Saarkalender für das Jahr 1928
Alte ſaarländiſche Schulgeschichten.
Alte verſtaubte Schulakten aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts
bergen allerlei nicht Humor entbehrendes Material, aus dem hervorgeht, daß das Verhält-
nis der damaligen Schullehrer untereinander nicht immer ein besonders einträchtiges war,
daß das Verhalten mancher Jugenderzieher zu wünſchen übrig ließ. Es ist rein menſch-
lich, daß es bei gewissen Hitzköpfen aus Ehrgeiz meiſtens zu offenen Reibereien kam und
daß aus dem Volke heraus Klagen laut wurden. Das zeigen nachſtehende kleine Episoden.
Die erſte Geschichte sſpielt ſich in einem Pü tt lin g er (Saar) Wirtshauſe ab, es handelt
ſich um Zänkereien, die zwiſchen den beiden dortigen Lehrern beſtanden, die dann der
Ortsgeiſtliche als Schulinſpektor schlichten mußte. Das in Gegenwart des Paſtors Hintgen
aufgenommene Protokoll hat folgenden Wortlaut: .
„Den 26.ten Merz 1825 hat der zweite Lehrer Nicola Koch sich gegen den 1.ten Lehrer
Job im Wirtshauß gantz fürchterlich herauß gelaßen und über ihn geſchendet; da fragte ich
Einer, der zugehört hat, waß daß were; da sagte der Koch: „Ey, der alte todvogel, der
alte Neimerder, der über mir Wohnt, der muß fort, ob 2 Monath vergehn oder der teufel
Muß Mich hollen!“ Daß hate der H. Paſtor Erfahren, da ließ er den Job und den Koch
mit 2 Man nahmens Joh. Altmeyer und Bernart Ball zu sich in ſein Hauß Rufen, um in
sache Erfahren zu werden; da fragte der H. Paſtor den Koch, waß Er gegen den alten Job
hete oder waß Er ihm Leids gethan hete, daß Er gestern sſo über ihn ausgestoßen hete im
Wirtshauß; da sagte der Koch: „H. Paſtor, ich weiß von nichts, der Job hat mir nichts leids
gethan und ich habe garnichls gegen ihn; wan ich Etwas gegen ihn geredet hab, ſo war
ich Besoffen, ich weiß nichts davon in dem Er Mir nichts leids gethan hat und nichts gegen
mich hat.“ Da sagte der H. Paſtor: „Wann ihr nichts mit Einander habt, warum habt ihr
dan so gegen den Job geredet und ihm gethrohet? Daß Er in 2 Monath Abtreten und fort
müsſe; da ſagte der Koch: „H. Paſtor, daß handwer nett“; Da sagte der Herr Paſtor: „Daß
iſt ſchön, ſo Reden sie, wen sie besoffen sein, was sie denken, wan sie Nüchtern ſein! Da
gabe er dem Herr Paſtor die hand und Auch dem Alten Job und ſagte: wen ich Einen
fehler gemacht habe, so verzeihen ſie Mir her Paſtor und sie auch her Job . . .“
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Ein merkwürdiger Vertreter des Schulfaches ſcheint ein Püttlinger Lehrer J. König
gewesen zu sein, wie aus folgender Anzeige an den damaligen Völklinger Bürgermeiſter
~ Püttlingen gehörte damals zur Bürgermeisterei Völklingen – hervorgeht, welches
Schreiben also lautet:
H eiten ~1 an H. H. Bürger meiſter gegen unsern Zweiten ſchullehrer nahmenß Joſeb
Kenig in Püttlingen veber sei betragen nemblich wie folgt, daß Er in unserm Dorf Ein
großen Zwietracht zu wegen Bringt da die Eltern Ihre Kinder in die schule ſchieken den
Bedienet Er ſich der Kinder auf alle Art nach seinem Gebrauch nemblich ſie müssen Ihm
daß Waſsſer beytragen nach seinem belieben und haben müssen in den Wald gehen und ihm
daß Laub zu hohlen für seine Ziegen ten Winter hindurch zu fütern, die Bohnenſtecken zu
hohlen im schlag, ferner haben sie auf seinen Befehl auch auf das Feld gehen müssen und
hate Einjedes Kind müsſen Ein Ermell von Kle oder Wiecken oder ſonſten Etwas müſſen
bringen und bedienet sich die Kinder auf alle Art, da doch die Eltern die Kinder ſelbſt zu
Hauſe bräuchten, und bey throung der ſtrafen sein die Eltern nicht ſo kien und doch dieſes
alles genzlich Verbotten iſt was Er ſich bedienet mit den Kindern, so macht daß Ein großen
Verdruß unter allen menſchen, den die leute ſagen, sie könnten Ihre Kinder nicht in ſchul
gehen laſen um lehrnen zu stehlen, daß könten ſie zu hauſe lernen und wen die Kinder ihm
nicht horchen nach seinem belieben, ſo tragen ſie die Plaumahlen mehre mahlen zu bete
und dörften zu hauſe nichts ſagen. .
Weil der muſsikaliſche Lehrer König zu seiner weiteren Ausbildung im Orgelſpiel
öfters die Püttlinger Kirchenorgel benutzte, wurde gegen ihn intriguiert, was uns folgende
„Klag gegen den Zwenten ſchulerer J. Kenig erzählten.
„Auch möchten die Schefen Rete der gemeinde Püttlingen haben, daß der beſsachte
Kenig solte uns Künftig hin nicht mehr auf unser Orgel gehen, den die Ein Wohner der
ganzen gemeinde Wohlen Es nichte haben; dahero mechten mir ſie unter denigſt gebetten
haben, diesem Vebel Vor zu kommen und ihnen fragen, Ob Er davon bleibe oder nicht und
wen Er nicht davon bleibt, so ſeynd wir gezwungen, uns an hern beherden zu wenden,
welches wir unter ſchriebe ſcheffen Rethe mit wahrheit adestiere.“ (24. Auguſt 1822.)
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