Saarkalender für das Jahr 1930
Wie er dann in den Hof trat und die Frau ihm in ihrer aufgeregten Art erzählte,
daß die Magd ſchon eine geſchlagene Stunde am Brunnen ſtehe, ohne auh nur den
Küchenbottig mit den bligenden blanken Meſſingreifen halbwegs. voll zu bekommen,
vachte er in ſeiner Ehrlichkeit nur daran, ob am Ende dieſe neuangeſchaffte Pumpe, die
den Eimer an der langen Kette über der Holzwelle auf Anraten fortſchrittlicher Nachbarn
verdrängt hatte, niht in Ordnung ſei, brummte etwas von: Jetz hammerſ<! und:
neumodiſc< Gedinges! zwiſchen die Zähne, probierte aber auch ſelbſt mal ſeine Kunſt.
Wie ihm aber ſchon beim erſten Zug und Stoß der Pumpenſc<wengel wie ein ſc<hlappes
Seil aus der Hand fiel und gurgelnd ein Ton am Brunnenrohr herauflief, da wußte er:
das Rohr hing frei über dem Spiegel, der Brunnen hielt kein Waſſer!
Das war ihm nun zwar ſeit ſeiner Kindheit Tagen neu, aber nur im erſten Augenblick
unbegreiflich. Im zweiten wußte er genau, woran es hing: ſtraßenwärts hatte die
Gemeinde einen neuen Brunnen geſetzt und ihm dabei ſein Waſſer abgegraben: Aha!
Aha! ſagte auc< die Müllerin, ſagte die Magd, ſagte auch der Knecht, ſagte auch
Großvater und Großmutter, die beide aus ihrem Altgedinge, etwas ſc<werfällig wohl,
aber nicht weniger neugierig herangehumpelt kamen.
Tetz hammerſch! ſprach darauf wieder gewichtig der Müller, kraßzte ſich mit der
rechten Hand unter dem Rand der grau angelaufenen Zipfelmüße und alles ringsum
beſtätigte dur< Kopfnicken, daß er ihm aus dem Herzen geſprochen. Worauf er ſich
kurz eniſhloſſen dem Hoftor zudrehte und von allem, was Beine hatte, gefolgt, ſtrebte
er ſtracks dem Gemeindehaus zu.
Die Bauern unterwegs in ihrem ſinnierlihen Mummeln hinterm Pflugſterz geſtört,
reckten die Köpfe hoch, die Leute zu Haus, völlig verdußt, ob des ſich mehrenden
Schwarmes, der die Straße herabzog, ſtreckten neugierig Naſen und Ohren durch die
Fenſter, fragend, was da wohl in ihrer Einſamkeit ſtörend ſich aufdränge, und obwohl
die Frauen ſich die rotangelaufenen Arme und naſſen Hände noch ſchnell an der Schürze
wiſchten, wurde der Haufe immer größer.
Dem Schulz, wie ihm ſein Adjunkt ſchweratmend den langſam ſich heranſchiebenden
Heerwurm meldete, würde es nicht eintun bei der Geſchichte, nichts deſto trog aber legte
er die Faiten ſeines Geſichts in die Form fragender Harmloſigkeit: „Was führt Dich denn
zu mir ?“
- „Ha no“, kraßte ſich wieder der Müller ſeinen aufſteigenden Zorn vom Ohr, „habt
ihr mir mit euerm verdammten Brunnen am Gemeindeweg das Waſſer abgegraben, ſeht
zu, daß ihr mir anderes beſorgt! Andernfalls geh ich zu den Aſſiſen!“
- Die hohe Obrigkeit, ſelbſt wenn ſie nur in einem kleinen Bauernſchulzen ſteckt, läßt
ſich nicht drohen: Kraft ihrer Gewalt und höherer Einſicht iſt ſie nie im Unrecht, weshalb
ſie auch hier kaltlächelnd die Achſeln zuckte und es ruhig dem Müller überließ, auszu-
probieren, ob ihm am Ende die Aſſiſen beſſer ſein Waſſer zurückliefern könnten, denn
die Gemeinde, vertreten durch ihren hohmögenden Sulzen!
Nun ſagt man zwar -=- wie weit zu Unrecht, weiß ich nicht! -- den damaligen
Gerichten nach, daß ſie noh langſamer gearbeitet hätten, wie heute: wie aber mal fünf
Jahre in dem Prozeß verfloſſen waren, ohne daß des Müllers Pumpe auc nur einen
Zoll tief im Waſſer hing und weil er doch in der Stadt etwas zu erledigen hatte, 30g
er ſeinen Mauleſel aus dem Stall, warf ihm den Sattel über den knochigen Rippſtrang,
legte Zaum und Zügel an, ſchwang ſich darauf und ritt davon.
Wie er nun ſo in der geruhigen Morgenfrühe klopfenden Herzens durch den Warndt-
wald ritt, nahm er unterwegens einen grasgrün verbrämten Jäger wahr, der da wohl
auch ſeinen Geſchäften nachging, ſprang ab und hieß den, ſeinen Eſel am Hügel halten,
indes er ſelbſt die Gurt am Sattel feſter zog.
. Der Jäger, froh um die Abwechſelung in ſeiner Waldeinſamkeit, ließ drum nicht nach
mii Fragen, wohin des Weges, woher und warum?
Der hatte nun keinen Grund mit ſeiner Angelegenheit hinterm Berg zu halten,
ſondern legte haarklein aus, daß er einen langwierigen Prozeß mit der Gemeinde
habe, der nicht zu Ende gehen wolle, obwohl er ſchon an die fünf Jahre daure und weil
er nun doch mal in die Stadt müſſe, ſo ſpreche er auch gleichzeitig mal beim Fürſten vor,
der ihm, dem Müller von der Obermühle, ſiher zum Recht verhülfe.
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