Saarkalender tür das Jahr 1928
„Eheater Cechini".
Von Lisei Dif.
Ein graues Leinwandzelt auf dem Dudweiler Marktplatz mit fünf rauchenden
Petroleumlampen, eine mit rotem Kattun verkleidete Kaſſe, hinter der eine pompöſe
Brünelte in violetter Sammettaille thronte, ein dicker Herr in rotweißgestreiftem Trikot,
der auf eine große Trommel schlug. „Immer hereinspaziert, meine Herrſchaften, nur
nich drängeln... Sie kommen noch alle dran, heut abend ... hier sehen Sie ein wirk-
lich zu Herzen jehendes Trauerſpiel; Jenofefa oder die verfolgte Onſchold .. .. Drama
in vier Akten...“ Es war die „unwiderruflich letzte Vorſtellung“, ein Samstag-
abend und Zahltag, die Bergleute strömten zu dem engen Eingang hinein und wir
drängten mit... Ich hatte niemand um Erlaubnis gefragt, dieses Theater zu beſuchen,
Mama war verreiſt und Papa war sehr ſchlechter Laune, es war wieder ctwas mit
den Apfelschimmeln los, der eine lag an Kolik im Stall, da aber die Truppe Cechini
die unwiderruflich letzte Vorstellung angezeigt hatte, hatte ich Angst, ich käme um
die lebende Hirſchkuh und das Paradebett des letzten Aktes und so halte ich beſchloſsſen,
ohne Erlaubnis hineinzugehen, begleitet von zwei Klassenfreundinnen. Papa war ins
Kasino gefahren, die Köchin hatte versprochen, mich abends an dem Hoftor mit dem
Hausſchlüssel zu erwarten. Nun saßen wir endlich auf unseren Plätzen, erſtes Parkett,
rote Plüſchſtühle, dicht hinter dem Souffleurkaſten, oor uns den gemalten Vorhang,
auf dem eine langbeinige, flötenſpielende Dame in einer großen Muſchel lag und.
von vier Engeln gezogen, durch Wolken ktutſchierte... Draußen xauſchte der Regen
und eine alte Orgel, der einige Töne fehlten, spielte „Früh morgens, wenn die Hähne
krähn“, von Franz Abt... während der Ausrufer unermüdlich auf die Trommel ſchlug
und die Besucher herbeirief ...
Endlich war alles bis auf den letzten Platz gefüllt, der Vorhang hob ſich und
die übrige Welt versank... Ich befand mich in einer Ritterburg, einer Kemenate mit
Butzenscheiben, ein Spinnrad stand in der Ecke, an dem eine blonde traurige Dame
von stattlicher Fülle in einem pfauenblauen Sammetkleid saß. Das blonde Locken-
haupt schmückte ein ſtrahlendes Diadem, zu ihren Füßen spielte ihr Knabe, der ihr
nicht ähnlich sah. Sie bewegte einen pompösen Federfächer und klagte uns ihre traurige
Geschichte... Schön und jung und schon verwitwet, saß sie auf dieser einſamen Burg
mit ihrem einzigen Sohn, eifersüchtig bewacht von Ritter Golo, dem Burgvermalter,
der ihrer Tugend nachſtellte .. .
Hinter der Bühne klangen ſchwere Schritte und Golo stampfte in den Saal,
ein Ritter in sſtählener Rüstung, breit. gedrungen, mit rotem Spitzbart und buſchigen
Atr:genbrauen, unter denen seine Aeuglein begehrlich nach der sanften blonden Frau
ſchielten, aber man sah es sofort, daß, es nur Verstellung war. Er wollte Genofefa
überreden, eine Ehe mit ihm einzugehen... Genofefa wehrte ihn sanft ab mit dem
Fächer. Sie schien keine choleriſche Natur, den Fächer ließ sie auch in tragiſchen
î Augenblicken nicht aus den Händen, und ſchritt durch das Zimmer, wobei sie, an
der Ecke angekommen, jedesmal die Schleppe mit einem Schwung zur Seite warf...
wie eine echte Rittersfrau... Sie war mit funkelnden Edelsteinen behangen, die
prachtvoll glitzerten und ihre Worte, mit denen sie den rohen Golo abwies, klangen
recht vernünftig. Sie wollte Witwe bleiben, wollte dem armen Kind keinen Stiefvater
geben und was ſie sonst noch vorbrachte. Aber Golo gefiel das gar nicht, er bedrängte
sie, die Geduld riß ihm und er stellte ſie einfach brutal vor die Frage: entweder +
oder ... Es kam zu einer heftigen Auseinanderſetzung. Golo drohte, Genofefa ſslehte...
aber sie gab nicht nach... sie wollte Witwe bleiben und lieber unglücklich sein.
Golo lachte höhniſch und verlangte Liebe. Er ſchnaubte Wut, aber sie blieb feſt. Er
rief einen finsteren Knecht herbei und befahl, die Eigensinnige in das Turmverlies
zu werfen. „Dort kannst Du darüber nachdenken,“ sagte er höhniſch. Er gab ihr drei
Tage Bedenkzeit ... Damit ließ er sie feſſeln und mit ihrem Knaben hinausführen ...
„Ach läder“, bedauerte man den Kleinen... Der Vorhang fiel. „Nun gehet leise nach
seiner Weiſe“ – sang meckernd draußen die Orgel ~ „der liebe Herrgott durch den
Wald“... Der Regen rauſchte auf das Theaterzelt. „Jetzt horchemohl, wie das ränt,“
sagte hinter uns eine Frau ...
Es dauerte sehr lange, bis sich der Vorhang wieder hob. Diesmal war man in
einem dunklen Kerker, der so finſter war, daß man nur ein Stück von Genofefas