Saarkalender für das Jahr 1926
Dans goldene Hchwert.
Eine heitere Kriegserinnerung von Ernſt Paul.
Als im Bewegungskrieg 1914 das Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 17 in Frankreich
die Woewre-Ebene unsicher machte, von Conflans-Jarny bis Rouvres-Etain und bis Saulx
hatte der Wehrmann Emil R. in dem Gerümpel von Etain ein goldenes Schwert erwiſcht,
an dem von der Klinge nur noch ein etwa 10 em langer Stumpf übrig geblieben war.
Das Fur tſtück ſtammte nach unsever Ansicht auf alle Fälle aus dem Ritterſaal irgend
eines Schloſſes, denn seine ganze Verarbeitung zeigte einen wunderbaren künſtleriſchen
Prunk. Der Zweihändergriff funkelte in güldener Pracht, Knauf und Kreugsſtück zierten
gleißende Edelſteine, und der Klingenstumpf trug wunderbare Ziselierungen.
Kamerad Emil, obwohl ein einfacher Bergmann aus dem Saargebiet, erkannte selbſt
ſofort, daß sein Fund aus lauter Gold und Edelsteinen bestehen müsse. Viel Platz hatte
er als Infanieriſt, der sein ganzes Gelumps selber tragen muß, in seinem Torniſter
zwar nichi. Aber für dieſen Rekordfund mußte Platz geschaffen werden. Auf alle Fälle
war ſick. Emil darüber klar, das Beutestück nach Hause zu schaffen, und dann wäre aller
in Zukunft drohende Dalles vorüber.
Nach den aufregenden Gefechten von Hennemont, Riaville, Marcheville, Saulx, Cam-
plun erstarrte die Front im Stellungskampfe, und als dann Emils Kompagnie im No-
vemb:r in Allamont in Ruhe lag, gelang es ihm, ein paar Tage Heimatsurlaub zu er-
gattern. Sein Kattche war natürlich ganz verdattert, als Emil ihr feierlichſt erklärte:
„Kattche, das do tu gutt eweck, das hatt e Wert von mindeſschtens erer halwe Million.
Wenn de Krieg erom is, donn brauche mer nix meh ze ſchaffe. Awwer Kattche, ſahs
kennem, ſelwerſcht de Buwe net. Die brauche net en allem eromzeschnuuſe!“
Das Kattiche ſchwor feùierlichſt, nichts zu sagen und dann wurde das inzwischen fein
ſäuberlich gereinigte Fundobjekt in der Haarmatratze des Vaterbettes versſteckt. Nach
fi haar Tagen §iro Emil dann wieder zur Front; er hatte ja die „goldene Zukunft“
icher uutlergebrocht.
Nun begann aber für das arme Kattche eine wahre Höllenqual. So was ſchönes
zu wiſſen und keinem Menſchen etwas sagen zu dürfen, das war denn doch eine zu starke
Belaſtung ihrer weiblichen Naturanlage. Was tät sich doch das hochnäsige Liesbeih
giften, wenn das erführe, wie reich ietzt das Kattche wäre. Und was tät sich. das Minche
freuen; denn geteilte Freud iſt a doppelte Freud. ~ Kattche ſaß wie sſo e Krott auf der
Hechel. Am nächſten Sonntag erfuhr denn das Marieche als allererſte das Geheimnis.
Ach, wie war doch da dem Kattche ſo leicht zu Mute. Uebrigens hatte ja das Marieche
feierlichſt beschworen, keinem Menſchen etwas zu verraten. Nun hatte aber das Marieche
die Pein und ihr mußte das Minche die Laſt des Geheimnisses tragen helfen. Natürlich
wollte auch dieſe nichts verraten.
Ein paar Tage darauf lief bei der Gendarmerieſtation in Forbach ein anonymes
Schreiben ein des Inbalts, der Bergmann Emil R. habe aus Frankreich ein goldenes, mit
Edelsteinen beſetztes Schwert nach Hauſe geſchafft im Werte von einer halben Million.
Oweh, Kaltche! Es dauerte auch nicht lange, da nahm der Ortsgendarm ſie ins Kreuz-
verhör und, was das ſchlimmſte dabei für sie war, er wußte geradezu alles, sogar das
Versteck in der Haarmatratze war ihm bekannt. Kattche war perplex ob dieser Allwisſsen-
heit des Hülers der öffentlichen Ordnung. Ihr Respekt vor dieſem wuchs ins Grenzen-
loſe. Wo hatte der nur seine Allwissenheit her; sie hatte doch niemand ihr Glück ver-
raten, einzig und allein nur dem Mariechen, ihrer allerbeſten Freundin!
Ter Gendarm wickelte das Schwertſtück gut ein und brachte es nach Forbach. Bon
dort nahm es seinen Weg nach Schloß Haut-Mercy bei Metz, dem Stabsquartier des
Ersatzbataillons des L. J. R. 17. Der Bataillons-Kommandeur, Oberſtleutnant G., war
ſeltstverſtäntlich Kenner genug, um den Fund als ein Objekt von ganz außerordentlichem
Wert anzuſehen. Enlsprechend seinem hohen Wert durfte das Beuteſtück nur in dem
Privatgenr:ach des Kommandeurs in einem eigens dafür gefertigten, massiven Kaſten
aufbewahrt werden. Dort ſollte es ruhen, bis das inzwischen anhängig gemachte Ber-
fahren gegen Emil keendet war. :
Dieser hatte keine Zeit, sich um seinen Reichtum zu kümmern. Er saß ſchon tief in
Ruſſsiſch-Polen und war bei der großen Hindenburgoffensive 1915 feste dabei, die Russen
vermöbeln zu helsen. An der Biala kriegte er aber seinen Brand. Es folgten die üblichen
Monate Lazarett, ein paar Wochen Geneſenenkompagnie in Fort Zaſtrow und zum Schluß
landete Emil bei der 1. Kompagnie des Ersatzbataillons in Belle Croix.
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