nit aa<h, daß et richtiger wär', gleich die 
Kuverts dazu mitzebringe!“ 
Im Wandel der Zeiten. Ein aus Nordamerika im vorigen Sommer nach Jahr- 
zehnten heimgekehrtes ſaarländiſches Ehepaar zeigte noch in ſeiner Sprache unverfälſchte 
Viundart. Die beiden Alten ſien in dem Cafe Adams in der Reichsſtraße und ſtudieren 
mit großem Eifer über die Sehenswürdigkeiten in einem Führer dur< Saarbrücken. 
Vieles ſcheint ihnen neu zu ſein, denn man hört am Nebentiſch wiederholt die Worte: 
„So war no nix, als m'r nübergingen!“ Die frohe, glückliche Stimmung der biederen, 
frommen Farmersleute wird plötzlich geſtört, als der Mann lieſt: „An öffentlichen 
Gebäuden . . . .“ „Nanu, Jeſſes,“ ruft er, „ſo war no nix, als m'r nübergingen, ſo'n 
gottlos Gedinges han ſicher die liederliche Franzoſen na<g Saarbrigge gebracht!“ An den 
NRebentiſchen horht man auf, und als eer ruft: „Mit dem Gedinges ſtimmt ſc<o,“ iſ! 
der Freundſ<aftsbund mit den alten Herrſchaften geſchloſſen. 
Eine humoriſtiſche Kriegserinnerung. Ein Offizier, der ſhon in der Friedenszeit 
bei der Saarbrücker Garniſon wegen ſeiner Rückſichtsloſigkeit bekannt war, führte im 
Kriege eine Diviſion. Als deren Kommandeur erließ er eines Tages den Befehl, daß der 
bei den Soldaten in den Unterſtänden unſerer Diviſion ſo beliebt gewordene Stock 
verboten ſei, weil dieſer Aufzug „unmilitäriſch“ angeſehen werden müſſe. An einem der 
nächſten Tage trifft er im Ruhequartier einen Mann ſemer Diviſion mit einem Stock 
in der Hand. Außer ſich über die Nichtbefolgung ſeines Befehls haucht er ihn an und 
ſchließt ſeine Philippika mit den Worten: „Können Ste mir einen tüchtigen Soldaten 
nennen mit einem Spazierſtok in der Hand?“ „Exzellenz, der alte Fritz!“ war die uner- 
wartete Antwort. Am nächſten Tag kümmerte ſich Exzellenz niht mehr um unſere 
Knüppel. 
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