Saarkalender für das Jahr 1926
Die 5. Tagung des Bundes der Hanarvereine
in Hannover.
Von Jo h. Ra uber, Gewerkſchaftsſekretär in Hamborn.
Unsere diesjährige Bundestagung ist vorüber. Wir, die wir an derselben teilnahmen,
haben uns jetzt, nach geraumem Äbſtand von derselben, zu fragen, ob sie ihrem Zweck
gedient und ihn reſtlos erfüllt hat. Um diese Frage beantworten zu können, müſſsen
wir, objektiv und vorurteilslos, uns noch einmal die ganze Tagung in ihren einzelnen
Programmpunkten und ihrer Geſamtwirkung vor Augen führen. Zuſammenfasſend
können wir unser Urteil so formulieren: Die letzte Bundestagung in Hannover hatte
emen durchschlagenden Erfolg und kann uns Saardeutſche, vor allem aber die Leitung
und Geſchäſtsführung unseres Bundes, mit hoher Befriedigung erfüllen.
Was verdient nun an unserer Tagung besonders hervorgehoben zu werden? Zuersi
wohl die warme Vaterlandsliebe, welche aus allen Reden der Saargebietler hervorklang.
Wir von der Saar sind deutſch, echt deutsch, nicht deshalb, weil wir gegenwäctig von
Deutschland abgetrennt sind und darum manches Unerfreuliche erdulden müssen, sondern
weil wir von Geburt und Gesinnung aus echte Deutsche ſind. Selbſt wenn wir Saar-
gebietler in unserer Heimat oder in den weiten deutschen Gauen, in denen wir zerſtreut
sind, eine bevorzugte Stellung einnähmen, würde dieses unserer deutschen Gesinnung
keinen Abbruch tun. Es bedarf hierzu keiner beſonderen Lobespreiſungen und öffent-
lichen Dankes. Ein echter Deutscher, einerlei, ob er als Einzelperson Großartiges leiſtet
oder schwere Ungerechtigkeiten erdulden muß, verzichtet gern auf Ruhm und Lob. Alle
unsere vaterländiſchen Handlungen werden uns von unserem Pflichtgefühl vorgeſchrieben.
Eines aber quittieren wir Saardeutſchen gern: Unsere Tagung in Hannover hat manchem
Zuschauer und Teilnehmer einmal wieder ernſtlich ins Gewissen geredet! Viele von den
Tauſenden, die am Sonntag, den 7. Juni, während des Vorbeimarſches des Festzuges
die Straßen flankierten, werden sich sicher gefragt haben, ob sie auch, wie wir von der
Saar, ihre vaterländiſche Pflicht reſtlos erfüllen.
Trotzdem die Rheinländer, besonders aber die Bewohner des Saargebietes, ſchon vor
dem Kriege ſich nicht über allzu viel Liebe von Berlin zu beschweren brauchten. haben
wir uns nie in den Schmollwinkel gestellt. Es erübrigt sich wohl, Einzelheiten erneut
aufzurollen. An der Saar hat man den Weg zur Einigung über die parteipolitischen
Zäune und konfessionellen Mauern gefunden, nicht wegen des Druckes, unter dem ſie
leiden, sondern weil vaterländiſches Pflichtgefühl den Bewohnern dieſes vorſchreibt.
Das bewieſen sowohl die beiden großzügigen Reden unseres Landsmanns Karius,
wie diejenigen der beiden Geiſtlichen, Paſtor R o ſ\ ch von Andernach und Pfarrer
H a l k e von Saarbrücken. Gerade die Ausführungen dieſer Herren bewieſen, daß man
auch deutsch sein kann, ohne ein bestimmtes konfessionelles oder politifches Steckenpferd
reiten zu müssen. Und wenn ein norddeutscher Redner bei dem Feſteſſen am Sonntag
in der Stadthalle dieſes hervorhob und seine norddeutschen Landsleute daran erinnerte,
daß man in Norddeutſchland dieſes bisher nicht erkannte und deshalb umlernen müßte,
ſo hat dieſer Herr das Richtige getroffen. Umlernen! Klingt dieſer Ruf aus Norddeuitſch-
land nicht wie eine Mission, die unser Bund zu erfüllen hat? An unserem Verhalten
ſoll sich das übrige Deutſchland ein Beiſpiel nehmen. Wir quittieren dieſes dankend als
Beweis, daß wir an Rhein und Saar den richtigen Weg gegangen sind.
Ein Weiteres soll ebenfalls dankend verzeichnet werden. Die Reichsregierung ließ
öſfentlich erklären, daß der „Bund der Saar-Vereine“ in der Vertretung und Förderung
vaterländiſcher Belange an der Spitze aller landsmannſchaftlichen Verbände marſchiere.
Wir Saardeutſchen bilden uns auf dieſes Lob nichts ein. Wir haben ja nur unsere Pflicht
getan. Aber bisher ſchien es so, als ob unſer Bund regierungsseitig als ein wenig not-
wendiges Uebel noch eben geduldet wurde. Besonders ſcharf konnten wir dieſe Haltung
der Reichsregierung in der erſten Zeit des Bestehens unseres Bundes feſtſtellen. Und
auch heute fehlt uns manches Recht, welches man den anderen landsmannſchaftlichen
Verbänden eingeräumt hat. Ich erinnere nur an die offizielle Mitwirkung der Ver-
bände der Oberſchleſier und Westpreußen bei der Regelung der Schäden, die ihren
Landsleuten durch ihre Ausweisung oder Flucht entstanden sind. . Meines Wissens ſsehlt
dem ,„Saarverein“ dieſes Recht. Aber keineswegs sind wir auch jetzt noch mit dem, was
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