Saarkalender für das Jahr 1927.
Heitere Kriegserinnerungen eines alten JZ ers.
Von Ernſt Paul - Saarbrücken.
Die bofchere Wurfſt.
Jüdisch - Neujahr nahte. Das Rabbinat
in Metz wollte den Iſraeliten bei uns, wie
üblich, zu dem Feſte eine koſchere Wurst
zukommen laſſen. Um das bewerktſtelligen
zu können, war es erforderlich, die Anzahl
der murſtempfangsberechtigten Soldaten
feſtſtellen zu lassen. Dies geschah durch das
Gouvernement Metz, welches einen entspre-
chend befriſteten Gouvernementsbefehl an
die ihm unterordneten Abſchnitte erließ.
Diese gaben ihrerseits ebenfalls befristete
Abschnittsbefehle an die ihnen unterord-
neten Stellen weiter und so gelangten auf
t-. dem Dienstwege die Befehle innerhalb 24
Stunden an die Regimenter, Bataillone,
Abteilungen uſw., die wiederum an die
Kompanien, Batterien und Schwadronen
weiter befahlen. Bekanntlich sind diese ge-
wissermaßen die ausführenden Instanzen,
da nur sie an der Hand der Stammrollen
in der Lage sind, festzustellen, wieviel israe-
Titsche Leute in Frage kommen und wo ſsie
stecken. Prompt liefen auf dem umge-
kehrten Wege die eingelaufenen Meldungen
wieder zum Gouvernement und zum feſt-
gesetzten Termin wußte das Rabbinat, daß
es 448 Würstchen benötigte. Das Wurſt-
z e r loge Rte
lichen Wür ſtch e n abholungsbereit fer-
tig da. Miederum ſpielte der Befehls-
apparat von oben herunter bis zur aus-
führenden Truppe, um das Abholen zu
regeln. Nur mar diesmal vom Gouverne-
ment angeordnet worden, daß nach Ab-
lieferung der 4488 Würste auch 448 Quit-
tungen der Empfänger vorzulegen seien. –
Verfolgen wir nun den beluſtigend um-
ſtändlichen militäri"chen Geschäftsgang, wie
er aus diesem Anlaß beim Abſchnitt V ~
Sitz Schloß Mercy ſich entwickelte, auf
den 43 Würstchen entfielen. Diesem Ab-
schnitt war auch das Saarbrücker Landwehr-
Infanterie-Regiment Nr. 17 unterstellt.
„Das können die faulen Husaren machen!“
rief in hartem Befehlston ſofort der Ab-
ſchnittskommandeur, Oberstleutnant G. beim
Leſen des Gouvernements-Wurſtbefehls. Er
dachte dabei an den Halbzug Huſaren, der
mit einem Vizewachtmeiſter auf Schloß
Mercy untergebracht und seiner Meinung
nach nicht genügend beschäftigt war. Pferde-
putzen, hin und wieder Äppell und überdies
die Ställe sauber halten, rechnete der Kom-
mandeur nicht als genügende Beſchäftigung
für junge Leute. Er benutzte daher jede
Gelegenheit, um den Husaren irgend eine
Betätigung zugzuſchieben und glaubte das
seinen alten Wehr- und Landſturmleuten
gegenüber ſchuldig zu ſein, die Tag für
Tag mit Sack und Pack ſich quälten, wäh-
teu es sich die jungen Huſaren bequem
machten.
„Ordonnang!“
„Herr Oberstleutnant!“
„Gehen Sie zum Vigzewachtnneiſter. Er
und drei Mann ſollen ſich sofort feldmarſch-
r6ßig heritter machen und sich bei mir
„Zu Befehl, Herr Obersſtleutnant!“
Das war eine Aufregung im Huſaren-
ſtall! Was hat der Alte nur? Da muß
doch etwas ganz außergewöhnlich Wichtiges
zu erledigen sein! –~ Gleich den Wacht-
zreiſter uud drei Naur OW. ic;
Leuten hin- und hergeraten. Der Wacht-
meister ſtrahlte. Der Alte sollte ihn mal
kennen lernen als ſchneidigen Huſaren-
patrouillenführer! Endlich einmal ein an-
ständiger Befehl in Sicht!
Bald stampfen im Schloßhof ungeduldig
vier muntere Rößlein und drei kecke Hu-
ſarengesichter sſahen ihren Wachtmeister im
Schloß verſchwinden, um den q,wichtigen
Auftrag“ in Empfang zu nehmen.
Sporenklirrend klappten die Absätze zu-
sammen, als der Wachtmeister seinem Kom-
imandeur meldete:
„Ein Vizewachtmeiſter und drei Mann
feldmarſchmäßig beritten zur Stelle!“ :
Der Oberſtleutnant: „Also, hier ist ein
Schreiben; mit dem reiten Sie nach der
Garnisonſchlächterei:. Sie bekommen dort
etwas, quittieren und bringen das auf dem
ſchnellſten Wege her! Verstanden?“
„Zu Befehl, Herr Oberstleutnant!“
Bald donnerte die kleine Kavalkade die
Kaſtanienallee hinunter nach Metz. Unter-
wegs kamen dem Wachtmeister ſo allerlei
Gedanken. Zur Garniſonſchlächterei gings?
Was hatte das zu bedeuten? Er hatte
mindeſtens einen ehrenvollen Auftrag an
den Goauwerneur oder ſonſt jemand Hohes
erwartet. Doch Befehl iſt Befehl. Also
nix wie druff! Und die Funken ſtoben so,
.. die Hyſren durch die [Straßen von
tz jagten.
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