Saarkalender für das Jahr 1925
es der Neunkirchener Poliziſt wohl dabei. Die Fall zu Protokoll genommen wurde. Einige |
Schwimmer kamen um 11 Uhr abends mit ihrem Tage ſpäter erhielt er einen Strafbefehl von
Fähnlein wohlbehalten hier an. Beim Verlaſſen 15 Fr. wegen groben Unfugs! Herr Sch. jun.
des Bahnhofs wurden sie von etwa 20 Vereins- erhob Widerspruch dagegen und beantragte
mitgliedern, Verwandten und Freunden emp- richterliche Entscheidung. So kam der Fall vor
fangen und beglückwünſcht. Doch des Lebens das Schöffengericht. Rechtsanwalt Dx. Sender,
ungemiſchte Freude wird keinem Sterblichen der den Angeklagten verteidigte, ließ seinem
zuteil! In den Siegesjubel und die Wieder- bekannten Schneid in solchen Angelegenheiten
fehensfreude donnerte plötzlich ein Ziviliſt, der den friſcheſten Lauf. Ihm, ja überhaupt der
ſich dann als Kriminalschuzmann vorſtellte, den ganzen Verhandlung zuzuhören, war für den
Befehl: „Tun Sie den Lappen runter!‘ Mit deutſchen Saarländer ein wahres Vergnügen!
dem „Lappen“ meinte er natürlich das Fähnlein Der Amtsanwalt beantragte selbſt Freiſprechung.
des Schwimmvereins. Eingedenk der Lehre Das urteil lautete demgemäß. Zuerſt hieß es,
Chriſti: „Gehorchet der Obrigkeit, die Gewalt die Polizeidirektion habe Berufung gegen das
über euch hat“ ~ beeilte ſich der Fahnenträger, freiſprechende Urteil eingelegt, und wenn wir
Herr Sch. jun., den Wimpel herunterzutun und Glück gehabt hätten, ſo wäre das Oberster
in die Taſche zu stecken. Damit war der. „Fall‘ Gericht in Saarlouis wohl noch zuſammen-
aber noch nicht erledigt, denn auf dem Heimwege getreten, um über einen Fall zu beraten, an
wurde Herr Sch. jun. an der Apotheke in der dem beinahe das ganze Treuhändengebiet bis
Kaiſerſtraßze von dem Kriminalbeamten noch in die Grundveſsten erſchüttert oder vielleicht
einmal angehalten. Er mußte den Wimpel über- gar zusammengebrochen wäre. Die Peolizei-
qeben und mit zur Polizeiwache, woselbſt der direktion beruhigte sich aber, und wir auch!
TREE
Die erſte ſchwarz-rot-yoldene fahne
im Haargedbiet.
Die Blechfahne am St. Fohanner Marktbrunnen 1848.
Don A. Z.
as Revolutionsjahr 1848 zeigt uns die ſonst ſo ruhige Bevölkerung des
Saargebiets in Aufregung, begreiflich für den, der ihre Seele kennt. Sie _
war zu allen Zeiten freiheitlich gesinnt, von dem Kern des Volkes darf
man dies. mit Sicherheit behaupten. Das Verlangen nach einem großen,
geeinten Reiche war hier schon im Beginn. der 40er Jahre des vorigen
Jahrhunderts sehr lebhaft. Es läßt sich leicht verſtehen für die Bewohner unserer lo
oft bedrängten Grenzgegend. Am 10. März 1848 wurde eine mit 742 unterſchriften
verſehene Adresse auf Beſchluß der vereinigten Gemeinderäte an den König nach Berlin
gerichtet. Dieſe Schrift gibt über die Auffassung der Bevölkerung Aufschluß, es heißt
Sarin u. a.: „Als Glied eines großen, in Einigkeit unbezwinglichen Volkes ſieht sich
der Deutsche vergebens nach einer gemeinsamen. Fahne um, um die er ſich ſchaaren
könnte, trachtet er vergebens nach einem Bande, welches die Kraft der einzelnen
Glieder verbände.“ . . „Dieser Zuſtand iſt verhängnisvoll für Deutſchlano. vor Allem
für uns, die wir an den äugßerſten Grenzen des gemein ſamen
Vatecloan des das Bedürfnis eines einigen, zum Schutze aller
seiner Kinder gekräftigten Deutſchlands vielleicht tiefer u n d
lebendiger empfinden, als im Herzen des Landes ſelb) ſt.“
Am 29. März 1848 veröffentlicht die „Saarbrücker Zeitung“ ein Telegramm, das
mit den Worten beginnt: „Gestern hat Se. Majestät der König die Nationalfarbe
Deutschlands angenommen, in einer Proklamation, wie mündlich, ſich ausgesprochen,
daß er ſich ohne Usſurpation an Deutschlands Spitze ſtellen werde, um dem deutſchen.
Volke Einheit und Unabhängigkeit zu bewahren.“ Großer Jubel begleitet die Kund-
gebung dieſer Meldung. Ein einiges Deutschland, dieser erhebende Gedanke erfüllt
alle mit großer Freude, wenn auch über den Weg zur tatſächlichen Erreichung dieſes
Zieles ganz unklare Vorsſtellungen herrschen. Die Nachricht beglückt, denn das Saartal
glaubt sich natürlich bei einem einigen Vaterland um vieles sicherer gegen den un-
ruhigen Nachbarn. Es hieß hier mit Recht: „Der hohe Deutsche Bund hat die
gerechten Erwartungen. der Nation auf nationale Geltung nicht erfüllt!‘. Nur mit
Mühe können ſachlich urteilende Männer die Heißſporne zurückhalten. Sie wollen
sofort, mit großen Farbtöpfen ausgerüſtet, nach dem Zollhaus ziehen und dort, den
Nachbarn zur Beachtung, die schwarz-weißen Grenzpfähle in ſchwarz-rot-goldenen
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