Full text: 1924 (0002)

Saarkalender für das Jahr 1924. 
geölten Verwaltungsmaichinerie. Dazu trat die Notwendigkeit einer doppelten Bekun- 
tung, daß der Paßinhaber „Saareinwohner“, ja sogar ein „Sarrois“ sei, Umstände, 
die mit den verwirrenden Gerüchten ausreichenden Grund zu Vermutung und Schluß- 
folgerung boten. Als der Rhein jedoch den Wanderern im Rücken lag, da ward die 
Erinnerung ſldaran ausgetilgt im Glanz der Bruderliebe. Was Mannheim tat, um den 
Brüdern von der Saar ein herzliches Willkommen zu entbieten, das wird unvergessen 
bleiben, uwergef en wie der Begeiſterungsſturm, der dem Saarland in der alten Handels- 
ſtadt entgegenſchlug. 
Und nun erst in München! Da zerbrach die Anmaßung politiſcher Unmoral, daß 
der Deutsche kein [Vaterland haben und es nicht lieben dürfe, da bewies die Anwesenheit 
der Rhein- und Ruhrdeutschen, daß es außerhalb der Welt der Sanktionen noch eine 
ſittliche Welt gibt, die kein juriſtiſcher Kniff zu widerlegen vermöchte, eine Welt. 
in der das Opfer der Rhein- und Ruhrdeutſchen heller leuchten wird als alle Akte der 
  
  
Die Saarländer am KarlIstor. (Im Vordergrund der Turnverein Saarbrücken von I848.) 
Unterdrückung. Die Ruhrdeutſchen haben den Rhein durchſchvommen, bei Nacht und 
Nebel die Poſstenkette durchbrochen, sie haben ihr Leben, ihren Wohlstand aufs Spiel 
geſett, sie haben alles gewagt im !Hochgefühl eines vaterländiſchen Empfindens, im 
Glauben an Deutschland und im Vertrauen auf den Sieg der Gerechtigkeit. Saar- und 
Rheinländer, Ruhr- und Pfalzdeutſche haben darum dem Münchener Feſt den Stempel 
der Einheit Deuſchlands aufgedrückt, und dieses Bild der Einheit entfesselte jene unver- 
geßlichen Ovationen, in deren Mittelpunkt die Saariänder ſtanden, weil ſie zahlenmäßig 
am ſtärkſten vertreten waren. : 
Die Sprache iſt trotzt; aller Fülle zu arm, um .die elementaren Ausbrüche der 
 HVegeiſterung in Worte zu faſſen, die der Festzug der 200 000 am 15. Juli brachte. 
  
Als die weiße Rieſenſchlange des Festzuges A das Karlstor durchbricht und hinter 
den mittelalterlichen Reiter- und Landsknechtsgruppen das „Saarland“ sichtbar wird, 
da erbrauſen donnernde Rufe und eilen lawinenartig durch die menſchengefpickten 
Straßen. Ja, bis hinauf zu den Fenstern und Dächern erſchüttert das Willkommen der 
Münchener die Luft: Heil Saargebiet! Hoch Saargebiet! Und zugleich beginnt aus 
allen Häuſerfronten ein dichter Blumenregen, in dem alle Kinder der Flora vertreten 
ſind. Bald lugt manchen Turners Kopf aus Eichenlaub hervor, bald trägt auch der 
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