Saarkalender für das Jahr 1926.
Nenes aus dem Baarbriücker Btadtarchiv.
Von Prof. Dr. h. c. Ruppersberg.
J:
Nafſau-Sa arbrück en im siebenjährigen Krieg.
Als Friedrich der Große im Jahre 1756 durch einen Einmarſch in Sachſen die Ver-
nichtungspläne seiner Feinde zu vereiteln suchte, wurde dieses Vorgehen von dem Reichs-
kammergericht als Landfriedensbruch bezeichnet, und der kaiserliche Notariar April erhielt
den Auftrag, dem preußiſchen Gesandten beim Reichstag zu Regensburg, Baron v. Plotho,
die gegen seinen König ergangene Achtserklärung zu ,inoinuieren“. Doch dieſer ließ den
Rotarius mit der lakoniſchen Gegenrede: „Was? Er inoinuieren?“ die Treppe hinuntec-
werfen. Dieses energiſche Auftreten machte den Herrn v. Plotho, als er zur Königs-
krönung Joſephs II. i. J. 1763 in Frankfurt erschien, wie Goethe erzählt, bei der reichs-
sſtäd.iſchen Jugend sehr populär. Aber der Fürst von Nassau-Saarbrücken gehörte zu den
Feinden Preußens, wie das folgende Schriftstück beweiſt.
„Nachdem Ihro Römische Kayſserliche Mayestät ſchon unterm 22ten Aug. a. eurr.
wiederholte allergnädigsſt befohlen haben, daß Niemand in dem gantzen Heiligen Römiſch
Reich, wes Standes oder Wesens er auch ſeyn möge, bey dem König in Preußen und Chur-
fürsſten von Brandenburg längerhin sich aufhalten, in derselben und seinen Helfershelfern
Tienſste bleiben oder eintreten, auch keinem von seinen Anhängern und Bedienten einigen
Aufentl;alt oder Unterſchleif gestatten ſolle und zwar bey Verminderung derer, in denen
Reichs.:Gejetzen auf Leib, Ehr und Gut verordneten Strafen, als wird solches jedermann
und beſonders denen Unterthanen der hiesigen Grafschaft zur schuldigsſten Nachachtung
und Vermeidung derer angedroheten Strafen hiermit bekannt gemacht. Saarbr. den
4. 8bris 1757.“ Fürſtl. Oberamt hieſselbſt.
Vier Wochen später schlug Friedrich die Reichsarmee und die Franzosen bei Roßbach,
und das Volk sang: „Und wenne der große Friederich ;
Nur klopft auf seine Hosen,
So läuft die ganze Reichsarmee,
Panduren und Frangzoſen.“
Bei Roßbach mußten übrigens Saarbrücker Husaren (Volontaires Royaux de Nassau-
Saarbruck) auf der Seite der Franzosen fechten, aber es war hier wenig Ehre zu gewinnen.
Die Hiebe der ungestümen Seydlitz-Kürassiere trafen Schuldige und Unſchuldige mit
gleicher Wucht. Das kleine ohnmächtige Fürſtentum mußte sich fügen, der Zwerg dem
Kieſen. Muß iſt eine harte Nuß! Am Neujahrstage 1759 zog das Regiment Nassau-
Infanterie als das erſte in der Reichsſtadt Frankfurt ein, nachdem es sich mit Liſt und
Gewalt der Tore bemächtigt hatte, und focht in demselben Jahre bei Bergen, wo die
Franzoſen siegten, ein Erfolg, der zu dem bekannten Konflikt zwischen dem preußiſch
gesinnten Vater Goethes und dem Königsleutnant Thorane führte.
Vertilgung un d Begnopri guns der Spatzen in der Sa arbrück er
ürſtengei.t.
Zur Vertilgung der Sperlinge und Krähen werden die Einwohner heute noch in
jedem Frühjahr durch den Bürgermeister aufgefordert, aber die Befolgung dieſer Maß-
regel iſt eine freiwillige Leiſtung. Anders war es zur Fürsſstenzeit. Da m u ßte jeder
Bürger an dieſem Vernichtungskrieg teilnehmen. Um dies zu verſtehen, müssen wir uns
daran erinnern, daß Saarbrücken und St. Johann damals noch Ackerſtädtchen waren.
Faſt alle Bürger trieben neben ihrem Gewerbe etwas Landwirtſchaft, hatten Gärten und
Felder, hielten Kühe und Schweine, die frühmorgens von den Hirten zur Weide getrieben
wurden.*) Die Bürger bestellten selbſt ihre Aecker, und Sonntags nach der Kirche gingen
sie im schwarzen „Bandel“ hinaus und betrachteten, wie „Spreben“ (Staare) die Felder
ummwandelind, ihre Saaten; daher besonders die St. Johanner Bürger die Spreben ge-
nannt wurden. Die hungrigen Spatzen wurden durch die Obrigkeit geächtet und die
Bürger durch die folgende Verfügung zu ihrer Vernichtung verpflichtet.
„Nachdem Ihro Hochfürſtliche Durchlaucht sich gnädigſt bewogen gefunden. die in
anno 1747 wegen Vertilgung derer Spatzen schon ergangene Verordnung nach dem löb-
lichen Exempel der Nachbarſchaft dahin zu erneuern und wiedereinzuführen, daß fürohin
*) Im Jahre H740 wurden in /St. Johann 270 Kühe und 560 Schweine gehalten.
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