Full text: 1924 (0002)

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Saarkalender für das Jahr 1924. | 
Z§ 
Dom BGergknappenſtand an der Haar. 
Von Peter Kiefer, M. d. L. 
Unser ſchönes Saarland iſt ein ausgeprägtes Induſtrieland. Auf kleinem Raum 
finden dadurch verhältnismäßig viele Menſchen Erwerb und Brot. Die Grundlage zur 
Induſtrialisierung des Gebietes bildet die Kohle, die unſerer Saarheimat Erde in 
reicher Menge birgt. Viele Schächte führen hinab in die Erde, durch die das koſtbare 
Gut, der „schwarze Diamant“ ans Licht des Tages gehoben wird. So ſind denn die 
Wahrzeichen unserer Heimat die vielen Schachttürme,. die wie geballte Riesenfäuſte 
ſich in die Luft recken. Die Menſchen, die den Urstoff der Wirtschaft – so kann man 
mit Recht die Steinkohle nennen – dem Schoß der Mutter Erde entreißen, sind 
unsere wackeren Bergleute. Sie bilden den Hauptkern der Bevölkerung unseres 
Heima:landes. Von zirka 178 000 erwerbstätigen männlichen Arbeitern des Gebietes 
ſind rund 73 000 Bergleute. Ueber zwei Fünftel der geſamten Bevölkerung ernährt 
demnach unmittelbar die Kohlengewinnung. 
Der Bergmannsſtand bildet den Pol unseres Wirtsſchaftslebens, ihm fällt daher 
große Bedeutung in unserem Wirtschafts- und Volksleben zu. Verrichtet er doch: im 
Dierſte des Volksganzen eine überaus gefährliche und mühevolle Arbeit. Seine 
Berufsfreude wird wachſen, wenn ihm die gebührende Anerkennung zu teil wird. 
Der Bergmanns st an d an der Saar bildete sich erſt ſo recht heraus, nachhem um 
die Mitle des achtzehnten Jahrhunderts der Bergbau der Saarlande von den damaligen 
Landesherren kraft ihres Regalitätsrechtes in eigene Regie übernommen wurde. Vor 
dieſer Zeit beschränkte sich der Bergbau auf eine regelloſe Gräberei in den zu Tage 
ausgehenden Kohlenflözen. Kohlengräber waren damals meiſt nur die Bauern, in _ 
deren Land die Kohlen an Tag stießen. Von einem Bergmanns s an d in dieser 
Zeit kann bei uns nicht gut geredet werden. Erſt nachdem die Landesherren den 
Berobau in eigene Regie übernommen hatten, bildete ſich ein Bergknappenstand heraus 
mit beſonderen Charaktereigenſchaften, die wir bei sonstigen Induſtrieberufen nicht so 
in dieser ſcharfen Ausprägung kennen. Die hervorsſtechendſten Charaktereigenſschaften 
des Hrrgtonnsſtandes an der Saar ſind Heimatliebe, Solidaritätsgefühl und Standes- 
emußf;tsein. | 
In ſseinen Anfängen umfaßte der Bergmannsſtand keine große Zahl Menſchen. 
Die Steinkohle fand zunächſt nur zu Schmiedezwecken, dann in Glashütten und 
Schmelzen Verwendung. Es war auch die Geſamtbevölkerung des Gebietes nicht groß. 
Erſt nachdem unser Gebiet durch Eiſenbahnen erlſchloſſen war, konnte von der Stein- 
kohle ausgehend die JInduſtrialisſierung des Saarlandes in immer beſchleunigterem 
Tempo vor ſich gehen. Jetzt dehnte sich auch der Bergbau aus und mit ihm die Zahl 
der Knappen. Beiſpielsweiſe waren 1815, als die Gruben des an Preußen gefallenen 
Gebietsleiles durch dieſes in Staatsbeſit übernommen wurden, 12 kleinere Gruben 
(Stollerbetriebe) vorhanden, die 917 Bergknappen beſchäftigten. Der Aufschwung be- 
gann mit den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Die Zahl der Bergknappen 
auf den preußiſchen Staatsgruben wuchs wie folgt: 1815 917, 1820 1847, 1850 4580, 
1870 15 662, 1900 40 546 und 1919 56 000. Heute beträgt die Zahl der Bergknappen 
auf sämtlichen Gruben des Gebietes (die im Januar 1920 franzöſiſcher Staatsbesitz 
wurden) rund 73 000. Dazu zählen auch die Bergknappen der ehemalig einzigen 
Privatgrube des preußiſchen Gebietsteiles, der Grube Hoſtenbach,- die der ehemals dem 
bayeriſchen Staat gehörenden Gruben St. Ingbert und Bexbach, sowie die der im 
bayeriſchen Gebietsteil gelegenen ehemaligen Privatgrube Frankenholz. : 
Das Bedürfnis an Arbeitskräften wurde vor Beginn der Induſtrialisierung faſt 
vollständig aus dem Nachwuchs unſeres Bergmannsſtandes ſselbſt gedeckt. Es war zur 
Tradition geworden. daß der Sohn des Vaters Beruf ergriff, der Beruf in der Familie 
ich forterbte. Dieſer Nachwuchs reichte mit der Zeit nicht aus. Das ſteigende Be- ; 
77.. 
 
	        
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