Saarkalender für das Jahr 1929
Aus „Schwimm-Lattes“ verſchollenem Reich.
Von E. R., Saarbrücken.
Wenn im lichten Kranz der Jugenderinnerungen vieler Saarbrücker die Eindrücke
an den alten Schwimmlehrer Latte in besonders hellen Farben leuchten, so dies nur des-
halb, weil sich im Laufe der Jahre um das teerduftende Badehäuschen oberhalb der
alten Brücke und um seinen Herrn und Meister ein geheimnisvoller Nimbus gewoben
und Latte es verſtanden hatte, „seinem Betrieb“ eine persönliche Note zu geben. Als
echter St. Johanner „Sprääb“ war Latte kein Komplimentenmacher, aber in der ihm
eigenen bieder-derben, jedoch zielbewußten Art wußte er uns Schülerinnen und Schülern
derart nachhaltig für die edle Schwimmkunſt zu begeistern, daß wir, um keine Zeit zu
verlieren, sogar im Winter „,Latteches“ spielten, d. h. Trockentraining machten, wobei
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derbe Altmeister mit kräftigem Stoß zu einem kühnen Sprung ins Stroh, das war
unsere Saar. Da bemühte man sich nun nach Kräften „Tempos“ zu machen (so hieß
unsere Pluralbildung), und unser kleiner Latte kommandierte dazu, seinem Vorbild
getreu: „Eins – zwei — terrei, eins – zwei = terrei . . . – zwei terrei!“
Kaum blühte der Flieder auf den Hängen des Trillers und sommerlich warme Tage
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Die Freuden unseres Badelebens begannen, Herr und Meiſter war, halb gefürchtet, halb
geliebt, Latte. Mit seinem langen, grauen Bart, in der Leinenjoppe, den Kopf bedeckt
mit einem breitrandigen, uralten Strohhut, war er eine ſtadtbekannte Perſönlichkeit.
Endlich kam dann für uns Ungeduldige der ersehnte Augenblick; eine Fahne in deutſchen
Farben ſtieg langſam über dem Badehäuschen empor und flatterte im Winde, die Saison
war damit offiziell eröffnet. Der ,„Kurdirektor“ muſterte mit ernster Miene besonders
die Schoren der kleinen Frechlinge, die seine bewunderte Kunſt erlernen sollten oder
wollten.
In Saarbrücken kannte man damals noch keine eleganten Schwimmtrikots. Einfach
und derb die Menſchen, die Kleidung dieſem Charakterzug entsprechend. Wir Mädels
hatten sehr däftige Badeanzüge aus derbem Biber oder dergleichen mit feſtem Gürtel.
Es war für uns zu ſchön, wenn wir dieſen Anzug um die Beine eng zubanden und
dann hinter dem Gürtel Luft hineinbliesen. Dann konnte man sich im Wasser treiben
lasſen und wurde von dem Anzug, der einem unförmigen Ballon glich, getragen. Wehe
aber, wenn Latte solche Vorbereitungen bemerkte! Ehe man es ahnte, ſchlich er an der
eifrig Puſtenden vorüber und wußte dem schönen Luftballon einen kleinen Schnitt
beizubringen. Weg war die Herrlichkeit! ;
Der unterricht war einzig in seiner Art. Unglaublich draſtiſch waren des Alten
Vergleiche, mit denen er uns die einzelnen Bewegungen und Stellungen klarmachte.
Alles, was im Schwimmanzug vor ihm stand, wurde geduzt. Man kann ſich daher
unser diebiſches Vergnügen vorstellen, wenn wir Schulkinder beobachteten, wie er unsere
geſtrenge Lehrerin in s e i n e Schule nahm.
Wer seine Sache an der Angel gut gemacht hatte, der kam an die Korkleine und
wurde um das Baſſin geleitet, danach an die „Saufleine“. Bevor er aber freigelassen
wurde, mußte jeder seine Sicherheit durch einen Sprung ins Wasser beweisen. Eine
unserer Mitschülerinnen setzte mehrere Male zum Sprung an. Im letzten Augenblick
versagte ihr jedesmal der Mut. Da kam unversehens unser guter Latte vorbei und
hett elaſſen mit einem sanften Fußtritt nach. Roſa war endlich im Wasser und: konnte
wimmen. ;
Primitiv wie das Ganze war auch die Duſche. Sie bestand aus einem hohen Geſtell,
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durchwärmtes Waſſer spiegelte lebhaften Gemütern die erwünschte Kühlung vor.
. Meine Mutter kam auch einmal zum Zuſchauen und erhielt auf ihre Frage nach
ttt! Leiſtungen zur Antwort: „Da s d o, d as s < w im mt wie die Mick uf f m
äs bre i !“
Das Hinausſchwimmen in den Strom war uns streng untersagt. Es war aber zu ver-
lockend, man brauchte sich nur vorsichtig zwischen den Fässern h tek auf
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