Saarkalender für das Jahr 1926
Das Ehrental am 18. Funi 1871.
Der Krieg, der zur Reichsgründung führte, war vorüber; die Söhne des Saarials
zurückgekehrt, gingen wieder ihrer friedlichen Arbeit nach. In der Bürgerschaft der
beiden Städte wurde kurz darauf das Verlangen wach, ein würdiges Friedensfest zu feiern,
in der Hauptsache mit feierlichem Gottesdienſt und einem Zug ins Ehrental. Die „Saar-
brücker Zeitung“ brachte Anzeigen und Hinweise auf das Fest, über das dann in der
Nummer vom Dienstag, 20. Juni 1871. nachſtehender Bericht veröffentlicht wurde, der hier
folgen möge, soweit er auf den Festakt im Ehrental Bezug nimmt.
„Zur würdigen Veranstaltung eines Friedensfeſtes am Sonntag, 18. Juni, hatte ſich ſchon
vor Wochen ein aus Bürgern beider Städte gewähltes Comité gebildet, das sich mit un-
verdroſsenheit der Löſung seiner Aufgabe hingab. Den Haupt- und Mittelpunkt der ganzen
Feier sollte der Zug nach der Stätte bilden, wo die Mehrzahl der Gefallenen vom 6. Auguſt
v. J. und die später in den hiesigen Lazaretten verſtorbenen Krieger ruhen –~ das Ehren-
th al . . . . „Das Ehrenthal war zu der bevorſtehenden Feier auf's entſprechendſte deco-
rirt; der große Militär-Begräbnisplatz gleicht jetzt einem von zwei Gängen durchzogenen
Blumenbeet. Es ist dies hauptsächlich das Werk einer Anzahl hieſiger Bürger, welche ſich
die ſchöne Aufgabe gestellt, die Gräber der Gefallenen in Stand zu setzen; patriotiſche
Frauen und Jungfrauen wetteiferten, dieselben mit Blumen und Pflanzen zu schmücken.
Um das große Heldengrab zieht ſich ein mit Guirlanden umwundenes Gitter und gleich-
falls mit Grün umwundene hohe Maſte, wohl 30 an der Zahl, welche alle an der Spitze
mit großen Kreuzen in Form des Eisernen Kreuzes enden, zeigen auf Zinktafeln die Regi-
menter an, welchen die hier ruhenden Krieger angehörten. Das Ganze, mit Fahnen und
Wimpeln sinnig geschmückt, macht einen ebenso schönen als imponirenden Eindruck.“ ...
„Der Festzug, dessen Abtheilungen durch Stabträger mit Wappen und Emblemen ange-
deutet waren, setzte ſich etwas nach 2 Uhr von St. Johann aus in Bewegung.“ . . . Nach
einer Feier auf dem Kleinen Exerzierplatz, bei der Advokat-Anwalt B ö ck i n g die Feſt-
rede hielt, bewegte sich der Zug ins Ehrenthal. „Hier schloß“, so meldet die „Saarbrücker
Zeitung“ weiter, „der Zug um die Heldengräber einen mächtigen Kreis. Es war ein er-
greifender Moment, als unter den Tönen des Chorals: „Es iſt bestimmt in Gottes Ralh“
die weiß gekleideten Jungfrauen, mit Schärpen in den Farben des Deutschen Reiches ge-
ſchmückt, aus dem Zug heraustraten und ernſt und feierlich Kränze und Blumen nieder-
legten auf die Gräber der Gefallenen von der treuen Wacht am Rhein, und in manchem
Auge konnte man Thränen der Rührung sehen. Als diese Handlung der Pietät vorüber
war, ging der Zug in derſelben Ordnung wieder zurück nach Saarbrücken, woſelbſt er nach
5 Uhr ankam und ſich auflöſte.“ Dann heißt es in dem Blatte zum Schluß: „„Bei Einbruch
der Nacht erglänzten unsere beiden Städte in prachtvollſter Illumination, nur die so schon
zu diesem Zweck geeignete Ludwigskirche kam nicht zur Beleuchtung; der heftig wehende
Wind löſchte sofort die Flämmchen wieder aus, ebenſo kamen auch die Bergfeuer am
Abende vorher nicht zur vollen Geltung. Der Festzug aber war der größte, den unsere
Städte wohl gesehen haben und haben sicher an 5000 Personen an demselben Teil ge-
nommen; er war in allen seinen Theilen gelungen und Dank und Ehre den wenigen
Männern des großen Comiteés, die ſich hauptsächlich um denselben verdient gemacht haben,
vor allen aber unserem Mitbürger, dem Buchhändler Herrn H. Vi eber t.“
Unser Bild zeigt nach einem noch gut erhaltenen Lichtbild den schönen Schmuck des
Ehrentales am Friedensfeſt. Die Bürgerschaft ehrte die Krieger und sich selbſt durch den
weihevollen Akt, der das Dankbare, Herzliche und Gemütvolle in dem Charakter unserer
Bevölkerung bekundet.
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