Full text: 1926 (0004)

1. Dezember: 
7. Dezember: Die 
Saarkalender für das Jahr 1926 
  
Dezember 1924. 
Nach der ,Neunkirchner Nolksztg." 
veranſtaltete die Berginſpektion 8 zu Ehren der 
hierher verpflanzten Mikumleute eine Be- 
grüßungsfeier, bei der ein höherer Beamter der 
Direktion Saarbrücken bei einem Glaſe Sekt die 
„Derdienſte“ dieſer Herrſchaften feierte und vom 
Danke Frankreichs ſprach. Das Blatt bemerktt: 
Die Mikumleute werden den Dank ſchon kennen 
lernen, wenn man ſie ausreichend ausgenützt hat. 
Das napoleoniſche Wort vom Verrat und der Ein- 
ſchätung des Derräters hat auch heute noch ſeine 
volle Gültigkeit. 
2. Dezember: Proteſt gegen die’ Dergewaltigung des 
Selbſtverwaltungsrechtes. Präſident Rault richtete 
ein Schreiben an die Bürgermeiſter im Saar- 
gebiet, in Fragen, welche die Tätigkeit der Regie- 
rung berühren, zunächſt die Abteilung des Innern 
zu unterrichten, bevor sie dieſe Fragen den Der- 
tretern der Bevölkerung unterbreiten. Die hier- 
mit verſuchte einſchneidende Beſchränkung des 
Selbſtverwaltungsrechtes der Städte und Gemein- 
den wird einhellig und ſcharf zurückgewiesen. 
2. Dezember: Auf eine Note der deutschen Regierung 
in der ſaarländiſchen Schulfrage antwortet die 
Regierungskommisſsion am 2. Dezember und ſagt 
darin, daß ihr keine Klagen über Zwangsmaß- 
nahmen zu Ohren gekommen ſeien. (?) Uebrigens 
habe ein luxemburgiſcher Sachverſtändiger er- 
klärt, der Unterricht in den Schulen der Gruben- 
verwaltung erfolge im ,,Geiſte der Derſöhnung 
und Neutralität“. – Die Preſſe bringt in Hülle 
und Fülle bittere Klagen über Zwangsmaß- 
nahmen. Hier heißt es ſtets: „Und viſt du nicht 
willig, ſo brauch ich Gewalt!‘. Don den un- 
zähligen Drohungen ſei hier nur eine angeführt. 
Der Direktor einer franzöſiſchen Schule erklärte 
wiederholt ſeinen Schülern: „Ich halte das Brot 
eurer Däter in der Hand!“ Ein Luxemburger als 
Sachverſtändigerkr Warum keiner von Honolulu? 
„Saarbrücker Zeitung“ beginnt 
eine Reihe von Enthüllungen aus dem palitiſchen 
Geheimdienſt der Regierungskommiſssion, die un- 
geheures Aufsehen erregen und eine Korruption 
offenbaren, die zuerſt niemand glauben uurill, 
deren volle Wahrheit aber eine Entrüſtung 
hervorruft, wie ſie das Saargebiet kaum je er- 
lebt hat. Kennel, im Dienſte der politischen 
Geheimpolizei, ſchafft nach. ſeiner Entlaſſung die 
Aufklärung über die Entſtehung der Notverord- 
nung, entlarvt den jahrelang betriebenen 
Schwindel über nationaliſtiſche SGeheimorgani- 
ſationen und die Derſchwörung an der Saar. Die 
fingierte Hausſuchung, das gefälſchte Tagebuch, 
Anſtiftung von Putſchen, Verbindung mit ver- 
brecheriſchen Organiſationen, die man angeblich 
bekämpft, falſche Päſſe, Schweigeprämien, die er- 
fundene Sabotage-Aktion, das alles mutet an wie 
ein Kapitel aus einem Hintertreppenroman und 
dennoch beruhten die auch am 8. und 9. Dezember 
fortgeſeßten Enthüllungen auf Wahrheit. Polizei- 
direktor Adler und der Häuptling der Spitzel, 
Rollin, waren unmöglich geworden, werden aber 
nicht vor Gericht geſtelt, ſondern mit riesigen 
Gratifikationen entlaſſen. An anderer Stelle wird 
der Saarkalender dieſe Blüte weſtlicher Kultur 
näher beleuchten. 
152 
10. Dezember : 
I. 
12. Dezember: 
13. Dezember: Eine ſaarländiſche 
Aus den Enthüllungen über den 
politiſchen Geheimdienſt der Regierungskommiſſion 
ergeben ſich gegen dieſe ſchwere Vorwürfe. Vie 
Deutſch-Saarländ. Dolkspartei und das Zentrum 
beauftragen die in Rom weilende ſaarländiſqhe 
Delegation, beim Dölkerbundsrat den Antrag zu 
ſtellen, eine Unterſuchungskommission ins Saar- 
gebiet zu ſenden. 
Dezember: Der Konſervator der geſchichtlichen 
Denkmäler des Saargebiets, Baurat Klein, ver- 
öffentlicht über ſeine neueſten Ausgrabungen die 
Nachricht, daß er zwiſchen dem alten Brebacher 
Weg und der Saar die Fundamentmauern eines 
ſpätrömiſchen Kaſtels aufgedeckt und Reſte der 
Römerſtrazge Meßz–Worms freigelegt habe. 
Der Leiter der sSchulabteilung, 
Miniſterialdirektor Notton, wird vom Partei- 
ausſchuß des Zentrums aus der Partei aus- 
geſchloſſen. Allgemeine Genugtuung. 
Denkſchrift wird 
vom Zentrum und der Deutſch-Saarländ. Volks- 
partei an Miniſterpräſident Herriot gerichtet, er 
möge auch im Saargebiet ſeine Friedens- 
beſtrebungen verwirklichen. Frankreich sei dazu 
in der Lage, wenn es nur wolle. Was hier in 
den letßten Iahren geſchehen ſei, bleibe eine Aus- 
wirkung franzöſiſcher Annexionspolitik. Berührt 
werden in der Denkſchrift die Fragen der franzö- 
ſiſchen Schulen, die Propaganda, das franzöhqche 
Militär, die Zollabſchnürung u. a. m. Zum 
Schluſſe heißt es, die Entſpannung zwiſchen beiden 
Ländern würde Fortſchritte machen, „wenn die 
kritiſierten Maßnahmen im Saargebiet beseitigt 
würden, denn ſie nügen Frankreich nichts, 
bringen ihm nur unnötige Ausgaben, ſchädigen 
die Saarbevölkerung und vergiften die Atmo- 
ſphäre zwiſchen Deutschen und Franzoſen“. 
14. Dezember: Zu der peaolitiſchen Ranküne in der 
Dunkelkammer des politiſchen Geheimdienſtes der 
Regierungskommisſion nimmt Pfarrer Bungarten- 
Malstatt, ein furchtloſer deutſcher Mann, das 
Wort in der „Landeszeitung“. Seine Veröffent- 
lichung läßt den Miniſterialdirektor Notton in 
kläglichem Lichte erſcheinen. Er hat nach dem 
berüchtigten, völlig erlogenen Rollins Spigtel- 
material Deranlaſſung genommen, gegen Pfarrer 
Bungarten bei der biſchöflichen Behörde in Trier 
vorzugehen. Der Afkläger blitte glänzend ab, 
Notton, der Französling, für die Oeffentlichkeit 
längſt erledigt, bleibt trotz; alledem auf ſermmem 
Poſten als Leiter der ſaarländiſchen Schul- 
abteilung. 
16. Dezember: Bürgermeiſter Dr. Neikes gibt in der 
Stadtratsſizung Kenntnis von einer unter 
günſtigen Bedingungen erfolgten 3 - Millionen- 
Dollar-Anleihe durch die Stadt Saarbrücken. 
17. Dezember: Prozeß gegen Polizeimajor Dörffert be- 
ginnt, er wird wegen verſchiedener Delikte zu 
21,4 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Urteils- 
verkündigung erfolgt am 22. Dezember. 
18. Dezember: Durch Erlaß des Generalkommiſſars 
der Republik p. i. wird der Umlauf, der Ver- 
kauf und die Verteilung des ,, Saarkalenders 
1925“ bis auf weiteres im ganzen Gebiet Moſelle, 
Bas-Rhin und Haut-Rhin verboten. Der Erfolg 
des Verbotes war ein ſtarker Derkauf des poli- 
tiſchen Iahrbuchs nach Elſaß-Lothringen. 
 
	        
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