Saarkalender für das Jahr 1928
Der Saarbrücker Schandpfahl.
Von Schreinermeiſter C. Schumann.
In einem dunklen Schuppen der ſtädtiſchen Betriebswerke entdeckte ich zufällig den
alten Saarbrücker Schandpfahl. Umgeben von allerlei techniſchen Gebrauchsgegenſständen
und wie diese, recht herrenlos anzuschauen, träumt er wohl von vergangenen Zeiten völki-
ſcher Unsreiheit. Er sieht anders aus, wie ſich ihn der gewöhnliche Sterbliche, der von ihm
gehört hat, vorstellt. Ich für meine Person und mit mir jedenfalls alle, dachten gewiß
nur an einen einfachen Pfahl, der irgendwo auf dem Schloßplatz in die Erde eingerammt,
feſtſtehend und mit einem Eisen versehen war, das dem armen Sünder um den Hals gelegt
wurde, um ihn am Davonlaufen zu hindern. und daß dieſem armen Sünder bestimmt ganz
recht geschehen sei. wenn die ganze Stadt und die umliegenden Ortſchaften herbeiſtrömten,
um ihn, den nun Wehrlosen, zu verlachen und ihr Gespött mit ihm zu treiben.
Der Alt-Saarbrücker Schandpfahl.
Heute wissen wir mehr! Vor allen Dingen, daß unser Schandpfahl nur bei jeweiligem
Gebrauch auf seinen Platz transportiert und danach wieder in die alte Wachtſtube über
dem Pförtchen in der Hintergasse, dem letzten Reſt der alten Stadtummauerung, zurück-
gebracht wurde. Außerdem wissen wir, daß, der zum Schandpsahlsiehen Verurteilte nichi
auf der Erde ſtand, sondern erſt über die Leiterſproſſen links des Schandpfahls in die
Höhe klettern mußte, während rechts der Schinder, der zugleich Henker, Prügler, Folterer
. und Kadaverfortſchaffer war, die rechten Sprossen erſtieg, den Verurteilten oben auf
einem kleinen Podest aufstellte und ihm dort das an einer ſchweren Kette hängende Hals-
eiſen anschraubte. War der Geschundene ein wenig klein, so war er wohl gezwungen,
während der Prozedur auf den Zehen zu ſtehen, um nicht zu erſticken, war er etwas zu
lang geraten, mußte er sich in Kniebeuge stellen. In beiden Fällen eine nicht sehr ange-