Full text: 1928 (0006)

Saarkalender für das Jahr 1928 
  
  
  
Von der alten Völklinger Dorfordnung. 
Von P. Buchleitner. 
Hinlänglich bekannt iſt uns, daß es zur 
Zeit der Saarbrücker Grafen für jedes 
Dorf eine sogenannte Dorfordnung gab, 
nach der sich sowohl die ansässigen gräf- 
lichen Beamten, wie die gesamten Be- 
wohner zu richten hatten. Genaueres war 
bisher über die Völklinger Dorfordnung 
nicht bekannt; man wußte lediglich aus 
einem Berichte des Kammerrates Lex um 
die Mitte des 18. Jahrhunderts, daß eine 
solche beſtand, wenn der gräfliche Beamte 
ſchreibt: . . . „schließlich wird eine geschrie- 
bene Dorfordnung in des Meiers Haus in 
der gemeinen Kiſte aufbehalten und jähr- 
lich verleſen.“ Inhalt und Umfang wie 
auch das Alter waren erſt recht unbekannt. 
Die Herausgabe der Geſchichte von Völk- 
lingen brachte nun plötzlich das amlliche 
Exemplar der Völklinger Dorfordnung ans 
Tageslicht, und zwar in noch gul er- 
haltenem Zuſtande. 
Auf 44 Schreibseiten iſt in derſelben 
recht viel Interessantes enthalten. Gleich- 
zeitig werden wir zu Anjang unterrichtet, 
daß der Völklinger Hof, wozu außer Völk- 
lingen noch Wehrden, Geislautern und 
Fürſtenhauſen gehörte, vor dem Jahre 
1737 keine geschriebene Dorfordnung halte. 
Die allgemein üblichen Beſlimmungen über 
die Aufrechterhaltung der Ordnung in dem 
genannten Hofgebiet wurden jjedenfalls 
jährlich bei den üblichen Zuſammentkünſten 
durch den Meier oder Heymeier bekannt- 
gegeben. Daß es bei dem Fehlen einer feſt- 
umrissenen, geſchriebenen Dorfordnung zu 
Mißhelligkeiten kam, iſt anzunehmen. Es 
geht auch aus dem Vorworte hervor, daß 
ſich die Naſssau-Saarbrücker Regierung ge- 
zwungen ſsſah, durch eine feſt umgrenzle, ge- 
ſchriebene Dorfordnung den eingetretenen 
Mißverhältnisſen ein Ende zu machen, 
wenn gesagt wird, „daß von dem Völck- 
linger Hoſf Klagendt vorkommen, daß 
wegen Mangel einer gemeinen Dorfs-Ord- 
nung in Dorff- und Gemeinden-Sachen 
f u LN )en V; egen 
Die Ausstellung der Dorfordnung datiert 
vom 31. Oktober 1737. Wie dies bei Er- 
laß von Bestimmungen auch heute der Fall 
iſt, wird in der Ordnung genau gesagt, daß 
« sowohl die Bewohner, wie auch die gräf- 
lichen Beamten sich genau nach den Be- 
stimmungen zu richten hätten, daß jeglicher 
Verſtoß, sei es direktes Verfehlen gegen 
dieselbe, wie auch unentſchuldigte Ab- 
wesenheit beim jährlichen Verlesen oder gar 
Verſpottung derselben bei empfindlicher 
Strafe verboten ſei. 
Studieren wir einzelne Artikel der Dorf- 
ordnung, so finden wir viel Aehnlichkeit in 
derselben mit unseren heutigen Polizei- 
beſtimmungen. Ein Punkt, der der naiven 
Denkart der damaligen Zeit entſpricht, iſt 
beiſpielsweiſe, daß das K art enſpi elen 
an Sonn- un d Feiertag en verboten 
war, ebenſo wie das K eg eln, ein Sport, 
der auf dem Lande heute gerade an den 
arbeitsfreien Feiertagen am mieiſsten ge- 
pflegt wird. Besonders bestraft wurde die 
Ausübung dieſes Sports während des 
Gottesdienſtes. 
Auch der Fremdenverkehr in 
den Wirtshäusſ ern war ſtreng ge- 
regelt. Wirte, die über Nacht Gäſte beher- 
bergten, mußten eine besondere Erlaubnis 
einholen, den Fremden bei dem Meier an- 
melden, und zwar noch am gleichen Abend. 
Auch heute noch muß man ſich, ſofern man 
in einer Gaſtſtätte übernachtet, in ein 
Fremdenbuch eintragen. Arme Bettler, die 
damals die ganze Gegend abklopften, durf- 
ten nur eine Nachl in einem Orte bleiben; 
vor allem mußte man sich über ihre Perſo- 
nalien erkundigen. 
Was uns an die weniger denkwürdigen 
Tage der erſten Beſatzungswochen erinnert, 
iſt die Frage der Poliz eiſtun de; auch 
sie iſt in der Dorfordnung ausführlich be- 
handelt. U. a. war feſstgeſetzt: 
„Allen Einheimiſchen soll Winters Zeit 
länger nicht als bis Neun Uhr Abends, 
. sſo dann Sommers nur bis 10 Uhren im 
Wirths-Haus zu bleiben erlaubt ſ|ein, 
nach der Zeit aber jeder, der Wirth und 
Gaſt, so über gesetzte Zeit aufbehalten 
werden, in eine Strafe von 's Gulden 
verfallen ſeyn “ 
Wirt und Dorfvorſteher mußten zu da- 
maliger Zeit auch die Ro lle d er Kri- 
min alpolizei spielen, wie aus folgen- 
dem erhellt: 
„Alle Verdächtige Frembde ſollen von 
dem Wirt und dem Meyer genau ihres 
Herkommens und Lebens befragt, und 
befindenden Umſtänden nach gefänglich 
eingeschickt, oder gleich fortgeſchickt wer- 
den, bey Strafe“ . . . .! 
In vielen Gasthäuſern werden heute noch 
bisweilen zu wohltätigen Zwcken Sam- 
melbüchſen auf den Tliſchen aufgeſtellt; 
alles ftüper dagewesen, wie nachfolgende 
Notiz sagt: 
„Soll jeder Wirth vor Bettel-Arme 
Leuthe eine verſchloſſene Armen-Büchſe 
halten, und bei allen Gelegenheiten 
ſolche seinen Gästen vorstellen, mit dem 
  
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