Saarkalender für das Jahr 1926
Blücher lachend, als er den Brief geleſen hatte, ,„ſchreibt da in einem Tone an mich,
als wenn ich Wunder was wäre; und sind doch so alte Freunde, der ehrliche Kerl! Die
Sache hat ihre Richtigkeit. Es iſt mir lieb, daß ich daran erinnert werde; ich habe Tie
rein über allen Trubel vergeſſen. Ich will mit ihm teilen; zwei Drittel muß ich, ein
Drittel soll mein vieljähriger Creditor bekommen; ich weiß selbſt nicht mal, wie viel
ich habe.“ – „Heinrich,“ sagte er zu seinem Leibjäger, „hole mir meine Chatoulle.“ „Das
iſt sur mich,“ sagte Blücher, indem er Rollen Gold herausnahm; dies für meinen Freund
in Münster,“ so fuhr er fort zu sondern und abzuteilen, und bezahlte gänzlich, was er
schuldig war. Er diktierte einen herzlichen Brief und übergab beides zur Beſorgung
dem Ueberbringer des Mahnbriefes. c
Ein Kandidat der Theologie hatte in dem Feldzuge 1813 als Adjutant des Generals
von Tauenzien eine Depesche an den Feldmarſchall zu bringen und fand denselben mitten
in einer heißen Schlacht an der Spitze der Truppen, ruhig kommandierend und ſeine
Pfeife rauchend. Auf derselben Stelle bleibend ſchrieb er auf dem Sattelknopf mit Blei-
ſtift sſcine Befehle unter die Depesche. Während der Zeit flogen die feindlichen Kugeln
um die Köpfe so, daß dem Kandidaten etwas unheimlich zumute wurde und er mit dem
Kovfe bald zur Rechten, bald zur Linken auszuweichen ſuchte. Blücher bemerkte dies
und sagte: „Sie tun den blauen Bohnen zu viel Ehre an, daß Sie vor ihnen sich bücken.
Wenn sie merken, daß Sie vor ihnen solchen Respekt haben, werden sie immer dreiſter
Man muß sie dreiſt anſehen! Audacem fortuna jurat sagt der Lateiner. Hier, Herr
Leuinant, iſt die Antwort, machen Sie, daß Sie fortkommenl!“
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In einem der Spiel-Salons zu Paris, welche die berühmtesten Notabilitäten nach
dem siegreichen Einzuge der Alliierten beſuchten, befand sich auch unter den im rouge
und noir Mitspielenden der Sohn Blüchers. Lange begünſtigte ihn das Glück auffallend,
und der immer neue Gewinn wuchs bereits zu einem bedeutenden Goldhaufen, als ihn
der Bankier fragte, ob er nochmals das Ganze als Einsatz ſtehen lassen oder ob er
zurückziehen wolle. Der junge Blücher schwankte; er schien auf einmal der thm
gclächelten Glücksgöttin zu mißtrauen und wollte sich eben für Letzteres erklären, als
sein plötlich hereintretender Vater, der des Sohnes Schwanken bemerkte, mit der
Hand auf den Spieltiſch schlug und ausrief: „Kein Blücher retiriert ~ es gilt!“ Der
Bantier, überrascht über diese Erscheinung und die entschiedene Sprache, mochte seinen
Kunſtgriff im Abſschnellen der Kugel versehen haben, denn der junge Blücher feierte
mit den: neuen Siege die reichſte Goldernte.
Aus den Papieren der Familie Rallé.
Der tapfere Hofprediger Rollé. Thomas Balthaſar R o Il é, Fürstlich Nassau-Saar-
brückiſcher Hofprediger, Konsiſtorialrat und Superintendent, der in Saarbrücken von
1742-1780 lebte, war ein Priester, der keine Furcht kannte und das Wort Gottes auch
vor dem damals unumſchränkt im Lande herrſchenden Fürſten zur Geltung brachte. Er
fühlte sich in seinem Amte durchaus nicht als der kriechende „Untertan“, sondern als
Diener und Verkünder des Evangeliums in seiner ganzen Fülle der Gnade, aber auch der
Strenge. In den Papieren eines seiner Nachkommen findet sich nachſtehender Bericht über
kiney Vorfall, der uns zeigt, mit welchem sittlichen Ernst der Hofprediger vorzugehen
wagte.
„Die Mätresse des letzten regierenden Fürsten Ludwig drängte sich in der Schloß-
kirche in den Kirchenstuhl der verſtorbenen, sehr edlen Fürſtin. Superintendent Rollé,
ein energiſcher Herr, auch als Dichter sinniger Kirchenlieder bekannt, rieſs ihr in heller
Entrüſtung das Donnerwort zu: „Hure, weiche d einer Fürſtin !“ Sie verließ
augenblicklich die Kirche, eille in Wut zum Fürsten, Revanche fordernd für angetanen
Schimpf. Serenissimus ließ sofort den wackern Paſtor vor ſich fordern, willens, ihn mit
eigener Hand zu erſchießen, zu welchem Zwecke er seine koſtbaren Waffen vor ſich legte.
Die zahlreichen Freunde des bedrohten Mannes baten dringend, dem Rufe des leiden-
ſchaftlichen Mannes nicht zu folgen, bis die erſte Hitze verraucht. Vergebens! Mit den
Worten: „Jch bin gerufen, ich werde gehen !“ trat er im Ornate den Gang
ins Schloß an, seine Bibel, die einzige Waffe des treuen Pfarrers, im Arme. Furchtlos
ſchritt er durch die bleiche Schar der Höflinge. Man öffnete ihm das Gemach des ſich
beleidigt fühlenden Souveräns, der an einem Tiſche ſtehend ihn empfing, die Pistolen
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