Saarkalender für das Jahr 1924.
Leider hat die neue Zeit hier etwas zerſtörend gewirkt. Jedoch die älteren Berg-
knappen, die die schmucke Tracht in unlſere ,ziviliſierte" – leider aber ziemlich kultur-
arme — Zeit hinübergerettet haben, tun das immer noch. Sollte auch die alte
Berginannstvracht ganz verschwinden, dann muß ein geſunder Berufs- und Standesſtolz
erh alt en bleiben. Daher sollten alle Berufenen an der Weckung und Pflflege der
Berufsf r eu d e, der Voraussetzung eines gesunden Berufsſt o lz e s, nach Kräften
mitwirken. Der Bergknappe will kein ,„Proletarier“ sein. Als Angehöriger eines
Standes, der gleichwertig und vollwertig neben anderen Ständen innerhalb der Volks-
gemeinſchaft steht, will er gewertet sein, will er leben und wirken.
Die Bergknappen beseelt ein großer Fre ih e i t s d ra n g. Waren doch die Knappen
der alten Zeit Freie. Die neue Wirtſchaftsoronung zwang aber auch sie in dieselbe
Lage wie alle Induſtriearbeiter. Die Sehnsucht nach Freiheit blieb, sie erbte sich fort.
Um nicht alte Wunden aufzureißen, wollen wir die Zeit, wo der Knappenſstand an
der Saar recht unfrei geworden war, übergehen. Bittere Kämpfe um die Freiheit
führten bekanntlich die Saarbergknappen in den Jahren 1889 bis 1893. Sie endeten
mit ihrer Niederlage. Erſt nachdem die Bergknappen sich in immer größer werdender
Zahl der gewerkſschaftlichen Organisation, die imzwischen eingesetzt hatte, zuwandten,
errangen sie die Freiheit stückweise zurück. Heute ſind 95 Prozent der [Saarbergknappen
der gewerkſchaftlichen Organifation angeſchloſſen. Je zur Hälfte gehören sie den im
Bergbau vertretenen christlichen und freien Organisationen an. Durch diese vertreten
ſie ihre Interessen gegenüber Grubenbeſitzer, Saarregierung und Allgemeinheit. Große
Opfer bringen die Knappen für diese ihre Slandesvertretung, die auf dem Gedanken
echter Solidarität beruht. Intereſſenwahrnehmung, Schulung der Mitglieder, Weckung
und Pflege der Berufsfreude sowie des Solidaritätsgefühls, sind spezielle Aufgaben der
Standesorganiſationen. Das Hauptziel iſt, den Knappen als Men ſch in Wirtschaft
und Staat voll zur Geltung zu bringen. Wichtige Etappen auf dem Wege zu dieſem
Ziel sind schon erreicht. Und daß die Bergleute für deren Erhaltung, für ihre Freiheit
gu kännpfen verstehen, bewies der große Streik im Frühjahr zur Genüge. Es drehte
ſich um die Freiheit. Dank der Opferfreudigkeit und der echten Solidarität. die durch
die Tat geübt wurden, hat der Bergmannsftand an der Saar diesen Freiheitskampf
bestanden. „Einer für alle, alle für einen“, diese Parole haben ſie buchſtäblich wahr
gemacht. Möge dieser Geiſt immer im Bergmannsſtande lebendig bleiben.
Heimatliebe, Vaterlandsliebe, Freiheitsliebe, Bodenſständigkeit, Kameradſchaftlichkeit,
Standesbewußtsein und Fleiß, das find Meräimale, die die Männer des ,ſschwarzen
Kitiels“ an der Saar auszeichnen. . Sie sind es wert, als vollwertig und gleichberechtigt
von jedermann beachtet und geachtet zu werden.
| Glocken d er Erinnerung. *)
Wo die Eiſenhämmer fauchen,
Bpröder Btoff zu Stahl ſich fügt,
Meiner Heimat Eſſen rauchen,
Fugendland verſunken liegt.
Nimmer fand mein fuß zurüctke,
Ob auch ſehnend ich bemäht.
Fähgeborſten starrt die Brücke,
Und es nnachtet ſchon im Ried. –
Doch auf frühlingsfeuchten Gchwingen
Weht's herüber ſtark und jſuune.
Und in meine Träume klingen
Glocken der Erinnerung. Alveri Korn
*) Aus der Gedichtſammlung „Klingt hinans ! '’ von A. Korn, jockîn im Derlag Gebr. Hofer A..G., Gnnaen. . i
brücken, erſchienen.
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