Saarkalender für das Jahr 1926
.10. März:
. März:
des Saargebiets bis 1935 nicht vollkommen un-
parteiiſch bleibt, wird es eine der ſchwierigſten
Fragen sein, welche engliſche und franzöſiſche
Staatsmänner zu löſen haben.“
. März: Sir Robert Donald, der vormalige Chef-
redakteur des „Daily Chronicle“, erregt in Eng-
land viel Aufmerkſamkeit mit seinem Buche über
das Saarrevier, das er einen neuen Wetterwinkel
Europas nennt. Robert Donald erbringt den Be-
weis, daß der Dölkerbund im Saargebiet ganz
jämmerlich verſagt habe. Er ſpricht von ,nackter
Plünderung“ und ,,ſchamloſem Raub“. Der Döl-
kerbund habe ſich lediglich der Ausdehnung des
franzöſiſchen Einfluſſes gewidmet. Es sei höchſte
Zeit, eine Brücke über den unwegbaren Abgrund
zu ſchlagen, die zur Straße friedlicher Entwick-
. lung Weſteuropas führen würde.
.. März:
Die , Saarbrücker Landeszeitung“ bringt
einen Artikel, der Enthüllungen über einen
Schwindel des Schick-Konzerns in Spiritus ent-
hält, wodurch das Deutſche Reich, das Saargebiet
und das heimiſche Brennereigewerbe geſchädigt
worden sei. Nach mehrfachen Erklärungen in der
Preſſe iſt von den Beschuldigten der Klageweg zur
vollen Klarſtelung beſchritten worden.
. März: Saarlouis zählt Ende Februar 16 294 Ein-
wohner.
Die 5. Zivilkammer des Saarbrücker
Landgerichts ſpricht in einer Klage gegen die Re-
gierung den Saarbeamten den Anſpruch zu auf
das Beziehen des Gehalts, wie es die Reichs-
beamten erhalten.
„The Daily News“ bringt einen, die franzö-
ſiſche Politik im Saargebiet verurteilenden Artikel
und kommt zu dem Schluß: ,Das einzige Reſultat,
das die Franzoſen erzielt haben, iſt, daß die Be-
wohner des Saarreviers deutſcher denn je gewor-
den sind, erfüllt von unerſchütterlicher Entſchloſſen-
heit, 1935 überwältigend für die Wiedervereini-
gung mit dem Vaterland zu ſtimmen.“
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12. März: Die Preſſe veröffentlicht Statiſtiſches von -
der Saarbevölkerung. Nach dieſer Meldung zählte
das Saargebiet Ende 1924 763 196 Perſonen. Ende
des Iahres 19235 wurde die Zahl auf T7a49 397
Seelen angegeben.
13. März: Aus Genf kommt die Meldung, daß die
Regierungskommission wieder auf ein Jahr be-
ſtätigt ſei. Die Wiederwahl Raults erfolgt in ge-
heimer Sitzung noch auf ein Jahr, ſodann jähr-
licher Wechſel in der Präſidentſchaft. Kein end-
gültiger Abzugstermin für die franzöſiſchen
Truppen. Chamberlain, der engliſche Außen-
miniſter, beugt ſich vor Frankreichs Forderungen.
Man ſpricht in der Frage des Saarreviers von
einem politiſchen Kuhhandel der beiden Mächte.
16. März: Der Derordnungsentwurf der Kommissionen
18.
über ein Arbeitskammergeſeßz von dem Landes-
rat angenommen.
März: Rom lehnt ein von den Franzoſen er-
ſtrebtes Saarbistum ab. ,, Popolo Romano"
ſchreibt u. a. darüber: „In Rom ſind bisher alle
Derſuche Frankreichs, wie zuletzt auch durch den
General Caſtelnau, mittels kirchlicher Einrichtung
die Saarfrage in einem Deutſchland ſchädigenden
Sinne zu löſen, fehlgeſchlagen." Die päpſtliche
Diplomatie weiſe darauf hin, daß ſie nicht daran
denke, aus dieſem Gebiete nach dem Wunſche
Frankreichs ein zweites Elsaß-Lothringen zu
machen.
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März: Die ,, Saarbrücker Zeitung“ veröffentlicht
einen von Miſter Waugh geſchriebenen Artikel in
der „Newyork World“. Herr Waugh, das Mit-
alied der Regierungskommission, dem man im
Saarvolk mit Vertrauen und Achtung begegnete,
der es ehrlich mit uns meinte, ſchreibt in ſeiner
Arbeit u. a.: „Die Regierungskommiſſsion wird
völlig von Paris aus geleitet“ . . . „Ich ſtaunte
manchmal über die Geduld der Bevölkerung“ . . .
„Rault hat in Paris ein eigenes Setretariat
organiſiert, wofür die Koſten von der Saarbevöl-
kerung beſtritten werden mußten“ . . . „Ich bin
der Meinung, daß das Saargebiet ein Unruhezen-
trum in Europa iſt“. . . „Die Auslegungen der
Regierungsmajorität ſtimmte mit den franzöſiſchen
Inſtruktionen vollſtändig überein. Die meisten
davon waren ungerechtfertigt.“
. März: Die angeſehene engliſche Wochenſchrift „„The
Nation“ nennt die Wiederwahl Kaults eine
ſchwere Beleidigung der Saarbevölkerung und
einen groben Verſtoß gegen die internationale
Höflichkeit.
März: Forderungen der Arbeitnehmer des Saar-
gebiets zum Abſchluß eines Handelsvertrages
zwiſchen Deutſchland und Frantkrreichh 1. Aus-
reichende Ausfuhr- und Kbſatzmöglichkeiten für
ſaarländiſche Erzeugniſſe in Frankreich und auch
im Reiche, 2. gleiche Berechtigung und gleiche Be-
handlung ſaarländiſcher Erzeugniſſe auf dem
franzöſiſchen Markt, 3. ungehinderte Einfuhrmög-
lichkeiten jener deutſchen Produkte, ohne die eine
ungestörte Produktion nicht möglich iſt, 4. völlige
Freigabe des kleinen Grenzverkehrs.
Die Preſſe bringt die Meldung, daß die Der-
anſtalter der sog. Spitzelrevolution nicht nur nicht
beſtraft, ſondern Gratifikationen von der Regie-
rung erhalten haben. Adler 108 000 und Rollin
27 000 Franken. (Letztere Summe soll in Wirk-
lichkeit größer ſein.)
März: Um 2 Uhr nachmittags auf Zeche Remeau
bei Merlenbach Grubenunglück durch Abſturz der
Förderſchale. 80 Bergknappen abgeſtürzt. 23 Saar-
länder unter den Toten. Herzliche Teilnahme in
allen Volksſchichten.
März: Polizeimajor Dörffert vom Obergericht in
Saarlouis wegen Strafentziehung, Nötigung, Frei-
heitsberaubung, Urkundenfälſchunng und ûBe-
ſtechung im Berufungsverfahren mit 18 Monaten
Gefängnis beſtraft, bürgerliche Ehrenrechte ſowie
Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher KAemter
auf die Dauer von fünf Jahren aberkannt. D.
ſtirbt April im Gefängnis.
März: Bei dem erſten Wahlgang in der Reichs-
präſidentenwahl 26 812 5357 Stimmen abgegeben.
Jarres 10 387 523 und Braun 7 785 678 Stimmen.
März: Die Grubenangeſtellten des Saargebiets.
Der Verband Deutſcher Techniker (Fachgruppe
Bergbau) klagt in einer ſtark beſuchten Derſamm-
lung die franzöſiſche Bergverwaltung an wegen
Bruches feierlicher Derſprechungen und Verein-
barungen. Das Gehalt betrage 50~60 Prozent der
gleichen Beamten im Reich. Die Penſion betrage
„ ein Drittel der verſprochenen Summe, für Witwen
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noch weniger. Beſchloſſen wird, die Bergverwal-
tung auf Gewährung der verſprochenen Gehälter
und auf Nachzahlung zu verklagen.
März: Im Landesrat wird ſcharfe Kritik geübt
an dem franzöſiſchen Bergbau und am Wohnungs-
wesen. Als Grundübel der Wohnungsnot wird die
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