Full text: 2.1924 (0002)

Saarkalender für das Jahr 1924. 
Dans gecſchichtliche Recht Frankreichs auf das 
Haargedbiet. 
= aß Frankreich mit allen Mitteln darauf 
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fs Ur r.ù anzugliedern, iſt wohl nach- 
gerade jedem, der d.e Zeitverhältnisse nicht mit 
    
.“ allzu blödem Auge verfolgt, klar geworden. 
Französiſche Staatsmänner wie Clemenceau und 
Tardieu haben dies offen zugeſtanden. Be- 
sonders offenherzig hat sich im Anfang dieses 
Jahres der franzöſiſche Abgeordnete D é ſir é 
Ferry über die Pläne Frankreichs geäußert, 
und wir müſſen ihm für dieſe Offenherzigkeit 
dankbar ſein, da sie uns die Gefahr, die unserm 
Vaterlande droht, klar enthüllt. Ferry behaup- 
tet, daß Frankre:ch nicht nur ein paolitiſches 
und wrirtſchaftliches, sondern auch ein g e - 
ſchichtliches Re cht auf das Saargebiet 
habe, und ſucht dieſe Behauptung durch eine 
ganz einseitige und tendenziöſe Darstellung zu 
bekräftigen. Demgegenüber müssen wir immer 
wieder in die Welt hinausſchreien, daß die Be- 
wohner der Saargegend Deutſche ſet mehr als 
tauſend Jahren sind und Deutsche bleiben wollen, 
uttd d a ß Fr ank reich nicht das ge- 
ringſte ge ſchichtliche Recht auf das 
Sa arge biet geltend m ache n k a n n. 
Zunächſt iſt festzaſtellen, daß das Saargebiet 
. von einer rein deutſchen fränkiſch-alemanniſchen 
Bevölkerung bewohnt wird, und daß es ſeit 
dem Verlrage von Mersen (870), alſo seit 1 0 5 0 
, Ja hren, zum Oltfränkiſchen oder Deutſchen 
Reiche gehört. Die Grafen von Saarbrücken 
beſuch'en die deutschen Reichstage und ſaßen 
auf der Wetterauiſchen Grafenbank, sie ſtellten 
ihre Urkunden mit verschwindenden Ausnahmen 
in lateiniſcher oder d e u t ſ ch e r Sprache aus; 
sſelbſt der Graf Johann ]. aus dem halbfran- 
zöſiſchen Hauſe Saarbrücken-Commercy verlieh 
im Jahre 1321 den Städten Saarbrücken und 
St. Johann einen Freiheitsbri ef in 
d e ut \ſ ch e r Sp r ach e. Die alten Sch öf f e n - 
weist ü m e r des Saarbrücker Landes ſind 
in d e ut ſch e r Sprache abgefaßt, d e u t s ch iſt 
das aus dem 15. Jahrhundert ſtetpmenve 
t; eit em 
Jahre 1381 herrſchte über die Grafschaft Saar- 
brücken das kern deut ſche H a u s 
Nassau, d e ut ſche n Stammes waren die 
in der Pfalz gebietenden Wittelsbacher, d eu t ſ c 
waren die freien Herren und die Klöſter des 
Saargebie‘es. Aber fre lich hat es an Verſuchen 
Frankreichs nicht gefehlt, dieſe Länder, die zu 
dem al'en Herzogtum Lothringen gehörten, von 
dem Deutſchen Reiche loszureißen. Echon im 
Jahre 978 verſuchte dies der weſtfränkiſche oder 
franzöſiſche König Lothar durch den Ueberfall 
Aachens, aber Kaiser Otto II. sicherte die Reichs- 
grenze durch einen Heereszug nach Frankreich, 
der hn bis an die Tore der franzöſiſchen Haupt- 
ſtadt auf die Höhe des Montmartre führte. Im 
Mittelal‘er war das gespal‘’ene und mit Eng- 
Saarbrücker Landre ch 
land verfeindete Frankreich der deutschen Weſt- 
grenze nicht gefährlich. Erſt als Frankreich durch 
Richelieu zum Einheitsstaat zuſammengeſschweißt 
war und nun, von dem ehrgeizigen und länder- 
gierigen König Ludwig RIV. beherrſcht, die Vor- 
herrſchaft in Europa erſtrebte, begann die Ge- ' 
fahr für das durch Glaubenskämpfe und andere 
Streitigkeiten zerriſſene Deutſche Reich. Und 
seine kriegeriſchen Angriffe suchte Ludwig XIV. 
durch Rechtsanſprüche zu begründen. . 
Die französiſchen Ansprüche gehen im Grunde 
auf die geschichtl.che Tatsache zurück, daß im 
Jahre 999 Kaiser Otto UI., den der Biſchof von 
Metz um ſein Seelenheil beſorgt machte, die 
Königsburg Saarbrücken mit einigen Höfen und 
Wäldern dem Bistum Mey ſchenkte, das damals 
ebenfalls zum Deutschen Reich gehörte, und daß 
die Grafen des Saargaues .dieſe Burg mit Zu- 
behör von dem Biſchof von Metz als Lehen er- 
hielten und sich danach Grafen von Saarbrücken 
nannten. 
Mehr als 500 Jahre ſpäter, im Jahre 1552, 
erklärte Kurfurſt Moritz von Sachſen bei seinem 
Streit mit Kaiſer Karl V., um die Hilfe Frank- 
reichs zu gewinnen, sich mit der Abtretung der 
Bistümer Metz, Toul und Verdun an Frankreich 
einverſtanden. Die Franzoſen beſetzten Metz, 
und vergebens ſuchte der Kaiſer ihnen die wich- 
tige Stadt wieder abzunehmen; im Weſtfäliſchen 
Frieden (1648) wurde diese Abtretung von dem 
Reiche anerkannt. Damals schon wurde man 
auf die Gefahr aufmerkſam, die hieraus ent- 
stehen konnte, und die Grafen von Saarbrücken 
machten das Wetterauiſche Grafenkollegium 
darauf aufmerksam, daß, insofern m a n. n i ch t 
in Zeiten ſich vorſähe, man nur 
allzu früh die nachteiligen Folgen 
erf a hr en wür d e. Bei den Friedensver- 
. handlungen wurde deshalb von ihrer Seite der 
Antrag gestellt, daß bei der bevorſtehenden 
Abtrennung der drei Bistümer Frantreich auf 
die Lehnshoheit über die deutschen Reichsſtände 
zur Verme dung aller künftigen Schwierigkeiten 
gänzlich verzichten solle. Die übrigen deutſchen 
Reichsſtände betrieben dieſe Sache jedoch nicht 
mit der nötigen Energie. Die Franzoſen machten 
Schwierigkeiten und drohten die Verhandlungen 
abzubrechen, wenn man ihren Forderungen be- 
treffs der drei Bistümer nicht entſprechen 
würde. So mußte man ſich damit begnügen, der 
Reichskanzlei, Schweden und Frankreich eine 
Verwahrung zu übergeben, in der die Reichs- 
stande erklärten, es ſsei nicht ihr Wille und ihre 
Absicht, daß ihre Mitſtände, die Vaſallen von 
Metz, Toul und Verdun, v om Deut ſchen 
Reiche losgeriſſen und ihrer 
Reichsunmittelbarkeit beraubt 
werden ſollten. 
Es sollte sich bald zeigen, daß diese Beſsorg- 
niſſe nicht unbegründet waren. Die Politik Lud- 
wigs XIV. setzte bei dieſem Lehnsverhältnis ein. 
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