Saarkalender für das Jahr 1926
Der Dünger dieser Viehzucht reichte kaum zur Beſtellung der dauernd genutzten
landwirtſchaftlichen Fläche aus, zumal der Weinbau große Quantitäten erforderte. Die
Nutzung der Schiffelfläche ohne Dünger bedeutete mithin eine bedeutende Ergänzung
der landwirtſchaftlichen Produktion.
Fernerhin dürfen wir die damalige Kapitalarmut nicht vergessen. Die dauernden
Kriegszüge, die das Saartal immer wieder zerſtört und finanziell zugrunde gerichtet
haben, hatten große Kapitalarmut unter der däuerlichen Bevölkerung zur Folge. Die
Schiffelkultur erforderte wenig Kapital. Der primitive Holzpflug und die Hacke wurden
in der naturalen Hauswirtſchaft ſelbſt hergeſtellt. Der Erlös der Schiffelernte bedeutete
oft die einzige, größere Geldeinnahme des ganzen Jahres. Somit können wir auch
verſtehen, daß der Schiffelkultur sſo hohe Bedeutung zugelegt wurde.
Die Schiffelkultur iſt heute aus verschiedenen techniſch und kommerziell ökonomischen
Gründen verſchwunden. Mit der modernen Gerberei wurden die Lohhecken überflüſſig
und durch schneller wachsende Tannen- und Fichtenwälder verdrängt. Die ehemaligen
Schiffelflächen verſchwanden somit ebenfalls. Dazu kam noch, daß die Schiffelkultur
mühsame Arbeit erforderte, die oft in einem regneriſchen Jahre, sſo 1816, vergebens
geleiſtet wurde. Ein Hektar Schiffelland erforderte für das Schiffeln 40 Arbeitstage, das
Aufsetzen und Brennen 16 Arbeitstage, Aſche aussſtreuen 8 Arbeitstage, Säen und Be-
stellen 10 Arbeitstage, zuſammen 74 Arbeitstage.
Diese Aufwendung von Arbeitskraft wurde mit der Entwicklung unserer Saar-
industrie zu teuer, da dort ein höherer Verdienst erreicht wurde und ein umſchwung
in den Landarbeiterverhältnissen eintrat. Sodann trat die moderne Agrikulturchemie
ihren Siegeszug in der Landwirtschaft an. Der Bauer, der früher zur Schiffelkultur
greifen mußte, konnte jetzt künstlichen Dünger in Anwendung bringen und manches
Landstück in dauernde landwirtſchaftliche Nuzung nehmen. Von der extensiven Wirt-
ſchaft konnte er so zur intensiven freien Wirtschaft übergehen. Vor allem waren es
aber die Agrarkriſen des vorigen Jahrhunderts, die durch niedrige Fruchtpreiſe be-
sonders von 1860 ab, dieſes Verfahren unrentabel gestalteten, ſodaß die Schiffelkultur
an der unteren Saar heute vollkommen der Bergangenheit anheimgefallen ist.
Die erſte Bergſchule im Baargedbiet.
Von H. P. Buchleitner.
Durch den traurigen Ausgang der 1789er Revolution waren die reichen unter-
irdischen Kohlenfelder unserer Heimat samt einer größeren Anzahl damals bereits
in Blüte stehender Gruben zum erſten Male in die Hände des französſiſchen S'aates
gekommen. Nachdem der neue Besitzer der ehemals fürstlichen Gruben dieselben seil 1793
auf Rechnung des Staates betrieben, wurden sie 1797 an Privatgesellschaflen verpachtet;
dasselbe 1war mit den Eiſenhütten der Grafschaft der Fall. Weil zu Ge i s lau t e r n (bei
Völklingen) sowohl Kohlengruben wie auch eine Eisenhütte beſtanden, hielt man diesen
Ort für geeignet, hier eine „Ecole pratique des mines“ zu errichten und zwar vorzugs-
weise für den Unterricht im Steinkohlenbergbau und im Eiſsenhüttenbetriebe. Sie
sollte nach dem Muſter einer 1802 zu Pesey bei Moutier in Frankreich eingerichteten
Schule für den metallischen Bergbau geſſchaſfen werden. Da nun die Geislauterner Eisen-
hütte am 1. Januar 1807 pachtfrei geworden war, wurde dieselbe nicht, wie andere
landesherrliche Eiſenhütten, veräußert, sondern für staatliche Rechnung in Betrieb ge-
nommen. Mean wollte auf der Hütte, die damals schon einen rentablen Betrieb ent-
faltete, zwei neue Hochöfen erbauen, die ausschließlich mit Koks betrieben werden
sollten; weil nun die Kohle der Geislauterner Grube trotz aller Verſuche keinen brauch-
baren Koks lieferte, wollte man außer dieſer Grube noch die Grube Dudweiler aus-
schließlich den Zwecken der Bergschule vorbehalten. |Mit der Verwirklichung des seil 1807
bestehenden Planes begann man 1809; an dem linken Ufer der Roſsel wurde mit dem
Bau des ſchloßartigen Gebäudes begonnen. Bereits war auch der Ingénieur en chek
des mines Duhamel zum Directeur général der Schule ernannt worden. Jedoch durch
die Kriege Frankreichs einerſeits, wie wohl auch wegen Mangel der erforderlichen Geld-
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