Saarkalender für das Jahr 1926
Architecte en chefk. In ſpäteren Iahren wird man von ,,einem“ im Saargebiet folgendes wahre
Geschichtchen erzählen. Auf einem großen Hüttenwerke lebte ein „Architecte en Chef“, der ſich auf den
ihm von seinem franzöſiſchen Arbeitgeber verliehenen Titel ſehr viel einbildete. Daß er denselben überhaupt
erhalten hatte, war, ſo erzählte man, nur auf seine politiſche Einſtelung zurückzuführen (Monsieur Girouette,
ſagte einmal ein Franzoſe von ihm). Eines Tages ging er durch seinen Betrieb und grüßte jovial einen
alten Meiſter. „Mor-jen, Mei-ſter!“. –~ ,Gu' morjen, Herr Baumeiſchter!“N Auf den Zurückgrüßenden trat
nun der neue Titelinhaber zu und ſagte in dienſtlichem Tone: „So müſſen Sie mich nicht mehr anreden,
ich bin jezt Architecte en Chef, verſtanden?“ Einige Tage ſpäter ſchickte der alte Meiſter einen Arbeiter
mit einem Gutſchein aufs Baubüro und ſchrieb dem Manne den Namen des Monſ. Architecte en Chek
auf. Er kürzte jedoch den langen Titel ab und ſchrieb „C h e fk Ar ce h.“ Der gute Mann frug auf dem
Büro treuherzig nach dem Herrn ,„Chef-Areh“. –~ Seit jener Zeit ſoll ſich der anfänglich über allen
Wipfeln fühlende ehemalige deutſche Beamte über seinen fremden Titel nicht mehr gefreut haben. Die
Lacher waren auf unſerer Seite.
Der gemütvolle Gatte. Ein Freund ſchreibt uns: Bei einem Beſuche in Frankreich wurde mir ein Grab-
ſtein gezeigt, der folgende Worte trug:
Ci-gît ma fomme.
Oh qu'elle est bien
Pour son repys!
Et pour le mien. ;
(Hier ruht meine Frau. O, wie wohl iſt 1hr für ihre Ruhe! Und für meine.)
Heiteres aus trüber Zeit. Ein Bürger aus Kaiserslautern hat in Neuſtadt ſtark gezecht, ſeßt bei ſeiner
Rückkehr etwas unbeſonnen dieſe Tätigkeit fort und überſirht die für den Verkehr von den Franzosen feſt-
geſettte Stunde. Kaum torkelt er aus dem Lokal, als ihm ein Marokkaner ,, Halte lä!“ zuruft. „Etes-vous
docteur?“ Der Betrunkene ſchüttelt den Kopf. „Ah! êtes-vous Aebamme?“ Da ahnt dem Feſtgenommenen
das ihm drohende Geſchick, er erwidert: „Oui, monſieur, je ſuis Aebamme!“ Auf das ,,paſſez trôs-vite!“
eilt t; Ernüchterte mit Rieſenſchritten nach Hauſe, ſeine Geiſtesgegenwart hatte ihn vor dem Gefängnis
ahrt. :
Wie man eim das Jahr 1650 Kranke heilte.
Ein Kapitel von Doktor und Apotheker Alt-Saarbrückens.
Zusſammengeſtellt von Schreinermeiſter C. Schumann.
î_ Als ich im vorjährigen „Sa ar k a le n d e r“ ein altes ärztliches Rezept las, erinnerte ich
mich, daß ſich auch in unserer Familie, von einem Ururonkel, dem ehemaligen Hofapotheker ihrer
gräflichen Hoheit Eleonore Klara und ihres Sohnes Ludwig Kraft, Fr. Löw, herrührend, eine
Sammlung ärztlicher, in der damaligen Zeit recht ernſt gemeinter und wiſſsenschaftlich angewandter
Rezepte erhalten hat, aus denen ich einige Blüten, zu Nutz und Frommen der lieben Leser aus-
suche und hier abdrucken laſſe. ;
Im allgemeinen fällt einem dabei jener Witz ein, den ſich vor ungefähr dreißig Jahren der
Apotheker Koch am Schloßberg leiſtete, als eine sehr bekannte Katzenmutter, Frau L., der eine
ihrer Lieblinge erkrankt war, ihn bat, ihr ein Mittel für ihre Katze zu geben.
„Kumme S'e her,“ ſprach Koch und deutete dabei auf ſämtliche in den Regalen untergebrachten
Dosen und Flaschen mit den Staunen erregenden lateiniſchen Namen und Titeln, „doh suche S'e
ſich ebbes devunn aus, das is alles for tie Katz!“
Die unten beſchriebenen Arzneien der damaligen Welt haben vielen Kranken geholfen, ~
sſelbſtverſtändlich, wie auch heute noch, dem Doktor und Apotheker mehr, wie den Patienten.
Der Verfasser des alten Arzneibüchleins schreibt in seinen Anmerkungen, daß er dieſe Mittel
zum Teil ſchon 1650 „erfunden“ und bis „anhero“ mit „gutem Success“ angewandt und ,„probat“
gefunden habe.
Beginnen wir und lassen wir die Rezepte für ſich sſelbſt reden. Jedes erklärende Beiwort
erübrigt ſich!
„Eine Methode, die Gelbsucht zu curieren, welche mit gewissen Success versucht worden.
Nimm Gelbſucht-Wurtz eine halbe Untze, vom obersten Theile des Tauſend-Gülden-Krauts, Garten-
Wermuth, weißen Andorn, von jedem eine Hand voll, große Brenn-Nessel-Wurtzel, zwei Untzen,
Koche sie in 3 Nössel Waſsſer, bis es halb eingekocht iſt. Wenn es denn fast genug gekocht, so thue
darzu Wachholderbeeren eine Untze, des gelben Sandali und Gänse dr e <, in einem Tüchlein
eingebunden, eines jeden 3 Quentlein, Saffran 2 Secrupel, Rheinischen Wein ein Nössel, und wenn
es genug gekocht hat, ſo drücke es durch ein Tuch, und thue darzu von Aqua composita limacum
und Lumbricorum terrestrium, von jedem 2 Untzen. Nimm drey untzen davon.“
Ein vortrefflich Pflaſter, ſo man auf die F ü ß e legen kan, in denen Fiebern, die gar sehr am
Haup te liegen. – Nimm Burgundiſch Pech, und Emplastrum cephalicum, von jedem eine gleich
Quantitaet, ſchmiere es auf Schafs-Leder, und appliciere es.“ :
„Ein Pflaſter für die Würme, von Herrn D. Brown. Nimm ein halb Nössel Ochſe n- Galle,
und koche darin 2 oder 3 Sprossen Garten-Cypreß, und eben ſo viel Wermuth und Raute; wenn
es eine ziemliche Weile gekocht hat, ſo nimm die Kräuter heraus und thue eine Untze. von der
beſten Aloe, pulversiert, darzu, alsdann setze es aufs Feuer, bis es dicke wird, und ſchmiere es
auf ein Stück Schafs-Leder, und le g e es a uf d en N ab e l.“
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