Saarkalender für das Jahr 1926
Dom Muſik- und Theaterleben Banarbrückens
von Dr. Adolf Rasktkin.
Die dem Saargebiet aufgezwungene politiſche Rolle hat das eine Gute bewirkt:
ſeinen Bewohnern iſt die Verbundenheit mit der großen deutschen Volksgemeinſchaft
heiler denn je ins Blickfeld gestellt worden. Einer tieferen Erkenntnis der umfassenden
Begriffe „Deutschtum“ und ,Deutſsſchſein“ konnte der unberechenbare Wert wahrer
deutſcher Kulturpflege nicht verborgen bleiben, und so erleben wir im Saargebiet seit
jenen verhängnisvollen Tagen eines Versailler Diktates mehr und mehr das Erwachen
geiſtiger und künſtleriſcher Kräfte, die, geſpeiſt aus dem unversiegbaren Quell nationalen
Kulturgutes, miteingesetzt werden in dem deutschen Kampf um den Platz an der Sonne.
Erfolg bis heute aber iſt, daß das Jahr 1925 endgültig alle Zweifel in eigenen Reihen
~ besser geſagt aber ~ alle Hoffnungen auf der Gegenseite zerſtösören konnte durch
ſlammendes Bekenntnis und ehrlichen Treueſchwur. Wo ſolche Liebe gedeihen will,
muß tiefste Ueberzeugung herrſchen vom Werte des verteidigten Gutes. Ein feſtes
Fundament iſt gelegt und hat sich bewiesen. Noch aber sind wir nicht so weit, daß wir
keine Wünſche mehr hätten.
Ueberblicken wir die Zeit von 1924 bis zur Mitte des Jahres 1925. Die Zahl der
Ereigniſſe im Musik- und Theaterleben iſt durchaus dem Gesamtbilde einer Großſtadt
angepaßt. Auch hier macht sich allmählich die Flut bemerkbar, der die anderen Groß-
ſtädte im Reich ausgesetzt sind. .
Um das Poſitive an erster Stelle hervorzuheben, darf gesagt werden, daß es bisher
noch möglich war —~ von einzelnen nebensächlichen Veranstaltungen abgesehen —, einen
organiſchen Zuſammenhang aller Faktoren zu erreichen. Die Bedeutung Saarbrückens
ais Musikstadt hat in diesem Zeitraume erheblich zugenommen. Wesentlich dafür muß
an erſter Stelle ein dreitägiges Ma x Reg er- F e ſt genannt werden, das unter
Leitung des Generalmusikdirektors Felix Le d er er markante Punkte aus dem
Schaffen dieſes letzten Großmeiſters deutſcher Musik hervorhob. Damit wie auch mit
den noch zu nennenden übrigen künſtleriſchen Taten hat sich das junge ſtädtisſche
Orcheſter als der wertvollſte Faktor im gesamten Kunstleben Saarbrückens erwiesen.
Hören wir deshalb, was von ihm ferner geleiſtet wurde und zwar in durchweg muſter-
gültigen Aufführungen: als Reichsdeutſche Uraufführung Franz Moser's Suite für
17 Bläser, ein Werk von originellem Charakter, interessanter Architektur und reizvoller
Kleinarbeit; eine weitere Uraufführung eines jungen einheimischen Künstlers – Marien-
lieder von Fritz Neumeyer ~ eine Kompoſition für Orcheſter und vier Soloſstimmen, die
abſeits von der reklamebeſäten Heerſtraße einer konstruktiven Modernen ohne jeden
atonalen Uebergriff wahres und echtes Erleben in zarte alte Farben tauchte. Eine
Reihe von Erstaufführungen (für Saarbrücken) zeigte, daß hier mancher Schatz noch
gehoben werden muß: Anton Bruckner's zweite Symphonie, die Ouvertüre „Cid“ von
Cornelius, Dvorak’'s ſsymphoniſche Ouvertüre „Carneval“, das Violinkonzert von
Glazunow, eine Symphonische Elegie von Rudolf Mengelberg, von Reger die „Mogart-
variationen“, das Klavierkonzert, die „Romantische Suite“, das große Violinkonzert
und die Hillervariationen, Schubert's ,„Tragiſche Symphonie“, Stravinsky's „Feuer-
werk“ und ſchließlich H. H. Wetzler's „Visionen“ (sſymphonische Dichtung). Dazu kommen
noch eine Reihe von bekannten Werken der Muſikliteratur, die bereits früher schon
einmal aufgeführt worden waren.
Durch die Gründung eines Saarbrücker Streichquartetts innerhalb des ſtädtischen
Orchesters gelang es im Verein mit den Kammermusikkonzerten des M. G. V. Rhein-
gold, dessen Regerabende bereits traditionell zu werden scheinen (Leitung Karl Ziegel-
mayer), das fehlende kammermuſsikaliſche Element dem Saarbrücker Musikleben einzu-
fügen. Der vielverſprechende Anfang in der letzten Saiſon brachte Werke von Haydn,
Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann, Brahms, Bruckner, Reger 1n1d Kaun. Von
den außergewöhnlichen Ereignissen im Konzertbetrieb wären noch zu nennen zwei Bach-
abende des 1. städtischen Konzertmeiſters He r mann Sil zer mit sämtlichen Solo-
violinſonaten, das Konzert des Trios Clara Reichmann, A. Cramer und M. Raktier mit
Werken von Händel, Mozart und Brahms, das jährliche Orgelkonzert des Leipziger
Thomaskantors Ramin und die Erstaufführung des Hugo Kaunſchen Requiems durch
den M. G. V. Liederkranz.
Die Saarbrücker Oper setzte auch in der vergangenen Spielzeit den Weg der beiden
letzten Vorjahre fort, einen Weg, der nach oben weiſt und den zu gehen einer Stadt
wie Saarbrücken würdig iſt. Der ausgezeichnete Ruf Saarbrückens als Muſikſtadt iſt
das Resultat der weitblickenden und von künſtleriſcher Kraft getragenen Arbeit einer
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