Saarkalender für das Jahr 1927.
Heiteres nus der ſaarländiſchen Theantergeſchichte.
Von A. Z.
Von dem Bühnenspiel „Jokko, der hrasi-
lianiſche Affe oder Der geprellte Müller“
bis zur Aufführung von Wagners Parsifal,
von dem offenen Bekenntnis (14. Novem-
ber 1773): „Ern paar Tambours und Pfeiffer
ausgenommen, kennt man wenig von
Muſik hier“ bis zu dem glanzvollen Mit-
telrheiniſchen Muſikfeſt im vergangenen
Mai, ein langer, ſteiniger Weg Thalias und
der edlen Musika in Saarbrücken. Er gleicht
einem Marſch durch die Wüſte mit einigen
Oasen und reichlicher Täuſchung der Fala
Morgana, die mit Jubel von dürſtenden
Seelen begrüßt, alsbald stets in Nichts zer-
floß. Eng mit den politischen Schicksalen
unserer Heimat verbunden, haben uns wohl
die beiden Göttinnen einst hold gelächelt, sich
dann aber ſchnell wieder verhüllt. Mars
und die Muſen bilden nie eine liebenswür-
dige Gemeinſchaft, ſo wenig wie Beelzebub
und der liebe Gott.
Fürſtengunſst riefen die Musen ins Land.
Langeweile ließ den dicken Ludwig (regiert
176801793) auf den löblichen Gedanken
kommen, in Saarbrücken ein g,@großes
Schauſpielhaus‘s zu bauen. Die „unter-
tanen“ hatten dabei das Vergnügen, diese
Herrſcherlaune mit 18 000 Gulden zu be-
zahlen. In einem in der Wilhelm-Hein-
richſtraße improvisierten Kunſttempel
mimte vorher ſchon die illuſtre Schranzen-
welt Dorchläuchtings. Sie ſtellten jeden-
falls ein lebensluſtiges Künſtlerpersſonal,
die ehrenwerte Schar der Schmeichler und
Kriecher jedes Genres, die Herren Hoch-
fürstlichen Kammerräte, die Jagd- und Reit-
junker, der Hofmarſchall, der Herr Ober-
chaussee-Direktor, die Frau Forſträtin mit
dem schönen Namen Stichling u. a. Sie
waren in der ,„Komedi“ tätig, ſselbſt der
Fürſt und die Fürstin beteiligten sich in
den Hauptrollen. Die Geheimniſſe des
Schminktopfes und der Puderquaſte hatten
ſie alle von den Franzoſen so gut über-
nommen, wie heute nur eine Anzahl leicht-
lebiger Töchter des Saartals. Se. Hoch-
fürstliche Gnaden hatte überdies bei seinem
Hofstab das Talent zur Schauſpielkunſt
längſt hinreichend ausgebildet, an Inttri-
ganten und ,„Heldenvätern“ wird es nicht
gefehlt haben auf den Brettern, die eigent-
lich die Welt bedeuten sollen. Die Titel
einiger Stücke jenes erlauchten Liebhaber-
theaters ſind zufällig erhalten und muten
seltſam an. „Der Instinkt o d er Wer
iſt Vater zum Kinde“, ein uraltes
Thema, unter Umständen von dramatiſch-
tragiſcher Wirkung, „D er verſchrie-
bene Bräutigam aus Paris“,
jedenfalls der Schrecken damaliger Prin-
zessinnen, man denke an Liſelott von Zwei-
brücken. Viel blöder iſt indessen noch
„Der Eſſigm ann mit d em Schub-
karren“. Diese Titel genügen, um die
künſstleriſche Höhe der feudalen Herrſchaf-
ten zu kennzeichnen. Jedenfalls amüſsier-
ten sich. die Intimen des Schlosses unter
der fürſtlihen Gnadenſonne kiöſſtlich,
schwenkten Perücke und Reifrock zierlich im
Menuett und werden wohl mehr hinter als
auf der Bühne ihre Tragikomödien ge-
mimt haben.
Schon grollte in der Ferne der Donner
eines Gewitters, das die Welt erſchüttern
sollte.. Auch das vielgeplagte Saarland
wurde unruhig. Die Bürgerſchaft der Städte
Saarbrücken, St. Johann und Ottweiler
wurde aufsässſig und hatte an dem koſt-
sſpieligen Leben des schönen Ludwig, viel,
sehr viel auszusetzen. Es wird berichtet,
daß dieſer Duodezfürſt u. a. einen Marſtall
von 500 Pferden und eine Jagdmeute von
500 Hunden halten zu müssen glaubte. In
dieſe Herrlichkeit blies und ſtieß nun ein
Volksbegehren. Es kam zu einem pein-
lichen Zwiſt. Ludwig zeigte ſich verſöhnlich
und kam auf den luſtigen Gedanken, ſich
nicht etwa durch kluge Politik, sondern
durch Theaterspielen aus seiner heiklen
Lage zu befreien. Iffland, damals der
größte Schauſpieler Deutschlands, wurde
1890 zu einem Gaſtſpiel eingeladen mit dem
Auftrag, ein Stück zu ſchreiben „z u d e m
wieder vollzog enen Bund der
Eintracht un d Li e b e“. Das Mach-
werk „Der Für ſt von Gari san e“ war
zweifellos nichts als ſüß duftende Weih-
rauchwolken um den Thron. Die Bürger
durftcn dem Schauſpiel als willkommene
Gäste ohne Eintrittsgeld beiwohnen. Sere-
niſſimus war über das Riesenbündel feiner
Schmeicheleien entzückt und verlieh Iffland
sofort den Titel Theaterdirektor. Als
Menſchenkenner vergoldete er das leere
Wortgebildhe mit 300 Gulden, die dem
Künſtler jährlich als Pension zugesandt
werden sollten. Auch die Stadt Saarbrücken
mußte sich, wohl auf einen Wink von oben,
versſöhnlich und erkenntlich zeigen und er-
nannte Iffland zum Ehrenbürger. Es war
damals also wie heute, es wird in politicis
viel Theater geſpielt und damit ist die
Sache erledigt, damals wenigstens und auch
heute noch oft genug. Es ist dies eine der
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