Saarkalender für das Jahr 1925
Ö dem verehrten Leser die Frage zu beantworten. Es war im Jahre 1879; ich war damals
cGenmainariſt. Unſer Geſchichtslehrer, Herr Direktor Dr. Schuſter, behandelte die fran-
göſiſche Revolution und kam auch an die Grafen von Nassau-Saarbrücken. Auf meine
Bemerkung, die letzte Gräfin von Ottweiler sei in meinem Heimatsdorfe geboren, frug
der Herr, ob ihr Geburtshaus noch stehe und wie es ausſehe. Da das Zeichnen eine
cVieblingsbeſchäftiqung von mir war, so fertigte ich in den Ferien eine Zeichnung in
meinem Taſchenbuche an und zeigte ſie ſpäter dem Herrn Direktor. Sie iſt heute noch
in meinem Besitze. Daß sie das Haus getreu wiedergibt, wird bezeugt durch einen
alten Fechinger Bürger, den „Schmeerjakob“, der damals sagte: „Das iſch awer sſo genau
gemolt, mr mennt, es wär abgeſschatt“. Ich habe dem ,„Saarkalender“ diese Zeichnung
gerne zur Verfügung geſtellt, damit auch die Nichtfechinger sehen, wie das Geburtshaus
des „Gänſsegretels von Fechingen“ ausgesehen hat.
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Das Lebensende des
Reichsgrafen franz Carl v. d. Leyen.
Von Hermann FJoſeph Becker.
Am 26. September 1775, etwa um die zweite Nachmittagsstunde, verschied in seinem
prunkvollen Residenzſchloß zu Blieskaſtel der letzte Regent des Landes, Franz Karl,
Reichsgraf von der Leyen. Noch war das Sterbeglöcklein nicht verklungen, als sich die
Todesnachricht ſchon überall durch Stadt und Dorf verbreitete und allenthalben im
Gebiete der Herrschaft die gleiche ungeteilte, tiefe Trauer auslöste. Und sie war auf-
richtigen Herzens, wiewohl auch des verblichenen Grafen Meinung über Volk und
Untertanenschaft zeitlebens mehr oder weniger von. den ungesunden, feudalen An-
schauungen seiner Zeit durchſeztt war. Doch hatten ihn wiederum so manche Züge
seiner ausnehmend sympathischen Perſönlichkeit gerade dem Herzen des gemeinen
Flannes nahe gebracht, daß dieser ihm auch umso weniger die Treue des Andenkens
chuldig blieb.
Franz Karl war eigentlich der erſte Regent aus dem Geschlechte der Edlen von der
Leyen, der nach mehr als hundert Jahren wieder einmal die herrſchaftliche Hauptſtadt
zu seiner dauernden Reſidenz erwählt hatte. Hier erweiterte und verſchönerte er nicht
nur das Schloß seiner Väter, er bereicherte auch das Städtlein um viel ſchöne und
ansehnliche Bauwerke im Zeitgesſchmack des sterbenden Rokoko und dem des Ueber-
ganges zum Klassizismus. Und ob er gleich der alten Residenz von Grund auf das
vornehme Gepräge einer rechten Fürsſtenstadt zu geben wußte, so tat er das doch keines-
wegs auf Kosten seines Volkes, dessen Steuerlaſten ſich im Gegensatz zu denen anderer
| QKleinſtaaten in durchaus erträglichen Grenzen bewegten. Dahingegen begann sich der
| Wohlstand des Landes wie der des einzelnen Untertanen trotzdem in fühlbarer Weise
zu heben. Eine Tatsache, die nicht zuletzt auf die Erschließung neuer wirtſchaftlicher
î Quellen und auf den Weitblick und den Einfluß, Mariannens, der Gemahlin des
Regenten, zurückzuführen bleibt. Unſtreitig fällt auch Blieskastels größter Aufschwung
und der Landherrſchaft vornehmste Blütezeit mit der Regierung Frang Karls und der Ö
Reichsgräfin Marianne zufſammen, deren Namen noch auf ferne Zeiten in Stadt und
Land fortleben werden.
Den Grafen, der sich neben den Regierungsgeſchäften mit Vorliebe in dem von ihm
î erlernten Drechſlerhandwerk zu betätigen pflegte, führte der Weg bald in diese, bald
in jene Werkstätte eines zünftigen Meisters, ein Weg, der ihn ehestens aus einer
Mteifen Hofetikette . heraus zu seinem Volke führte. Auch auf den öffentlichen und
privaten Bauſtellen war Franz Karl zu einer täglichen Erſcheinung geworden. Hatte
er doch noch einige Tage vor seinem Hinſcheiden gemeinſam mit dem Herzoglichen
Baudirektor Hautt aus Zweibrücken und seinem Kameralbaumeister Reheis den neuen
Kloſterbau besichtigt und an Hand der Pläne auch die Fortſchritte des Kirchenbaues
verfolgt.
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