Saarkalender für das Jahr 1928
Auswanderung von Bürgern des Kreiſes Saarlouis
nach Polen und Rußland im Jahre 1817.
Als im Sturmesbrauſen der ſsranzöſiſchen Revolution die Güler und Besitztümer
der ſaarländischen Territorialherrſchaften säkularisiert und öffentlich versteigert wurden,
brach in unserer Heimat ein tauſendjähriger Rechtszuſtand, die Leibeigenschaft, zuſammen.
Die Bauern wurden über Nacht zu Herren des Gemeindebannes, deſſen Benutzung vorher
mit der Zehntabgabe und Frondiensten verbunden war. Als freie Herren ihrer Feld-
gemarkung, erreichten sie, von der französſiſchen und preußischen Regierung unterstützt,
die Auf teilung und Pargzellierung der Feldgewanne und damit verbunden die
Erbübertragung ihres Geſamtbesitzes auf a lle Kinder.
Tie Folge dieſer Neuordnungen war die Entſtehung des saarländischen Kleinbauern-
ſtandes, der zur Bearbeitung seines mediatisierten Landbesitzes nicht mehr auf die
Hilfe von Tagelöhnern angewiesen war. Die allen, orlsangesessenen Tagelöhnerfamilien,
die bis bahin gegen Naturalentschädigung für die Bauern gearbeitet hatten, sahen
ſich durch dieſe Umstände ihrer alten Verdienstquellen beraubt und verfielen zum
großen Teile, wenn es ihnen nicht vergönnt war, billiges Gemeindeland zu kaufen,
der Not und der Arbeitsloſigkeit. Hätte unsere Heimat schon in jenen Jahren ihre
blühende Induſtrie besessen, ſo wäre es ein leichtes geweſen, die arbeitsloſen Tagelöhner
unterzubringen. Da unsere Induſtrie aber noch in den Anfängen der Entwicklung lebte,
und nur wenig Menſchenkräfte benötigte, sahen ſich die arbeitsloſen Tagelöhner und
auch mancher Kleinbauer, desſen ererbter Grundbesitz zum Unterhalt seiner Familie
nicht ausreichte, gezwungen, sich nach anderen Erwerbsquellen umzusehen.
Als sich zu dieser Erwerbsnot noch das Hungerjahr 181691817 gesellte, in welchem
der Doppelzenlner Korn 46 Fr. und der Doppelzentner Gerſte 38 Fr. koſtete, ſchritt
die Not, vom Elend und Hunger begleitet, durch unsere Dörfer. Bei einem Tages-
verdienſt von 2 Fr. koſtete das Kornbrot 2,20 Fr. und das Pfund Rindfleisch 1,70 Fr.
Die Not zwang viele Kreiseingeſeſſene zum Betteln, das unnachsichtlich von den Behörden
beſtraſt wurde. Die Heimat konnte viele ihrer Kinder nicht mehr ernähren, ſtieß
ſie hinaus in die Fremde und öffnete der Auswandererluſt Tür und Tor.
Polniſche und ruſsiſche Agenten, meiſtens Juden, umgaukelten die Phantasie der
Erwerbslosen mit großen Landverheißungen. Das dünn bevölkerte Rußland hatte bet
seinem Landüberfluß noch viele tüchtige Ansiedler notwendig. Günstige Auswanderungs-
bedingungen, wie koſstenloſes Ackerland und von der Regierung geschenkte Ackergeräte
lockten und verhießzen – und das ruſssiſche Konsulat in Karlsruhe wurde mit Ein-
wanderungsgeſuchen und Paßanfertigungen überhäuft. Laut den Veröffentlichungen des
Kreiskommiſsſsarrus Schmelzer (Landrat des Kreises Saarlouis) haben im Jahre 1817
die Auswanderung nachgeſucht und erhalten:
Peter Urnau von Saarwellingen. Hubert Speicher von ib.
Nikolaus Schäfer von idem. Heinrich Schmitt von Sprengen.
Johann Keller von Fahlſsſcchied. Joh. Suisse von Dillingen.
Peter Hoffmann von Saarwellingen. Jakob Paulus von Saarwellingen.
Peter Krämer von id. Joh. Georg Altmeyer von daſelbſt.
Stephan Schäfer von id. Math. Becker der jüngere von daselbſt.
Johann Feldes von id. Peter Heinrich von Fahlſchied.
Matthias Braun von Körprich. Kaspar Schäfer von Saarwellingen.
Peter Schmidt von Bettingen. Johann Schäffer von Lebach.
Johann Claß von Schwarzenholz. Jakob Kathrein von Landsweiler.
Johann Gillet von Schwarzgenholz. Jakob Kathrein, Neffe des Obigen.
Johann Ewen, Bettingen. Johann Zapp von id.
Mathias Lauck id. Peter Weisgerber 4. von Schwargenholz.
Nikl. Mäntz von id. Peter Pusſſe von Goldbach.
Johann Joſt von Hüttersdorf. Johann Pusse von Bettingen. ;
Johann Müller von id. Jakob Schneider von Schwarzenholz.
Jakob Häntz von id. Nikl. Schäfer der jüngere, Saarwellingen.
Johann Woll von id. Michel Oster von Hüttersdorf.
Math. Oſter von id. Nikl. Klein von id.
Joh. Obert von Derlen. Mathias Oſter junr. von id.
73 ;