Full text: 1925 (0003)

  
Saarkalender für das Jahr 1925 
  
Uebergriffe des franzöſiſchen Militärs im Baargedbiet. 
In einer kürzlich nach Genf gerichteten Denkſchrift der politiſchen Parteien werden 
dem Völkerbund die Zwecklosigkeit, Rechtswidrigkeit und die Uebergriffe des fran- 
zöſiſchen Militärs im Saargebiet nahegelegt. Die schwersten Uebergriffe der Soldaten. 
ſind zuſammengeſtellt, es ſind bisher durch ihre Gewalttätigkeiten bereits zehn Saar- 
länder ums Leben gekommen. Es iſt klar, daß die französiſche Regierung, die das 
Militär zu Unrecht im Saargebiet beläßt und mit Waffen ausſtattet, für alle ent- 
ſtandenen Schäden haftbar iſt. Es iſt dabei vollkommen gleichgültig, ob die französischen 
Soldaten sich im oder außer Dienst befanden, – sind doch auch bei Gemalttätigkeiten, 
die in Deutſchland von Ziviliſten gegen franzöſiſche Staatsangehörige begangen wurden, 
von der deutſchen Regierung hohe Entschädigungen eingetrieben worden. Bis heute hat 
jedoch im Saargebiet keine einzige Schadenerſatzfkorderung gegen das französische 
Militär eine befriedigende Löſung gefunden. Dabei handelt es sich um Fälle, in denen 
ſaarländische Familien infolge der vorgekommenen Tötungen in große Not geraten sind. 
Hierbei hat die ſaarl. Abteilung des Innern und des Aeußern, deren maßgebende Stellen 
Franzoſen anvertraut sind, jede tatkräftige Vertretung der Interessen der geschädigten. 
Saarländer gegenüber der französischen Militärverwaltung vermissen lassen. Sie hat 
ſich darauf beschränkt, die Ablehnungsgründe des franzöſiſchen Kriegsministers den 
betreffenden Personen und Familien mitzuteilen. Auch hierbei sieht man wieder, 
wie ſehr die Vertretung der Saarbevölkerung gegenüber Frankreich versagt. 
Die Denkſchrift der politiſchen Parteien bringt folgende Einzelheiten: 
' 1. Im April 1919 wurde die Studentin Fräulein Schnur aus Bildstock von einem 
unbekannt gebliebenen französischen Soldaten überfallen, vergewaltigt und mit dem 
Seitengewehr getötet. 
2. Der Arbeiter Christian Ries aus Gersweiler ging an einem Sonntag im Mai 1919 
mit seiner Frau auf sein Feld. Ein marokkaniſcher Soldat ſchoßh ihn ohne jede 
Veranlassung nieder. ; 
Der Getötete hinterließ mehrere Kinder, davon zwei minderjährige. Der französische 
Kriegsminiſter bewilligte zunächst eine Entschädigung von 9727 Franken, verweigerte 
aber ihre Auszahlung und verwies die Witwe und ihre Kinder an die deutſche Regierung. 
. 83. Während der Oktoberunruhen 1919 hatte das franzöſiſche Militär in St. Arnual 
einen Maſchinengewehrpoſten aufgestellt. Durch Leichtfertigkeit der Soldaten trat ein 
Maschinengewehr in Tätigkeit und traf eine Anzahl harmloser Passanten. 
Chriſtian Friedrich Walter, ein Familienvater aus St. Arnual, starb an den Folgen 
eines Bauchſchuſſes am nächsten Tage. s 
. Heinrich Gerten aus St. Arnual, der Haupternährer seiner kranken Eltern und von 
vier Schwestern, starb nach neunundneunzigtägigem qualvollen Leiden. 
„Wilhelm Meyer aus St. Arnual wurde schwer verletzt, war vier Monate erwerbs- 
unfähig und ist auch heute noch in seinem Erwerb beschränkt. 
. Im Falle Walter hat der Kommandierende General der französischen Saartruppen 
eine Entſchädigung abgelehnt und die Hinterbliebenen an die Stadt Saarbrücken ver- 
wieſen. Die damalige Leitung der Juſtizverwaltung hat anscheinend gar nicht den 
Versuch einer Vertretung der Interessen der Hinterbliebenen des getöteten Saarländers 
gemacht, denn der franzöſiſche Kriegsminiſter hat jetzt durch das Anerbieten einer 
Entschädigung von 10 800 Franken die Erſatzpflicht grundsätzlich anerkannt. 
„Im Falle Gerten dagegen, der völlig gleich gelagert ist, hat die französische Militär- 
behörde den Schadenerſatzanſpruch abgelehnt und die betagten Eltern des Getötelen 
an die Stadt Saarbrücken verwiesen. Die Abteilung des Innern der Regierungs- 
benmiten pot anscheinend nichts getan, um den Interessen der Hinterbliebenen Geltung 
| . Im Falle Meyer hat der Direktor der Justizverwaltung der Regierungskommission 
lediglich den ablehnenden Beſcheid der franzöſiſchen Militärverwaltung weitergegeben. 
. 4. Weiter ſind während der Oktoberunruhen 1919 folgende Personen getötet worden, 
die sich auf dem Heimmwege von der Arbeit befanden: 
Poſtaushelfer Wilhelm Kriebel aus Völklingen, der einzige Ernährer seiner Mutter; 
.... Schriftsetzer Peter Schneider aus Saarbrücken, der ſeine Witwe und ein minder- 
jähriges Kind hinterließ; ; 
Eiſenbahnschaffner Hermann Mahler aus Saarbrücken, der ebenfalls seine Witwe 
und ein minderjähriges Kind hinterließ. 
  
  
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