Saarkalender für das Iahr 1920
Hubbes und ich an der Beresina.
Von Bäckermeister Adolf Bobbert-Saarbrücken.
An der Beresina iſt schon manches passiert, was mit ehernem Griffel in die Tafeln
der Weltgeschichte eingeratt worden iſt. Ihr wißt doch, wie man dort dem ersten
Napolium mitgespielt hat, dem die Kosaken ordentlich ans Leder gingen. Ihr habt
doch auch schon von dem Schneider von Pensa gehört, der auch an der Bereſina herum
seinen Skat gekloppt hat und dann im Verlaufe kriegeriſcher Handlungen berühmt
geworden iſt. Nun will ich weder mich noch meinen Freund Hubbes aus der . . . . ſtroß
mit dem erſten Napolium oder dem Nadelmeister irgendwie in Parallele setzen und den
Anspruch erheben, von der Weltgeschichte glorifiziert zu werden: aber Tatsache iſt, daß
wir zwei ausgekochte Spreben als anerkannte Sonntagsjäger und Mitglieder des Tier-
ſchutzvereins einer Bande von Wildschweinen an dieser hiſtoriſchen Beresina erfolgreich
zu Leibe gerückt sind. Und das soll mal einer nachmachen, solange es keine Sonntags-
karten nach der Beresina gibt.
. Ich sehe heute noch die verdutzte Viſaaſch meiner Ordonnangzg, als sie mir so beiläufig
in die Bude rief, daß am Hohezolleregraawe e Haufe Wildſsauwe gesiehn worr sinn und
ich sofort den dienstlichen Befehl zum Anschluß an eine Jagdexpedition gab. Ich hatte
als oberſter Küchenchef für das leibliche Wohl und Wehe meiner Kompagnie zu sorgen
und wäre in den mageren Jahren an Elefanten und Brontoſauruſsſe herangegangen, wenn
nicht nach Brehm das Fleiſch dieser Ungeheuer für den menſchlichen Genuß als unbrauch-
har heztse! werden müßte, und es der Küchenbesatzung im übrigen auch an S. K.-
unition fehlte.
Obwohl die vereidigten Sachverſtändigen des Kriegsernährungsamtes das von mir
auftragsweiſe bereitete Stacheldraht- und Rübenzeug für genügend vitaminhaltig er-
klärten, mußte ich die Speisekarte abwechslungsreicher zu gestalten versuchen. Hatte
ich doch in der Hauptsache Saabrigger Grageehler zu befriedigen.
Also mobilisierte ich meinen Freund Hubbes, der sonst besser mit dem Hobel umzu-
gehen versteht, und zog mit ihm und der verdrießlich grunzenden Ordonnanz in Nacht
und Schnee von dannen.
Zittert, elende Wüſtlinge
der beresianiſchen Steppe!
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Drei Doppelfuſel aus den eisernen Kompagniebeständen hatten wir zu uns genommen
und damit die Feldflaſchen gefüllt, um in bewährtem Offensivgeiſt den Bestien ins
wilde Auge zu ſchauen. Proben an der kleinen Plempe ergaben, daß sie gut geschmiert
war und als letzte Rettung herausgebracht werden konnte. j
Bsſsssſdo!! + Ein infernaliſcher Geruch stieg mir in die Nase, als wir nach einer
halben Stunde eine Waldlichtung erreichten und auf dem Boden wildsauartige Spuren
fanden! Nicht umsonst hatte ich in meiner Jugend Winnetou und Old Shatterhand
ſtudiert. Die Ordonnanz bestätigte wimmernd, daß wir am Kampfplatz waren. Puh —
lag hier nicht das Gerippe einer Kuh? Bîsſſſſsd, ging es in einem Loch in Stellung, um
die vierbeinige Saubande abzuwarten. Ich verlas die Kriegsartikel und das Exrerzier-
reglement und appellierte an den Mannesmut der braven Soldaten, die für ihr Vater-
land und ihren Magen alles zu tun bereit sein müßten. Ich verwies auf Beispiele in
der Geschichte. Hatte es den gewünſchten Erfolg?
„Du, Adolf, ich hann geheerd, die Wildſaue hädde voore ä Horn uff dr Schnauz!“
„Dirmel, hannse dr nidd noch verzeehld, sie dädde hinne odeme wie die Wolfssſchlucht-
wildſau bei Bömiy im , Freiſchütz“ ?“
„Wenn so e Vieh wiedich wird, kenne se ihr beſchde Freinde nimmeh.“
„Jo, jo, es soll mol äner vunner Wildſau um e Baam erum gejahd worr ſinn.
Zuledſschd hattsene verwidſchh un haddem de Bauch uffgeritzt.“
„Han mir e Gligg, daß kä Baam in der Näh is.“
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