Saarkalender für das Jahr 1927.
Anno 1848 und 49.
Von R. R u d olf R e h äneek.
Infolge der Reichsgebietsaufteilung auf
Veranlaſſung Napoleons I. legte der da-
malige deutſche Kaiſer Franz II. im Jahre
1806 seine Würde nieder und erklärte das
„heilige römische Reich deutscher Nation“
für aufgelöſt. So endete das einige deutſche
Reich nach faſt tauſendjährigem Beſtehen.
An seine Stelle trot der „Deutsche Bund“,
zu welchem Oesterreich, die Königreiche
Preußen, Bayern, Württemberg, Hannover
und Sachsen, ſowie dreißig Kleinsſtaaten
und vier freie Städte gehörten. Die An-
gelegenheiten Deutschlands sollten durch
Vertreter der einzelnen Regierung gemein-
ſam beraten werden. Dieser sogenannte
„Bundestag“ residierte in Frankfurt a. M.
Das deutsche Volk aber war niit dieser
Regierungsweise nicht zufrieden und ver-
langte eine Verfaſſung, in der das Volk
durch gewählte Vertreter an der Regierung
teilnehmen sollte. Da das Versprechen, dem.
Volke eine Verfaſſung zu geben, von den
einzelnen Regierungen nicht gehalten
wurde, ſtieg die Unzufriedenheit, beſonders
unter den gebildeten Ständen in hohem
Maße. Auch in Preußen konnte eine ge-
deihliche Löſung der Verfassſungsfrage nicht
zuſtande kommen.
In diesen Zeiten bildeten sich Organi-
sationen, die einen Zuſammenſchluß aller
deutſchen Staaten zu einem einigen Land
erſlrebten *). Dem gegenüber sette eine
scharfe Bekämpfung der einzelnen Regie-
rungen gegen dieſe Bestrebungen ein. Be-
ſonders in Preußen ging man aufs ſchärfſte
gegen die Urheber und Anhänger dieser
Ideen vor. Die Burſchenſchaften wurden
überall an den Universitäten aufgelöſt und
Männer wie Jahn, Arndt u. a., die sich in
den Freiheitskämpfen von 1813 verdienſt-
voll hervorgetan, wurden zur Unterſuchung
gezogen und verſchiedentlich zu langjähri-
ger Fesſtungshaft verurteile. In einigen
ſüddeutſchen Staaten kam es zu ernſten
Unruhen und Konflikten. So unternahmen
am 3. April 1833 etwa 50 Studenten, unter-
ſtützt von elsässiſchen Nationalgardiſten und
Bauern der Umgebung den Versuch, ſich
der Stadt Frankfurt zu bemächtigen, um
dem „Bundestag“ ein Ende zu machen und
*) Durch die Kleinstaaterei hatte jedes ein-
zelne, ſelbſtändige Gebiet eigene Zollschranken,
die jeder freien Entwicklung des Handels und
Verkehrs, aufs ſchwerſte hemmend, entgegen-
wirkten.
die „einige deutsche Republik“ aufzurichten.
Die Folge dieſes mißlungenen Anſchlages
war dann die Wiedereinſetzung einer Zen-
tral-Unterſuchungskommission und die Wie-
deraufnahme der Demagogenverfolgungen,
die bis 1842 angedauert haben. Wer einer
Burſchenschaft angehörte und das schwarz-
rot-goldene Band getragen hatte, wurde
zur Unterſuchung gezogen. Das Berliner
Kammergericht verurteilte allein bis 1836
204 Studenten, darunter 89 zum Tode,
wegen verſuchten Hochverrats; dieſe wur-
den dann zu dreißigjähriger Fesſtungshaft
begnadigt. Unter ihnen befanden ſich auch
zahlreiche Nichtpreußen, wie der Mecklen-
burger Fritz Reuter. Vergl. Fritz Reuter:
„Ut mine Feſtungstid“.)
Im Jahre 1838 gründete Friedrich Wil-
helm III. den Deutschen Zollverein, dem
bald die meisten Kleinstaaten Deutschlands
beitraten. Sie bildeten zuſammen mit
Preußen ein einheitliches Zollgebiet, in
dem die Waren nur einmal verſteuert wer-
den mußten. So war denn der größte Teil
Deutschlands wirtſchafts- und handelspoli-
tiſch geeinigt und es war ein großer Schritt
in der Einheitsbewegung gemacht, als in
der Neujahrsnacht von 1833/34 die alten
Schlagbäume auf den großen Landſtraßen
sich hoben und die in langen Zügen harren-
den Frachtwagen unter fröhlichem Rufen
und Peitſchengeknall der Fuhrleute in das
befreite Land hinausrollten.
Der Wunſch aber nach einer Verfassung,
durch die das Volk an der Gesetzgebung und
Rechtsprechung teilnehmen konnte, wurde
immer noch allgemein gehegt. Am 1I1I.
April 1847 berief deshc.Ib Friedrich Wil-
helm IV. (184001861) den ,, Vereinigten
Landtag“, der aus Vertretern der acht
preußischen Provinzen bestand. Dieſer kam
jedoch zur Auflöſung, weil der König nicht
bos Reit verleihen wollte, die Steuern zu
ewilligen.
Gewissermaßen als ein Vorſpiel der all-
gemeinen Revolution, die ſich nun vorbe-
reitete, war ſchon 1846 ein . Polenaufstand
ausgebrochen. Ein weiteres, noch bedeuten-
deres Vorſpiel war der Bürgerkrieg in der
Schweiz von 1847. Als nun 1848 in Frank-
reich die Revolution ausbrach, wurden
auch in Deutschland die Gemüter auſs
mächtigſte bewegt. Ueberall kam es zu
Verſammlungen, in welchen die Wünſche
des Volkes vorgetragen wurden.
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