Saarkalender für das Jahr 1927.
Wein- und Bierwirtſchaften in alter Zeit.
Die Wirtshäuſer spielten in alter Zeit nicht nur im bürgerlichen Leben, sondern auch
im ſiädtiſchen Haushalt eine bedeutende Rolle. In dem Freiheitsbriefe von 1321 wird
bestimmt, daß auswärtige Händler von dem Wein eine Abgabe von 2 Pfennigen auf
das Pfund’) zu entrichten hätten. Da sich der Graf außerdem das Recht vorbehielt,
zweimal im Jahre Bannwein zu legen. so geht daraus hervor, daß damals schon Wein-
ſschank in den Städten betrieben wurde; ein Wirtshaus wird 1380 urkundlich erwahnt.
Der Graf zog von dem Weinſchank das Umgeld, d. h. die Abgabe der zwanzigsten Maß
Wein oder des Wertes derſelben; dieſe Steuer war ſchon im 15. Jahrhundert eingeführt.
Eine Verordnung vom Jahre 1463 zeigt, daß die Hauptſchäden des Wirtshauslebens,
Völlerei, Streitſucht und Spiel, schon damals bekämpft, werden mußten. Das Messer-
tragen wurde mit 5 Blanken (Groſchen) bestraft; ein jeder Wirt sollte seinen Gästen
gebieten, die Messer abzulegen bei zweifacher Buße. Das Spiel wurde an Wirt und Gäſten
mit drei Pfund geahndet. Wer nach 9 Uhr im Wirtshaus gefunden wurde, mußte, wenn
4) zt in zus Haus gehörte oder darin übernachtete, 5 Schillinge bezahlen, und der
irt ebensoviel. :
Als im Jahre 1498 der Graf Johann Ludwig das Rathaus erbauen ließ, richtete er
etnen herrschaftlichen Weinſchank dort ein; der Ratwirt legte fortan jährlich zweimal
den Bannwein. Da 1604 Graf Ludwig den Städten das Rathaus ſchenkte, so ging auch
die dortige Weinwirtſchaft in deren Besitz über. Der Graf erließ dabei die Beſtimmung,
daß, wer in dem Rathaus die Wehr zücken oder einen verwunden würde, die Fauſt
verwirkt haben solle. Zugleich ſchenkte der Graf den Städten zur Unterhaltung des
Hauſes das halbe Weinkaufgeld, welches bei Verkäufen mit dem zwanzigsten Pfennig
von der Hauptſumme entrichtet werden mußte. Hier in der Ratswirtſchaft hielten die
Herren vom Gericht ihre Irte (Zeche), hier verſammelten sich die Zünste und die Schützen-
gesellſchaft zu Beratung und Trunk.
Schon im Jahre 1457 hatte Graf Johann |I]. den Städten das halbe Umgeld über-
laſſen; seitdem scheint die Stadtverwaltung die Aufsicht über den Weinverkauf und die
Verleihung der Wirtschaften in ihre Hand genommen zu haben. Der Weinverkauf wurde
durch die ſtädtiſchen geſchworenen Weinauftuer beaufsichtigt und durch die Umgelder
(Umgeld-Erheber) die Gefälle eingezogen; beide Aemter waren auch zeitweiſe in einer
Person vereinigt. Im 18. Jahrhundert hießen dieſe Beamten Acciser und erhielten 4V0 fl.
jährlichen Gehalt, für die Mühe des Auftuns wurden sie mit einer Maß Wein von jedem
Faß entſchädigt. Später wurde die Umgelderhebung verlſteigert.
Im Anfange des Jahres 1576 wurden die Wirte vor das Städtgericht beschieden
und ihnen vorgehalten, daß sie die Irte zu hoch berechnet hätten; somit war den Wirten
damals ſchon eine bestimmte Taxe vorgeschrieben. Bald nachher wird geklagt, daß die
Wirte mit dem Wein aufgeſchlagen seien, und daß der Ratwirt keinen Wein habe. Diese
Klage, daß dieser oder jener Wirt keinen Wein verzapft habe, wiederholt sich beständig,
da den Wirten bei der genauen Festsetzung der Preise der Ausschank nicht die Mühe zu
lohnen schien. In der Tat war die Beaufsichtigung sehr ſcharf und genau.
Der zum Verzapfen bestimmte Wein wurde alsbald nach der Ankunft vom Umgelder
gemessen und ins Regiſter notiert, ſodann von dem geschworenen Wein-Auftuer (Wein-
siegler oder Weinſchätzer) verſucht und gemäß dem Ausweis, was derselbe beim Ankauf
auf dem Lager gekostet, mit Hinzurechnung des Fuhrlohns, Zolles, anderer Kosten und
des Schenkerlohnes der Zapfpreis bestimmt und öffentlich ausgehängt. Dieses nannte
man Weinſchätzen oder Wein-Auftun, und der auf dieſe Weisſe geſchätzte Wein durfte
nicht höher verkauft werden. Um jeder Verfälschung des Weins zuvorzukommen, wurde
das Faß während des Zapfs versiegelt; bei geringem Wein fand keine Versiegelung ſtatt.
Das Umgeld wurde erſt nach der Auszapfung erhoben.
Das älteſte Gaſthaus, welches wir in Saarbrücken kennen, war die Wirtschaft „Zum
Horn“ (oder Einhorn); es lag in der Vordergaſſe und wird im Jahre 1401 erwähnt. In
1) Das Geld wurde ursprünglich gewogen. Ein Pfund hatte 20 Schillinge, der Schilling
12 Pfennige. Dieſe Währung gilt heute noch in England.
71