Saarkalender für das Jahr 1929
Und wie klärte sich die Sache auf?
In allen Kasernen war mittlerweile „körperliche Untersuchung und Spindrevision“
gewesen, wie ich noch am selben Abend erfuhr. Aber nicht nur in Trier, nein, in allen
ganz)) res Fertlq); Feu; om selben. Fog. aur ſelben, Stunde. iter euſclbent
und verheirateten Unteroffizieren in derselben Weise wie in meinem Falle.
Worum handelte es ſich?
Um Feststellung, ob und in welchem Umfange sozialdemokratisſche Schriftstücke im Be-
ſitz von Militärpersſonen ſseien!
Damals war das ,Sozialiſtengeſetz“ in Geltung, und wehe dem Soldaten, bei welchem
man irgendein sozialdemokratiſches Schriftstück, ob Zeitung, Brief, Broſchüre oder wissen-
ſchaftlich-sozialiſtiſches Buch gefunden hätte!
Natürlich wurden in Einzelfällen solche Funde gemacht. Die „Betätigung“ sozialdemo-
kratiſcher Gesinnung war damit bereits als erwiesen angesehen, wie man durchaus glaub-
würdigen Pressemeldungen damals mehrfach entnehmen konnte, und dabei wurde wieder
einmal eine Anzahl von Partei-Märtyrern geschaffen.
Heute haben wir in Deutſchland eine unabſehbare Reihe sozialdemokratiſcher Staats-
ſplrdentzäger. haben sogar ein sozialdemokratiſches Reichsoberhaupt gehabt ~ so ändern
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Der Großherzog von Oldenburg und der Musketier. Bekanntlich dienten die im
damaligen Fürstentum Birkenfeld ausgehobenen Ersatzrekruten, soweit sie für die
Infanteriewaffe tauglich waren, bei der 5. und 6. Kompanie des 8. rhein. Inf.-Regi-
ments Nr. 70. Gelegentlich seiner faſt alljährlichen Inspizierungsreisen durch das Birken-
felder Ländel, stattete der Großherzog von Oldenburg auch regelmäßig seinen Landes-
kindern im bunten Rock in der 70er Kaserne einen Beſuch ab. –+ Selbſtversſtändlich
herrſchte in den Revieren der 5. und 6. Kompanie besonders die letzten Tage vor dem
Eintreffen des Landesvaters eine gewaltige Umbringerein: Da wurde geklopft und
gebürſtet, geſchwärzt und gefummelt und, nicht zu vergessen, Ehrenbezeugungen theoretisch
und praktisch geübt, daß ja kein Musketier unangenehm auffalle. – So stand auch u. a.
Sergeant Strambach vor seiner Korporalsſchaft auf dem Kasernenhofe und mühte fich im
Schweiße seines Angesichts redlich ab, seinen Untergebenen das richtige schneidige Front-
machen beizubringen. Endlich iſt auch Musketier Schneekloth an der Reihe, um seine
Kunst zu zeigen. Dieser, etwas nervös, fährt derartig ſtramm zusammen, daß er fast
nach hinten überfällt. + Darauf Strambach wütend: „Menſschenskind, mit fo ‘ner Ehren-
bezeigung wollen Se Ihren Großherzog imponieren! Wiſſen Se wat der machen dhut?
Ick werde Ihnen det sagen: Sie sehen ~ Auto halten laſſen – rausſpringen – Ihnen
links und rechts eine in die Fresſe ballern ~ wieder ins Auto springen und fortfahren –
iſt eins! – —~ Im Abfahren wird er Ihnen noch sagen: Schneekloth, mich is et ja janz
ejal, ob Se mir jrießen oder nich! Aber derjentzige wo, wie Sie, bei einer Ehrenbezeigung
daſteht wie ein dolljewordener Strohsack, is kein Soldat nich!“
. Die Probe auf's Exempel. Als ich im Jahre 1926 in Paris auf einer Bank mein
deutsches Geld wechseln wollte, mußte ich sehr lange warten. Auf die Frage: welche
Nationalität haben Sie? antwortete ich: allemande . . und das Geld wurde mir hin-
geworfen von einem jungen Herrn, der ein buntes Ordensband im Knopfloch trug und
ſehr kriegeriſch aussah. Als ich das nächſtemal zu dieser Bank kam und mich derselbe
Herr wieder fragte, welche Nationalität haben Sie? antwortete ich, um ihm etwas Ab-
wechſlung zu verschaffen: Rheinländerin. . Aber auch dieser Antwort, die sonst immer
die Herzen im Ausland aufzutauen pflegt, vermochte keinerlei Veränderung seines Be-
nehmens zu zaubern. Er warf mir das Geld genau ſo unfreundlich hin wie vorher. Als
ich das drittemal hinkam, antwortete ich in übermütiger Laune auf die Frage nach der
Nationalität: Sarroise . . Er schaute kurz auf, runzelte die Stirn und fragte: Was soll
denn das heißen? Verstehe ich nicht. Nun, sagte ich, das müßten Sie doch eigentlich ver-
ſtehen, Sie haben uns ja so getauft und haben das Land noch besetzt. Er grinſte,
murmelte einige unversſtändliche Worte, vielleicht einen Segenspruch über das Saarrevier,
aber ich kann nicht sagen, daß ich in seiner Gunſt gestiegen war. Das Gegenteil traf zu.
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