Saarkalender für das Jahr 1926
Aber das Verhältnis des Fürſten zu den Bürgern von St. Johann blieb gespannt. Die
Fürstensſtraße in St. Johann ſoll daher ihren Namen erhalten haben, daß der Fürst vei
seinen Ausfahrten diesen Weg außerhalb der damaligen Stadt St. Johann einſchlug
und so die St. Johanner ,,schnitt“.
Bald nachher fand der Fürst für gut, zwei Dragonerkompagnien zu errichten und er-
suchte die Städte, hierzu einen ,freiwilligen“ Beitrag von 75 Malter Hafer, 10 Millier
Heu und 500 Gebund Stroh auf zwei Jahre zu geben. Als aber der Bürgeraussſchuß
fich nicht geneigt zeigte, schickte er den Großmajor Kleber auf das Rathaus mit dem
Bemerken, daß er nichts aus Zwang wolle und deshalb von der Lieferung nicht weiter
die Rede sein folle. „Man verstand aber dies wohl“, und so bewilligte jede Stadt 50 Quart
Hafer und die gewünschte Menge Heu und Stroh. Die Herrlichkeit mit den Dragonern
bauerte kaum ein Jahr, da wurden sie in eine Kompagnie Infanterie verwandelt. Im
nächsten Frühjahr aber wurden die fünf Kompagnien auf zwei vermindert: die Leibh-
kompagnie und die Gardedragoner; die letzteren und die 80 Mann ſtarke Kreis-
Eompagnie lagen in Saarbrücken, die Leibkompagnie, 60 Mann stark, in St. Johann.
Am 20. Oktober dieſes Jahres kam wieder ein Antrag des Fürsten: er beabsichtige, seine
Gardedragoner mit etlichen Mann zu verstärken, weil seine Gemahlin den Wunſch
geäußert habe, auf ihren Promenaden von diesen eskortiert zu werden. Dazu seien fur
das Jahr 1775 90 Millier Heu, 1300 Gebund Stroh und 250 Malter Hafer nötig, welche,
auf die drei Grafschaften und die beiden Städte verteilt, nur ein kleines Objekt aus-
machen würden. Er zweifle nicht, daß seine getreue Stadt Saarbrücken mit Vergnügen
dieſen kleinen „Beiſchuß“ leiſten werde. Die Städte bewilligten auch 22 Millier Heu,
62 Malter Hafer und 325 Gebund Stroh mit dem Wunſche, daß dies wirklich nur auf
ein Jahr gelten sollte, was der Fürſt auch durch einen Revers versicherte. Im Jahre
1776 finden wir, daß die Gardedragoner sich in eine Kompagnie Leibjäger zu Pferde
verwandelt hatten. Diese wurde aber im März des folgenden Jahres aufgelöſt und am
1. Juli sämtliche Soldaten zur Erleichterung der durch Mißwachs und Teuerung in
Rückstand gekommenen Bürger bis auf 40 Mann = die Kreiskompagnie ~ entlassen,
worauf die Bürger die Wachen wieder selbſt übernehmen mußten.
Fahnenflucht (Desertion] kam bei dem fürstlichen Militär sehr häufig vor, da der
Dienst streng und langwierig war. Und an Gelegenheit fehlte es nicht, da die Herrſchaft
Blieskastel bei Rentriſch und das Pfalz-Zweibrüclriſche Gebiet bei Rohrbach leicht zu er-
reichen war. Der Fürſt schloß deshalb im Jahre 1790 mit dem Herzog Karl von Pfalgz-
Zweibrücken und der Gräfin Marianne von der Leyen besondere Karteilverträge über
die gegenseitige Verfolgung und Auslieferung von Deserteuren. Wenn ein Deserteur
gefaßt wurde, so erging es ihm ſchlecht. Er mußte „Spießruten laufen“, d. h. er wurde
mehrmals mit entblößtem Oberkörper durch eine von zwei Reihen seiner Kameraden
gebildete Gasse gejagt, und diese schlugen mit Ruten auf ihn ein. Oft ſank der Ver-
urteilte blutübersſtrömt ohnmächtig zuſammen. Dann folgte längere Feſtungshaft mit
schwerer Schanzarbeit. :
Daß es auch in Saarbrücken so war, darüber unterrichtet uns ein bei den ſtädtiſschen
Akten befindliches Schriftstück. Vorher iſt zu bemerken, daß das damalige Hoſpital (die
spätere Dragonerkasſerne am Ludwigsplatz) zugleich Zuchthaus war.
„Actum verhandelt bei der Hoſspitalverwaltung, Saarbrücken den 27. Junii 1787.
Meldete der Zuchtmeiſter Gros, es habe ihm der Adjutant Keller die Ordre Serenissimi
Hochfürſtlicher Durchlaucht überbracht: es werde morgen ein Spießruten gejagter
Deserteur von der Fürstlichen Garde zu Pferd namens Müller zu dem Ende ins Zucht-
haus gebracht werden, daß er nicht in einem Zimmer der Züchtlinge, sondern ſo lange,
bis er geheilt seyn würde, in einem Zuchthaus-Gefängnis verwahrt und Züchtlingskoſt
erhalten sollte; wo im übrigen ihme Zuchtmeisſter und dem Spitalvater Huß überlasſen
biiebe, ihn, ſo gut sie immer könnten und wollten, zu verwahren, weil sie beide ihn,
wenn er durchginge, bezahlen müßten.“ In fidem Zur Beglaubigung)
Schmidt (Hoſpitalverwalter).
„Actum ibidem (ebenda) den 28. Junii 1787.“
„Meldete der Zuchtmeiſter Gros, der qu. Deserteur seye heute Vormittag ins Zucht-
haus gebracht und teils von ihm, teils von dem Turmhüter Meier an einer Hand und.
einem Fuß geſsſchloſſen, auch außerdem noch mit einer Kette an die Wand befestigt
worden.“ ; In fidem Schmidt.-
„Continuatum (fortgesetzt) den öbten July.“
„Zeigte der Zuchtmeiſter Gros an: es seye heute früh um 4 Uhr der beſagte Müller
zur Schanzarbeit durch Soldaten aus dem Gefängnis wieder sbucholt wordey.. dt
n tfidem Schmidt.
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