Saarkalender für das Jahr 1929
Anfangs Februar konnte man in den Blättern in großer Aufmachung
teten: Kind Nr. 22.
„Der in dem belgiſchen Dorf Basel lebenden Familie van Hul wurde
dieser Tage das 22. Kind geboren. Dieses festliche Ereignis fiel mit der
Grundsteinlegung zu einem Haus zuſammen, das aus dem Ertrag einer
öffentlichen Subskription für die Riesenfamilie gebaut werden wird. Das
Neugeborene wird am Donnerstag durch den päpſtlichen Nuntius Micara ge-
tauft werden. Die Patenſchaft übernimmt der Gouverneur der Provinz Lim-
burg und die Tochter des Bürgermeiſters. Bei dem 21. Kinde der Familie
hat bereits die Königin der Belgier Pate gestanden.“
Das iſt recht nett. Aber – >= hier bei uns iſt ein solcher Kindersegen
nichts Neues. Im Gegenteil, der Klempnermeiſter Balz in der Türkenſtraße
hatte 24, vierundzwanzig Kinder, und der weithin bekannte ,„„Vetter Hanjob“
von Urexweiler hatte zweimal zwei Dutzend lebendige Kinder beiſammen.
Mit letzterem hatte es folgende Bewandtnis: Als Vetter Hanjob das zweite
Dutzend beiſammen hatte, iſt ihm das Malheur passiert, daß, nachdem das
vierundzwanzigſte Kind getauft und in die Schar der anderen eingereiht war,
eines der Kinder erkrankt und gestorben iſt. Aver pünktlich siellte sich übers
Jahr der fällige Ersatz ein und das zweite Dutzend war zum zweiten Male
voll. Und so hatte Vetter Hanjob zweimal zwei Dutzend lebendige Kinder.
Wir haben die Geschichte aus dem Munde unseres verehrten Herrn Miniſter
Koßmann gehört, der dort in der Nähe beheimatet iſt. Ein Zweifel ift da-
her ausgeſchloſſen. Aber – – ein Aufhebens hat man bei solchen Gelegen-
heiten hier nicht gemacht, obwohl. dem Meiſter Baltz, der in recht dürftigen
Verhältnissen lebte, ein eigenes Heim sehr willkommen gewesen wäre. So
ganz ohne Sang und Klang wird es ja wohl auch nicht abgegangen sein,
aber – + für den Sang und Klang hatien Meiſter Baltz reſp. Vetter Hanjob
selber aufzukommen. §e
In einem hiesigen, sehr bekannten Hotel ereignete sich an einem Tage,
Ende Februar, folgende köſtliche Geschichte, die den Vorzug hat, buchstäblich
wahr zu sein: Ein Hotelgaſt, der ſtändig in dem Hauſe wohnt und wegen
eines Beinleidens nicht gut gehen kann, bittet nach dem Abendessen den erſt
seit wenigen Tagen amtierenden Pikkolo, ihm seinen Nachtiſch zu bringen.
Erſt macht der junge Herr mal große Augen. Dann aber, nachdem der Herr
Ober ihm gesagt, er möge sich mit dem Nachtisch doch etwas beeilen, machl
er sich auf den Weg. Er bleibt aber ziemlich lange und erscheint endlich,
ſchweißgebadet, mit dem – –~ ~ Nachttisch, den er mit vieler Mühe von
. dem Zimmer des Hotelgaſtes hergeſchleppt hatte. Er glaubte nicht anders,
als der Herr, der nicht gut gehen kann, benötige den Nachttiſch. Das Halloh
der Gäſte läßt sich denken.
In der Nauwieserſtraße war kurg nach Mittag eine ſtödtiſche Kehr-
kolonne in Tätigkeit. Die alten Leute, die gewissermaßen Saarbrücker Ori-
ginale sind, unterhielten sich ungeniert ziemlich laut über die heutigen Zu-
stände hier. Schließlich meinte einer so recht aus Herzensgrund: „Joo,
Henner, wann hoe mool Ordnung herrſcht, dann duhn uns ken Zänn meh
weh.“
Aus Fritz Kühners ,„„Saar-Großſtadtbrille“.
Frei Haus die Nummer 60 Cts., durch die Poſt monatlich 2,65 Fr.