Saarkalender für das Jahr 1925
Zeittakel
zur Geschichte des Saargebiets
vom 1. September 1923 bis Ende Juli 1924*)
Zusammengestellt von A. Z.
1923.
S e p t e m b e r.
1. September: Französischer Richter fürs Saar-
gebiet. Die Meldung des „Journal Officiel“,
* daß der Straßburger Amtsrichter S t r i ch e r
abkommandiert und der Regierungskom-
miſſion des Saargebiets zur Verfügung
geſtellt worden sei, erregt lebhafte Kritik.
Gründung des Verbandes der valuta-
geschädigten Hypothekenglkäubiger.
Eine saarländiſche Delegation (die Abgg.
Levacher, Karius, Martin, Dx. v. Vopelius
und Pr. Sender) begibt sich nach Genf zu
der am 3. Sept. beginnenden Tagung des
Völkerbundes.
2. Sept.: Maſsſsenverſammlung in Differten.
Protest gegen die . französiſche Schule. Ein-
ſtimmige Annahme einer Resolution, in der
es heißt: Unsere Parole ist chriſtlich und
deutſch, weshalb wir mit aller Entſchieden-
heit für die angeſtammte Schule eintreten
und jeden Eindringungsversſuch der welt-
lichen franzöſiſchen Schule bekämpfen.
. Sept.: Die Preſſe veröffentlicht einen Be-
richt über die franzöſiſche Kammer, in dem
ſcharfe Kritik an der Saarpolitik geübt
wird. Margaine behauptet, eine Abſtimmung
des Saarreviers kurz nach Abſchluß des
Verſailler Vertrags hätte Frankreich 10 bis
15 Proz. Stimmen gebracht. (??) Es würde
nicht ein Prozent Stimmen erhalten, wenn
' die Abſtimmung heute ſtattfände. „Die
Vertreter haben eine sozusagen einhellige
Meinung gegen Franktreich hervorgerufen.
Es nützt nichts, hier Augen und Ohren zu
verſchließen.“ Die Kosten der Lebenshaltung
an der Saar werden ſsſich mit Errichtung
.- der Zollgrenze plötzlich erhöhen. Margaine
nennt die französſiſche Politik an der Saar
einen fundamentalen Irrtum, er fordert:
weder französſiſche, noch deutsche, sondern
saarländische Politik. Redner kritisiert so-
dann die Notverordnung: „Sie wissen, wo-
rin dieſe Verordnungen bestanden: Es iſt
das Verbot zu ſprechen, zu ſchreiben und
sſelbſt zu denken.“ „Das war die Krönung
einer abſurden Politik.“. . . „So haben wir
den Saarländern eine sonderbare Idee von
der französiſchen Geistesverfassung gegeben.
Es ist zu verſtehen, daß da die französische
Propaganda das Gegenteil der Wünſche
erteichte.“. „... ‘z Infolge unserer Politik
klammern ſsich die Saarländer immer mehr
und mehr an Deutſchland an; sie halten
daran feſt, die deutsche Sprache bei-
zubehalten und haben keine große Achtung
vor der französſiſchen Sprache.“. . . . , Ueber
die Freiheit, deren man ſich unter dem
französiſchen Regime erfreut, haben unsere
Vertreter ihnen außerordentlich hübſche
Ideen beigebracht.“ Der Abg. Marcel Cachin
sſagt u. a.: „Die Saarbevölkerung iſt auf-
gebracht gegen die Auslegung des Versailler
Vertrages.“. . . ,, Bis jetzt iſt der Wille der
saarländiſchen Bergleute, Deutsche gzu
bleiben.“... . p, Angesichts eines wirtſchafſt-
lichen Streiks haben die Verwaltung und
Herr Rault, ihr Präſident, eine Verordnung
erlaſſen, durch welche im Saargebiet das
Streikrecht gebrochen und in Wirklichkeit
unterdrückt wurde. Herr Rault hat dieſe
Verordnung im Gegenſat zu den Be-
stimmungen des Versailler Vertrages
erlaſſen .. . Die Verordnung war ein
Willkürakt der Verwaltung. Eine ſehr
große Zahl anderer Verletzungen der
Beſtimmungen des Friedensvertrages ſind
beständig im Saargebiet begangen worden.“
Pierre Lenail, der Berichterſtatter über den
Gesetzentwurf betr. Errichtung von Zoll-
bahnhöfen an der ſaarländiſch-deutſchen
Grenze: „Frankreich fürchtet die Abstim-
mung 1935 nicht. Ich habe Vertrauen in
das wunderbare Talent meines Landes,
heute wie ehemals Wunder der Assimilation
zu vollbringen . . .*" Ich habe Vertrauen,
daß die Saarländer 1935 die Zollgrenze
behalten wollen. Sie iſt das Vorſpiel und
das Symbol einer anderen Aſsimilation,
die vollständiger iſt und die das Saargebiet
und zugleich die Rechte der Freiheit, der
Gerechtigkeit und des Friedens mehr be-
günſstigt." – Sie ſpotten ihrer selbſt und
wisſen nicht, wie!
Gegen den Versailler Vertrag verstößt
eine heute durch die Presse bekannt wer-
dende Verfügung der saarländischen Ober-
postdirektion vom 25. August, nach der für
die Lieferung der im %Reichspoſtgebiet
erscheinenden Zeitungen vom 1. Oktober ab
Auslandspreiſe berechnet werden. Die
„Neunkirch. Volksztg.“ bemerkt dazu: „Der
poſtaliſche Ukas der Regierungskommiſssion
wird hier ungewollt ein Teil von jener |
Kraft werden, die das Böse will und das
Gute ſchafft.“
. Sept.: Die japaniſche Presse kritisiert nach
Meldung der „Saarbr. Ztg.“ die Saarregie-
"Dis und. fer Pslkerhund. M frtt z
doch reichlich überrascht sein durch die Feſt-
stellung, daß sie nichts anderes als ein
Instrument der Reaktion geschaffen haben.“
Nachdem dann das der Bevölkerung zu-
gefügte Unrecht geschildert iſt, heißt es zum
Schluß: „Und all’ dies geſchieht im Namen
*) Die Zeit von 600 bis 26. Februar 1920 siehe Saarkalender 1923; vom 26. Februar 1920 bis
31. Auguſt 1923 ſiehe Saarkalender 1924.
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