Full text: 1927 (0005)

Saarkalender für das Jahr 1927. 
Er hatte sein Ehrenwort gebrochen, er 
latte hinter ihrem Rücken seine Braut 
betrogen, es war aus, aus, aus! Nein, 
ſie wollte nichts mehr hören, es war aus. 
Kein Pardon! Er konnte sſich nun eine 
beſſer gelegene Wohnung nehmen, über 
deren Weg er ja so oft gesſstöhnt, eine 
Wohnung mit Zentralheizung, für die er 
ſchwärmte und wo er Flecke aufs Parkett 
machen und Zigaretten in die Kiſſen 
brennen konnte und nachts Überhaupt 
Sie hatte 
nicht mehr heimkommen . . . ; 
Madame 
ee satt, fatt, bis hierher ... . 
- wies auf ihre Halsrüſche. Und knall flog 
»ie Tür ins Schloß . . . 
Zwischen Madame und Monsieur war 
nun Krieg . . . 
Sie sprachen nichts mehr zusammen, 
Monsieur verließ das Haus und Madame 
empfing die Mieter, die ihr die Kom- 
miſſion ins Haus ſchickte . .. Familien 
mit kleinen Kindern und Küchenbenutzung, 
das war nichts für ſie, von Steno- 
typiſtinnen mit seidenen Strümpfen hatte 
sie genug . . Bluſenwaſschen in der Küche? 
Jawohl –~ = Sie wollte einen garantiert 
soliden Herrn, der ihr keine Damen ins 
Haus brachte. Aber das ſchien es in 
diesem Lande nicht zu geben. Wenigstens 
machten die Herren, die bei ihr vor- 
ſprachen, wenn Madame auf dieſen Punkt 
kam, alle bedenkliche Gesichter, und ver- 
ſchwanden lautlos und ließen sich me 
wieder blicken. 
Am meisten ärgerte ſie sich über den 
Schorsch, der für ihr Unglück nur ein 
rohes Lachen hatte . . . „Ich han dirs ja 
gefaht! Wärſchte nit nach Saarbricke ge- 
zoh . .. In Sangehann wär dir das ntr 
pafſiert . . 1“ 
Er riet ihr, einen großen Zettel an die 
Eingangstür anzubringen: „Hier herrscht 
Flecktyphus . . .* dann blieb sie ſicher 
allein in ihrer Filla. 
Eines Tages meldete ihr die Kom- 
mission, daß in drei Tagen ihre Wohnung 
zwangsweise beſetzt würde. Dieses Signal 
iuhr ihr wie ein Schreckſchuß in die Glie- 
der. Sie rief ihren Bruder an . . . Er 
mußte sich auf die Beine machen und ihr 
jemand ſchicken .. . Am dritten Nach- 
mittag endlich – klingelte das Telephon: 
„Luwies, 's is eener drahn . . .!“ Sie sollte 
um vier Uhr herunterkommen, er hatte 
den neuen Mieter wegen des weiten Weges 
in seine Wohnung bestellt . . ÿ Sie machte 
ſ.ch im Schneeſturm auf zur Stadt, Schorſch 
rührte sie in sein Zimmer, wo sie vor 
Rauchwolken zuerſt nichts ſah. Allmählich 
iaugte ein blaues Gnomencape, ein 
ſchwarzer Spitzbart und eine bekannte 
Geſtalt vom Sofa auf, mit kohlraben- 
ſchwarzen Augen und verlegenem Lächeln. 
Das Luwies ſtand erſtarrt vor dieſer Er- 
scheinung. Schorſch erklärte, Monſieur 
war ſchon dreimal bei ihm gewesen, er 
hatte keine andere Wohnung finden 
können, er ſchwärmte für Höhenluft und 
es hatte ihm so gut im Hinnerdahl ge- 
fallen, bis auf die kalten Oefen. Aber er 
mürde einen Ofen setzen lassen, er lieferte 
die Kohlen . . er verſprach, an Oſtern zu 
heiraten . . seine Braut Victoire ver- 
langte es energiſchſt. . Monsieur machte 
große, demütig falsche, ſchwarze Glitzer- 
augen, und reichte Madame ſeine ſchwarz- 
behaarte Hand, mit einer Gebärde wie ſie 
Könige auf Bühnen haben: 
wir uns, Madame . . !“ 
Was blieb dem Luw?;es anderes übriz? 
Nun wohnen sie weder beisammen. 
Der „neue Mieter“ hat einen Ofen setzen 
laſſen, einen eiſernen Ofen, altgekauft 
und sehr billig, . aber rotglühend, wenn 
man ihn qut bediente. Wenn Monſieur 
jetzt abends heimkam, erwartete ihn kein 
„Versöhnen 
Eiskeller mehr, sondern seine Pantoffen 
am warmen Ofen und er trank ſeinen 
Tee in der 'Sofaecke im warmen Zimmer. 
Nur eines hat ihm Madame verſprechen 
müſſen, daß von dem kleinen Intermezzo 
seine Vietoire jamais, jamais – – vous 
comprenez, Madame . . . . Jawohl, ſie 
verſtand ihn , schon, sie kannte die Männer 
. . . und sie wußte, daß, ob sie blond oder 
kohlrabenschwarzg waren, aus Sange- 
Hann kamen oder aus d.:n Mid:, sie ſich 
alle in dem Punkt ähnlich waren . . .: 
wenn man ihnen einmal den Rücken 
drehte . . . na ja . . . 
Der Schorſch aber hatte abends am 
'Stammtiſch in der ,„Ziddi“ ein neues 
Thema: „Wissener, was unser Luwies für 
e neier Mieter krit hat?“ 
Und unter dem brüllenden Gelächter 
der Tafelrunde rief der Schorſch in die 
Rauchwolken hinein: „'s is der Nämlich 
~ dens vorher gehatt hat!“ î 
Und ein alter weißhaariger Sange- 
hanner fügte weise hinzu: „Das kummt 
dervun, wann m'r noh Saarbricke zieht.“ 
  
  
  
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