Saarkalender für das Jahr 1926
Der liebe Gott und der Gnkel in Darmfſtadt. Der Pfarrer in NM. trifft den Bürger B-g, der als fleißiger
Handwerker in der Gemeinde ebenſo bekannt iſt, wie er auch als etwas geiſtig ſchwerfällig gilt. Den
Gottesdienſt beſuchte er nicht, worüber ihn der Geiſtliche bei einer Kindtaufsfeier ernſtlich zur Rede
ſtelt. Es entwickelt ſich nun folgendes Gespräch: „Mein lieber Herr B., warum gehen Sie nicht zur Kirche?
„Ia, es geht mir zu gut, ich habe keine Sehnſucht danach!“ ,,Es kann Ihnen aber auch einmal ſchlecht
gehen, wo haben Sie dann Troſt. Es kann Ihnen durch irgendein Unglück ſogar ganz ſchlecht gehen, wo
ſuchen Sie dann Ihren Halt?“ „„Wenn das paſſiert, Herr Pfarrer, ſchreibe ich an meinen alten Onkel un
Darmſtadt, der hat mir geſagt, wenn es Dir einmal ganz ſchlecht gehen ſollte, dann haſt Du immer noch
einen Halt an mir!“
Mißverſtändnis. In einer kleinen Kneipe fragt ein biederer Stammgaſt einen ſprachenkundigen Herrn:
„Ich möchte gerne wiſſen, was pourquoi heißt, ich höre cs ſo oft von den Franzoſen. Antwort: „Warum!
Weshalb!“ —~ , Nanu, warum? weshalb? Weil ich's eben wiſſen möchte, ſonſt würde ich doch nicht fragen.“
Der verſchlafene Bär. Die Schule macht einen Ausflug, um 7 Uhr ſind die Kleinen ſchon zum Ab-
marſch bereit. Einige haben Geld ,für alle Fälle“ erhalten und wollen es gleich in Süßigkeiten umſetzen.
Da die Kaufläden noch geſchloſſen ſind, zieht man beim Apotheker die Nachtglocke. Der aus dem Schlaj
geſtörte Apotheker fragt nach dem Begehr der Kinder. Sie fordern „Bärendrech“ und erhalten die Antworl:
„Es iſt noch viel zu früh, der Bär ijſt noch nicht aufgeſtanden!“
Eine Verwechſelung. Die häufigen Reibungen zwischen den Schweſterſtädten Saarbrücken und
St. Johann hatten gegen Mitte der neunziger Iahre zu einem ſchweren perſönlichen Skreit der beiden
Bürgermeiſter, Feldmann und Neff, geführt. Es kam ſogar zu einem Piſtolenduel, das im Tiefental, ſeit-
wärts der Landſtraße St. ArnualÖSimbach, ausgetragen wurde. Glücklicherweiſe verlief der Zweikampf
unblutin. Man kann ſich aber die Aufregung der beteiligten Familien vorſtelen. Am Vormittag, wenige
Stunden nach dem Zweikampf, bot eine Gemüſefrau aus St. Arnual im damligen Saarbrücker Bürger-
meiſterhaus, Schloßſtraßze Nr. 1, ihre Waren feil. Während ihr Korb gemuſtert wurde, erzählte die Frau
ganz aufgeregt: , Denke Sie nur, heite morgen han die beiden Bürgermeiſter ein Duett im Tiefetal
gemacht!“ Frau Feldmann war nicht zum Lachen zumute, aber bei dieſem drolligen Bericht löſte ihre.
Spannung ſich in ein herzliches Gelächter auf.
Der ausgedehnte Frühſchoppen. Bei unseren Schuhmachern war da s ſeit undenklichen Zeiten das Pech,
daß ihnen ſtets das beste Leder fehlte: das Sitleder! Auch dem alten Walter in der Hintergaſſe ging es ſo.
Nur wo ein gutes Bier verzapft und von einem ſauberen Mädel ausgetragen wurde, da hatte er es: da
konnte er nächtelang ſitzen, und nicht ſelten kam es vor, daß aus dem üblichen „blauen Montag“ direkt daran
angeſchloſſen, ein blauer Dienstag wurde. An einem ſchönen Sonntag nun packte er die eben fertiggeſtellten
Schuhe ein und ging ,,abliefern!“ Dergeblich wartete ſeine Frau am Abend auf ſein Heimkommen, vergeb-
lich am Montag, vergeblich am Dienstag. Endlich am Mittwoch früh kam er fröhlich und mit der unſchuldigſten
Miene von der Welt angeſungen. Wie er aber den vorwurfsvoll fragenden Blick ſeiner biederen Ehehälfte auf
ſich ruhen fühlte, wurde er doch etwas verlegen, kratzte ſich am Kopp und ſprach entſchuldigend: „„O mei, Aldi..
war dr das doh emol widder e Sunndah gewähn!“
Mein Freund I. iſt ein großer Denker. Bei der Iahrtauſendfeier und den nachfolgenden Feſten, die mit der
Frage der Fahnenhiſſung bekanntlich aufs engſte verknüpft waren, las er an einem ſchönen Abend am be-
rühmten Stammtiſch ,„Fenſterloge“ in der „Strohdiele“ ſeine Zeitung, Klatſchte ſie dann aber plötzlich mit
Energie auf den Tiſch und sprach entrüſtet: „„Das doh geht nimmeh ſo weiter: Doh ſchreibt die „Saarbrücker
Zeitung“ fortwährend „Fahne eraus, Fahne erin!“ Doh wääß mr ſchunn nimmeh, was mr mache ſol: Mei
ros reit he ganze Dah uff dr Fahneſtang erum, nagelt ahn un macht ne widder ab; die is ſchun ganz ſteif:
n de Bäänl!“
Schonend beigebracht. In einer hieſigen Badeanſtalt nahm mal ein hieſiger Bürger ein Bad. Und wie das
kam, weiß man heute noch nicht: Als man nach längerem Warten die Türe zur Zelle gewaltſam öffnete, lag.
er tot in der Wanne. Damals waren die Bürgermeiſter noch die oberſte Polizeigewalt und weil der Derſtorbene
ein guter Bekannter und auch ſonſt ein angesehener Bürger war, ſchickte der Bürgermeiſter Feldmann ſeinen
Schutmann B. zu der Frau, mit dem Auftrag, ihr das Ableben ihres Mannes | < o n e n d beizubringen. Dieser
entledigte ſich ſeines Auftrages ſo, daß er an dem Haus die Klingel zog und beim Oeffnen die Frau frug:
„„Sie ſind die Witwe M.7“ ,Die F r a u M.!“ verbeſſerte die. „Nein, wetten Sie, daß Sie die W i t w e M..
ſind?“ ,,Reden Sie doch keinen Unſinn,“ erboſte die ſich, „ich bin die F r a u M.. Wie kommen Sie nur zu:
ſolch einer Behauptung?“ ,, Ach“, kratte ſich der hinter den Ohren, „wiſſeſe, – ich ſols Ihne nämlich,
ſchonend beibringe, daß Ihr Mann heid Middah in dr Badanſtalt verſuff is!“
Der gute Kaufmann. Bei einer hieſigen Bank war ein alter Saarbrücker angeſtellt, der den üblichen Alt-
Saarbrücker Durſt nicht ungenutzt an ſich vorübergehen laſſen konnte und anderen Tags dann ſeinen „Brand“
im Büro mit Selters löſchte. Eines Morgens ertappte ihn auch mal wieder ſein Chef bei dieſer Beſchäftigung.
„Herr R.“ ~— redete er ihn vorwurfsvoll an. „Gehts denn nicht anders bei Ihnen? – Wieviel Gläschen Bier
haben Sie denn geſtern wieder getrunken?“ – ,Dierundzwanzig!“ –~ „So? ~ Dierundzwanzig! – Sehn Sie,...
das iſt zuviel und außerdem ſind Sie ein ſchlechter Rechner: Hätten Sie ſtatt deſſen zwölf Große getrunken,.
Hütten Sie dazu noch 60 Pfennig geſpart!“ „Herr Chef!“, wurde dem zur Antwort, ,ich trinke immer nur:
halwe Liter!“ .
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