Saarkalender für das Jahr 1926
Saarbrücken, 2/3 22.
Lieber Regimentskamerad
Deinen herrlichen Brief v. 27/2 erhalten. Recht vielen Dank. / Ireue mich über das Dorwärtsgehen unſerer
Sache. Du haſt ganz vergeſſen, mir Deinen Empfang dort zu erzählen, das geſchäftliche Telegramm habe ich
erhalten, aber es ſcheint mir, daß ein Schreiben noch fehlt. Na, alles möglich bei dieſer Unordnung im Ver-
kehr, die unſere Unterdrücker herbeigeführt haben. Hoffentlich bald nicht mehr lange.
Hier alles wohl; Alarmtelegramme noch nicht an beide Freunde angekommen, aber wir halten uns bereit.
Streik geht hier weiter, welches Halloh Fall Hektor, na, alles nähere bei Rückkehr, erwarte mit Sehn-
ſucht weitere Nachrichten. ?
In alter Treue mit einem feſten Sturmgruß
Dein
Rollin.
5/4 253.
Lieber Herr K.
Brief heute morgen erhalten. Freue mich, daß Sie gut gelandet ſind.
Adreſſiere alles unter Namen der Wirtin, auch Telegramme. Iſt ſie Franzöſin oder deutſcher Abſtammung?
Thef fährt Montag nach dort und Rendez-vous iſt gegeben 214 Uhr nachmittags auf der Wilhelmbrücke
(Pont St. Guillaume).
Ich fahre ebenfalls hin, wenn möglich komme ich ſchon Sonntag (nicht Samstag). Werde Ihnen Ankunft
telegraphiſch mitteilen. (Adreſſe an Ihre Wirtin. Genau inſtruieren, a lle s h at g e k l a p p t. Alles
mündlich. Anbei Zeitungen. Volksſtimme hat kein Wort dazu geſagt. Saarbrücker Ztg., Landeszeitung
und Volksstimme ſind von heute auf 8 Tage verboten, wegen anderer Artikel.
Guten Mut
Mit beſten Grüßen
Rollin.
2/8 23.
Werter Herr Kennel
Am Tage nach meiner Rückkehr erhielt ich Ihre Nachrichten. Ich war ganz erſtaunt, daß die Angelegenheit
in Bonn noch nicht geklappt hatte. Aber die Militär nehmen ſich Zeit. Ich habe ſofort an den Commissaire
in Bonn geſchrieben, er möchte ſich erkundigen, ob Ihre Einſtellung erfolgen wird oder nicht und mir ſofort
Beſcheid geben. Die Antwort konnte jedoch bis heute noch nicht hier ſein. Aber es wird ſchon gehen müſſen,
wo ſoviele Stellen frei ſind im Rheinland. Hier iſt Amneſtieerlaß vorhanden, jedoch nach dem deutſchen Gesetz
können nur die rechtskräftig erkannten Strafen erlaſſen werden. Die Angelegenheit geht ihren Gang, Urteil
wird gefällt werden und ſofort amneſtiert. Dann ſteht Ihrer Rückkehr nichts mehr im Wege. Vorher könnte
dieſelbe den Richter etwas ſtuzig machen. Nach den Ferien wird alles erledigt werden. :
Herr Direktor und Präſident ſind in Urlaub, ich werde anregen, daß Ihnen nach deren Rückkehr eine
entſprechende Gratifikation gegeben wird. j
Soweit es in meinen Kräften ſtand, habe ich Ihrer Frau Gemahlin das Nötige gegeben. Alſo guten
Muts, bewahren Sie Ihre Nerven, wenn Sie etwas nötig haben, teilen Sie es mir in offenherziger Weiſe mit.
Beſten Gruß Rolli
ollin.
Karl, Graf von Bildſtolk. Ein Geſschichtchen aus alter Zeit, da man in dem Manne mit dem Adels-
prädikat einen Bürger höherer Ordnung zu ſehen pflegte, ſei der Dergeſſenheit entriſſene. Es können ſchon
etwas mehr als 30 Jahre verſtrichen ſein, da gab es einen Bergmann Karl Graf in Bildſtock, der, weil er
etwas auf ſich hielt und Iunggeselle war, von dem ledigen beſſeren Geſchlechte gern geſehen wurde. Er tief
aber dem letzteren nicht ins Garn, sondern bildete ſich zum Lebenskünſtler aus. Alljährlich nahm er iich
acht Tage Urlaub auf der Grube und verſchwand. + Nun mußte eines Tages ein Steiger eine Kur in
Wiesbaden antreten. Als dieſer ein Hotel betrat, kam aus demſelben in eleganter Kleidung und untler
Derbeugungen des Hotelperſonals sein Landsmann Graf. Der Steiger frug den „Ober“, ob er den Herrn
kenne. „Ia gewiß,“ ſagte der Ober,“ ,das iſt ſeine Gnaden, der Graf von Bildſtock, der jedes Iahr hiec
abſteigt." Der Steiger ſah ſpäter im Fremdenbuche die Eintragung: Karl Graf von Bildſtolßk. Der Spaß
gefiel ihm, er trank eine Flaſche Wein mit dem heimatlichen Grafen und beide lachten herzlich über ocn
qut durchgeführten Einfall.
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