Saarkalender tür das Jahr 1925
die den Vortrupp bildeten, einen nervöſen Eindruck machten, als die Menge ſie ſchweig-
ſam von rechts und links ansah, als hieße das: Was wollt ihr denn eigentlich . . . ?!
Ein einziger soll dabei Vive la France gerufen haben, wofür ihn die Menge handgreiflich |
zur Tagesordnung zurückgerufen haben soll. Kurz nach dieſem Einmarſch traf bei dem
Bürgermeister von Saarlouis folgendes Schreiben von einem Major Tuffrau ein, der
mit seinem Nachtrupp in Ueberherrn wartete:
* Uebersetzung.
22. November 1918, 19 Uhr.
Major Lazard an den Bataillonschef Major Tuffrau.
Ich erhailte folgende telephoniſche Mitteilunn. Der General Lecomte mwünſcht gu
erfahren, ob die Stadtverwaltung von Saqjarlouis ihn mit den franzöſiſchen Truppen freiwillig -
und ohne Druck von unserer Seite am Eingang der Stadt empfangen will.
. Ich muß Ihre Antwort ſchleunigſt an E. M. in Ueberherrn ſchicken.
gez. Lagzard.
Die Stadtverordneten antworteten darauf:
Die Staldtverſammlung von Saarlouis bedauert lebhaft, den Herrn General Lecomte mit
seinen Truppen nicht amtlich empfangen zu können, weil deutſche Generale und deutſche
Truppen bisher miemals amtlich empfangen worden ſind.
Am 23. November, nachmittags 3 Uhr, rückten die französischen Truppen parade-
mäßig ein, keineswegs amtlich und auch keineswegs freundlich von der Bevölkerung
empfangen. Eine damalige französiſche Notiz äußerte sich ſelbſt wörtlich: „Der Eindruck
der Aufnahme war kalt!“ Der General mußte sich perſönlich zum Rathaus, ja bis zum |
Sitzungsſaale bemühen, wo er dann dort in längerer Rede von den „Schandtaten der
Deutschen“ das alte, weltbekannte, französiſche Märchen auftischte, und ſchließlich über
die Befreiung der Stadt von preußiſchen Tyrannen ſprach. Dem Wald der Bajonette,
der drunten vor dem Rathaus auf dem großen Marktplatz drohte, gehorchend, erklärte
man knapp und ſachlich, daß ſich die Stadt Saarlouis mit dem Vorhandensein der Be-
satzungsmächte abfinden werde, und daß man. gewillt sei, mit ihr in beſtem Ein-
vernehmen zu arbeiten.
Schon in dieser erſten Besatzungszeit setzte eine rege französſiſche Propaganda ein,
die mit einem Anſchluß-Geſuch des Kreiſes Saarlouis nach Frankreich binnen kurzem
rechnete. Nach den Ansichten der zurückgekehrten Wallerfanger Familien Fabvier und
Villeroy befand man. sich in einer alten, französiſchen Stadt. Und so versuchten alle fran-
zöſiſchen Autoritäten fort und fort, ihre lieben Freunde, Frankophile, zu fischen. Tat-
ächlich ließen sich einige Kaufleute mit französischen Machenschaftlern ein. Ein paar
ganz schlimme Knaben, der Zahl nach drei, sollen ſogar bei einer Pariſer Kerzen-
prozeſſion beteiligt gewesen sein. Einer von ihnen soll sogar Hand in Hand mit Poin-
caré geſtanden haben. Wieder ein anderer hat vom Schutzmann bis zum Regierungs-
beamten Karrière gemacht. Mancher ſah sich ſchon als Minister, bevor der störende Treu-
deutsche, der den Posten einstweilen. bekleidete, beseitigt oder ausgewieſen war. Zum
Teil waren diese Gestalten noch nicht einmal geborene Saarlouiſer. Es waren Geldmacher,
die das nationale Kleid wechselten, wenn es galt, Heereslieferungen und dergleichen |
!!: Ylſe HeſHätthcn z: Irgther: Doß Sosrlouis eine frangöſifche Gringung ift; Joltte ut
Dr. Hektor (Minister k ſuzants en Eigenfchaft. ? B:raetnee. Irölich tj
brauchte, als er folgenden. Brief eigenmächtig nach Paris ſandte:
. . . Bürgermeister und Stadite watt QS; Stadt Saarlouis drücken die feſte Hoffnung
!!; t6h Frantreuz i hr e Stadt . . . in der Erlangung ihrer hiftorichen Rechte unter-
Zu diesem Schritt, der durch den bekannten Hektor-Franke-Prozeß der breiten
Oeffentlichkeit ins rechte Licht gerückt worden ist, haben die Stadtverordneten niemals
eine Ermächtigung erteile. Als Minister mußte Hektor endlich diese Tatsache ein-
geſtehen, um auf der anderen Seite durch Eid zu leugnen, einen solchen Brief nach
_ Paris geſchickt zu haben. Seinem unlauteren Ehrgeiz war damit die Bahn endgültig
verſperrt.
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