Saarkalender für das Jahr 1925
29.
30.
Nach Pressemeldungen beträgt die Gesamt-
zahl der Beamten und Angeſtellten der
Saarregierung mehr als 12 000.
. Sept.: Die politischen Parteien des Saar-
gebiets fassen folgende Entschließung an die
Brüder im Reich: „Die politiſchen Parteien
des Saargebiets wenden ſich in dieser
ſchwerſten Stunde ihres Vaterlandes aus
arößter Beſorgnis um die Einheit des
Reiches und den Beſtand seiner Grenzmarken
an das gesamte deutſche Volk mit der
dringenden Aufforderung, die Reichsregie-
rung und ihre Bestrebungen zur Aufrecht-
erhaltung von Ruhe und Ordnung ſchon
um der augßenpolitiſchen Sicherung willen
mannhaft zu stützen. Faſziſtiſche und kom-
muniſtiſche Umsturzverſuche übernähmen vor
der leidensreichen Geschichte unseres Volkes
die nie wieder gutzumachende Verantwor-
tung für die außenpolitiſch bedrohlichste
Gefährdung aller deutschen Grenzgebiete.“
Sept.: Sitzung des Landesrats. Stellung-
nahme gegen die am 2. Mai eigenmächtig
in Kraft gesetzte Verordnung gegen das
nach §8 152 der Gewerbeordnung erlaubte
Streikpostenſtehen. F 152 der Gewerbe-
ordnung ist Bestandteil der Gesetze, die
nach § 23 des Saarſtatuts weiterhin im
Saargebiet Geltung haben. Erwähnt wird
in der Debatte, daß während des 100 Tage
währenden Streiks keinem Arbeitswilligen
ein Haar gekrümmt worden ſei, daß aber
dagegen zwei Streikende durch Arbeits-
willige getötet und zwei weitere ſo schwer
. verletzt worden seien, daß ihr Leben lange
in Gefahr ſchwebte. – Der Landesrat lehnt
weiter die Begutachtung der Besoldungs-
ordnung für die Kommunalbeamten ab,
man worill zunächſt wissen, was die Staats-
beamten beziehen, beſonders die aus-
län di ſ ch e n, worüber ſich die Regierung
ausſchweigt.
ert: dg !ar: Mark 241 395 000, Frane
Okt obe r.
Oktober: Der Rütliſchwur der Rheinländer.
In Köln nehmen über 100 000 Bürger an
einer Kundgebung teil für das deutſche
unteilbare Vaterland. Sie ſschwuren dem
Deutſchen Reiche und Preußen Treue:
„Rheinländer, nehmt euer Herz in beide
Hände und tragt es auf den Altar des
Vaterlandes!“ In der Resolution heißt es
u. a.: „Wer das Vaterland verrät und ſich
in niedriger Gesinnung fremden Macht-
Okt.:
habern anpassen will, steht jenseits der
Reihen, die Rheinland gebildet hat!“. ..
„In feierlicher Form erheben wir uns gegen
jeden Verſuch, unſer Recht auf Freiheit
mit Füßen zu treten und das wirtſchaftliche
und geiſtige Band zu zerſchneiden, das uns
mit dem ganzen Deutschland in guten und
böſen Tagen verknüpft.“
Die Regierungskommisſsion ordnet
auf Grund der ,„Ersatznotverordnung“ an,
daß die Einfuhr, auch in verſchloſſenen
Briefen, durch die Poſt unterſagt sei von
den periodischen Druckſchriften „Der Saar-
freund“, der „Wahre Jakob“ und der
„Simplizissimus".
.: Okt.:
. Okt.:
‘gerufen.
4. Okt.: Die Presse veröffentlicht einen Artikel
der „Daily News“, der für's Saargebiet
fordert: 1. Die Präſidentschaft muß jährlich
wechseln, 2. die drei ſog. neutralen Mit-
glieder der Regierungskommiſssion müssen in
der Tat unooreingenommen ſein und voll-
kommen frei, 3. das saarländische Mitglied
muß vom Volke gewählt werden, 4. die
französiſchen Truppen müſsen verſchwinden.
Die Presse bringt die Meldung, daß der
durch den Münchener Landesverratsprozeß
kompromittierte franzöſiſche Major Richert
in Saarbrücken nach einer Garniſon im
Innern Frankreichs abkommandiert Fei.
Die Regierungskommiſssion tritt im Schul-
wesen mit einem Entwurf hervor, der dar-
auf hinzielt, ihr den maßgebenden Einfluß
auf die deutsche Schule zu ſichern und damit
in die Verwaltungsrechte der Gemeinden
eingreift. Sie will u. a. auch das Mit-
bestimmungsrecht der Gemeinden bei der
Wahl der Lehrer ausſchalten. Rechte, die
bisher Schuldeputationen und Schulvorſtände
hatten, sollen Schulkommissionen, abhängig
vom Staate, übergeben werden. Das Wahl-
recht für Lehrperſonen würde damit faktiſch
Sache der Regierung sein. Proteſt der
Preſſe und Gemeinden gegen dieſe Durch-
löcherung des Versailler Vertrages.
Für die Kartoffelverſorgung des
Saargebiets stellt Deutschland 800 000
Zentner zur Verfügung. j
Die neue Gehaltsregulierung für die
Beamten der Saarregierung ruft große
Enttäuschung herdor.
75 Jahre Turnverein Saarbrücken
von 1848. Ohne Satzungen bestand der
Verein schon seit Juli 1847. Im April 1848
formell gegründet auf Anregung Konrad
Herrmanns, bekannt als ſaarländiſcher
Schriftsteller. 1849 unter politiſchem Druck
aufgehoben, 1860 aufs neue ins Leben
Die Jubelfeir am 6. und
7. Oktober verlief glänzend. Feſtkommers
mit begeiſterndem Festspiel von Redakteur
zren: Hrach Schauturnen, Feſstbuch von
eutheußer.
. Okt.: Die ständig zunehmende Teuerung
im Saargebiet bedrückt alle Volkskreiſe.
Die Presse aller Parteien beklagt die Lage
und fordert Abhilfe. Unter den Beamten
große Unzufriedenheit über die Gehalts-
regulierung der Saarbeamten vom 5. Okt.
„In 99 von 100 Fällen ergebe ſich, daß der
Beamte nicht mehr als 50~60 Prog. des
Friedenseinkommens habe, dagegen ſeien
Lebensmitte und Gebrauchsgegenstände
doppelt. und vielfach 3–4mal so teuer wie
im Frieden.“ Die politiſchen Parteien be-
handeln die Angelegenheit in ihren Ver-
sammlungen. Die HDeutſchdemokratiſche
Partei faßt dazu eine Entſchließung, in |
der es u. a. heißt: Die heutige Entlohnung
der unteren und mittleren Beamten und
der Arbeiter in ſtaatlichen Betrieben ent- |
ſpricht in keiner Weise den Teuerungs-
téezsuuten Or zzz u.!
Ein Hohn auf die soziale Gerechtigkeit iſt
es, die Teuerungszulage prozentual nach |
dem Gehalt abzuſtufen, so daß die höheren |
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