Full text: 1926 (0004)

Saarkalender für das Jahr 1926 
  
  
Dns HBanargebiet unter der Militärherrſchaßft. 
Eine Audienz bei General Wirbel. 
Unter der franzöſiſchen Militärherrſchaft hatte das Saargebiet genau wie die an- 
deren beſsetzien Gebiete viel zu leiden. Haussſuchungen, Bestrafungen, Ausweisungen, 
Zeitungsverbcte waren an der Tagesordnung. Bei beſtimmten Anläßen mußten die Ver- 
ireter der Siadt, ter Induſtrie, des Handels, des Handwerks und der Arbeiter zu dem 
oberſten Militärverwalter kommen. Der General Andlauer wurde nach den Okttober- 
unruhe. 1919 durch den General Wirbel ersetzt. Wirbel war bekannt als ein besonders 
encrgischer Herr, der sich mit seinem Berater, Major Richert, der im Saargebiet genügend 
bekannt ist, alle erdenkliche Mühe gab, durch Schneid das zu erreichen, was Andlauer 
nicht fertig gebracht hatte. Zum 1. Janunar 1920 hatte sich Wirbel die Spitzen der Be- 
hörden nach seinem Wohnsitz, Röchling sche Villa, bestellt. Nachdem die geſamten Offiziere 
des Saargebiets den General beglückwünſcht hatten. wurden die Vertreter der Bürger- 
schaft und der einzelnen Stände vorgelassen. In einem festlich geschmückten Raum ſtand 
der General, umgeben von ſeinen Offizieren. Er dankte den Vertretern der Stadt für 
die ihn: ausgeſtrochcnen Glückwünsche und erwiderte dieſelben. Dabei hatte keiner JIer 
Anwerſenden Glückwünſche ausgeſprochen! Der General betonte ganz besonders, daß 
er ſtets beſtrebt sei, das Wohl der Bevölkerung zu fördern. Dann unterhielt er ſich 
mit den einzelnen Vertretern, die ihm von Obersſt Hutkendoubler vorgestellt wurden. 
Unter anderem wurde er auch bekannt gemacht mit den Bergarbeitervertretern K u h n e n 
und H ett erich. Mehrere Vertreter der übrigen Verbände waren ebenfalls anwesend. 
Bei den Arbeitern hielt sich der General länger auf und versicherte den Arbeitern sein 
ganz besonderes Wohlwollen. Zweimal übersetzte Hukendoubler die Worte.des Generals, 
die immer und immer wieder ausklangen in dem Versprechen, daß die Arbeiter es unter 
der Herrſchaft der Franzoſen mehr wie gut haben sollten. Keiner der Arbeitervertreter 
antnmuortete. Da hob der General zum dritten Mal an, der Oberſt übersetzte und sagte 
nochmals, taß sich der General ganz beſonders der Arbeiter annehmen wolle. Er hätte 
gerade eine französiſche Fabel erzählt die er den Arbeitern ganz besonders empfehle. 
Der Inhalt sei kurz der, daß sich nicht alles mit Gewalt und Schärfe durchsetzen lasse. 
Die Arbeiter müßten mehr Verständnis für die augenblickliche Lage haben und mehr Liebe 
und Güte walten laſſen. Da die Arbeiter in letzter Zeit wiederholt bei Streiks verſucht 
hätten, sich mit Gewalt durchzusetzen, wäre dieſe Fabel besonders empfehlenswert für die 
Arkeiter, und gerade die Bergarbeiter möchten doch von Gewalt absehen, und Liebe und 
Güle in der nächſten Zeit bei ihren Handlungen walten lasſſen. K u h n e n sprach darauf 
im Namen aller Arbeitervertreter dem General den Dank aus für seine Versprechungen. 
Er hoffe, das; es nicht nur Versprechungen blieben sondern daß alles das, was der General 
hier erklärt habe auch wirklich in die Tat umgesetzt würde. Was die franzöſiſche Fabel 
anbelangt, sc hätte diese den Arbeitervertretern ganz besonders gefallen, d och s e i di e s e 
nicht anzuw en d en auf. .die Arbeiter, sondern auf die Militär- 
gewalt im Sa argebi et. Kuhnen erſuchte den oberſten Militärverwalter des Saar- 
gebietes die Fabel umzuwenden und in Zukunft mehr Liebe und Güte als wie eiſerne 
militärische Strenge und Gewalt walten zu laſſen. Dann würden die Verhältnisse im 
Saargebiet bald anders. Lachende Gesichter bei den 50 bis 60 Vertretern des Saargebiets. 
Die frarzöſiſchen Offiziere lachten mit. Erst als Hukendoubler die Sache richtig über- 
setzte, gab es bei den Franzosen entäuſchte Gesichter. Doch bald hatte sich der General 
Wirbel gefaſß;1 und erklärte, Milde und Güte beim Militär sei nicht immer am Platz, 
worauf Kuhnen prompt die Antwort gab, daß die Arbeiter genau auf demſelben Stand- 
vunkt siänden und die Arbeiter. wenn alles Bitten und Betteln nichts nützte, sich mit 
Gewalt durchzusetzen verſuchen müßten. Noch eine ganze Anzahl Herren ſollten vor- 
gestellt werten. doch der General zog es vor, die Gratulationskur plötzlich zu beenden. 
  
Beamtenbeleidigung. Von dem alten B. R. erzählt man mir folgenden Scherz. Der ſonſt ſo ernſte Mann 
war ſtets über die Maßen zu allem Mutwillen aufgelegt, wenn er abends von seiner Kneipe kam. In dieſer 
übermütigen Laune. fragte er einmal einen Schut mann am St. Iohanner Markt: „„Wenn ich zu Ihnen Kamel 
ſage, iſt das eine Beamtenbeleidigung?“ ,,,„Selbitverſtändlich, ich ließe es mir nicht gefallen!““ ,,Wenn ich 
nun aber zu einem Kamel Wachtmeiſter ſage?“ „„Das können Sie machen, wie Sie wollen!“ ,. Na, dann 
guten Abend, Herr Wachtmeister!“ 
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