Full text: 1925 (0003)

  
Saarkalender für das Jahr 1925 
Die wirtſchaftliche Derkettung 
des Banargebiets mit Frankcreich. 
Eine Betrachtung zur bevorſtehenden Einordnung der Hanrwirt- 
ſchaft in das franzöſiſche Zallſyſtem. 
Auf den 10. Januar 1925 fällt der Termin, zu dem nach den Bestimmungen des 
Saar-Statuts des Versailler Vertrages die ſaarländiſche Wirtſchaft in das Prokruſltes- 
bett des franzöſiſchen Zollſyſtems gewaltsſam eingezwängt werden wird. Also nur noch 
wenige Monate trennen uns von dem Zeitpunkt, der den wechselseitigen deutſsch- 
 naarländiſchen Wirtſchafts-Verkehr, der nach dem Inkraſsttreten des Versailler Ver- 
trages noch auf fünf Jahre zugeſtanden war, aufs ſchärfste unterbinden wird. Damit 
ſcheidet das Saarwirtſchaftsgebiet aus dem Organismus der deutſchen Volkswirtſchaft 
aus und verliert seinen wesentlichen Abſatzmarkt, während wiechſelſeitig auch die 
deutsche Produktion ihren Absatz nach dem Saargebiet einbüßt, da ſich die franzöſiſchen 
zutaten als ein Hindernis zwiſchen dem deutschen Saarlande und dem Reiche 
erheben. 
Die französiſchen Diplomaten haben es verstanden, sich im Versailler Vertrag zwei 
Zwangsmittel zu sichern, mit Hilfe derer ſie hoffen, das Ziel der Annektierung des 
Saargebiets, das sie bei den Verhandlungen in Versailles selbſt nicht zu erreichen 
vermochten, im Verlaufe der 15jährigen Friſt der Lostrennung des Saargebiets vom 
Reiche doch zu verwirklichen. Einmal bietet das Saar-Statut genug politische Fang- 
'] ſtricke, die dieſem Ziele zu dienen offen beſtimmt sind, und zum anderen ſsollte dis 
  
„zollpolitiſche Zwangsjacke für die Saarwirtſchaft die letzten Widerſtände gegen die 
Annektion, beſeitigen. Das Netz über das Saargebiet war in dem Versailler’ Vertrag 
geſchickt ausgeworfen, es brauchte alſo nach der Anſicht der französſiſchen Politiker 
nur zugezogen zu werden, um der Beute ſicher zu ſein. 
Was in den erſten fünf Jahren unter der Fremdherrſchaft der Regierungs- 
kommission geschehen konnte, um die politischen Ziele der Bestimmungen des Saar- 
Statuts im Sinne Frankreichs zu verwirklichen, iſt reichlich geſchehen, und doch ist 
ſchon heute zu erkennen, daß sich die politiſchen Zwangsmittel des Saar-Statuts als 
eine stumpfe Waffe erweiſen werden. An dem einheitlichen Willen faſt der 
geſamten Saarbevölkerung in der Treue zum deutschen Vaterland sind alle Versuche. 
uns hier zu einer weſtlichen Orientierung zu nötigen, zerſchell. Dieſes Spiel kann 
heute schon als ein vergebliches bezeichnet werden. Nur politische Phantaſsten können 
ich selbſt in. Frankreich noch der Hoffnung hingeben, daß eine Abſtimmung im 
Jahre 1935, wenn ſie vor ſich gehen sollte, die „Sympathien für Frankreich“, von 
denen ein Clemenceau unter reichlichem Tränenerguß eine Einwirkung auf ſeine 
Alliierten erhoffte, bestätigen könnte! Hat doch Lord Cecil erſt im Juni d. Js. 
im engliſchen Unterhaus sicher ſehr zum Verdruß in Paris vor aller Welt die Binsſen- 
wahrheit ausgeſprochen, d a ß ein.e Abstimmung im Saargebiet zugunſten 
Frankreichs in das Reich der Fabel zu verweisen sei. Freilich, wie 
Frankreich, so irrt sich auch der edle Lord, wenn er meint, daß die Saarbevölkerung 
die Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustandes unter der Oberhoheit des Völker- 
bundes wünschen würde. Auch eine solche Abſtimmung ist ebenfo wie die fuür 
Frankreich in das Larid der Fabel zu verweisen. 
f Zu der politiſchen Pression gesellt ſich nun vom 10. Januar 1925 ab die Preſsſion 
L der franzöſiſchen Zollmaßnahmen, die ebenfalls durch die Regierungskommiſssion schon 
eine willfährige Vorbereitung gefunden haben. Der nahe bevorstehende Termin der 
zwaygsweiſen Einfügung der saarländischen Wirtschaft in den wirtſchaftlichen Macht- 
bereich eines fremden Staates muß auch dem „Saar-Kalender“ den Anlaß geben, sich 
mit den wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Maßnahme zu befassen, und dies um 
ſo mehr, als auf dieſem Gebiete der ſsaarländiſchen Bevölkerung leider keine Mittel 
zur Verfügung stehen, sich den Polypenarmen eines nach Landerweiterung strebenden 
fremden Staates zu erwehren, wie es das in politiſcher Beziehung zu tun vermochte. 
  
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