Saarkalender für das Jahr 19,25
Saarbrücker Hütte im Alpenland.
Von Sritß Jacobi.
Weißt du, wo in den Alpen die Silvrettagruppe liegt? Nein? Dann nimm deinen Atlas zur hand,
ſchlage die Alpen auf und ſchaue dorthin, wo der Bodenſee bei Bregenz die grünen Geſtade der erften
Alpenhöhen küßt. Laß deine Blicke nun ſüdwärts ſchweifen längs der ſchweizeriſhen-öſterreichiſchen
Grenze über das Ländchen Lichtenſtein hinweg bis zu einer ſpinnenartig gegliederten, weißen Stelle,
und du wirſt den Namen „Silvretta“ finden. Das Weiße auf der Karte jagt dem Kenner, daß hier
ein 6ebirgsſtock zum Himmel emporragt, der ſeine Umgebung an Höhe weit übertrifft, denn er iſt mit
ewigem Schnee bedeckt, ein Gebiet, in dem auh im heißeſten Sommer die Schneefelder und Eisftröme
niht auftauen. Mitten in dieſer 6letſmerwelt liegt die Saarbrücker Hütte, erbaut von der Sektion
Saarbrücken des D. u 0. Alpenvereins.
Wer abends um 6 Uhr in Saarbrücken den Zug beſteigt und über Mannheim, Stuttgart, Ulm nach
Sriedrichshafen fährt, erblickt um 7 Uhr morgens die grünen" Wellen des im erften Morgenlichte
ſchimmernden Bodenſees. In Sriedrichshafen jteht das S<iff bereit, das den ob der Herrlichkeit
des leuchtenden Sees erftaunt Aufblickenden in kurzer Zeit nac Bregenz, der herrlich gelegenen
Landeshauptſtadt Vorarlbergs bringt, und wer nun gleich weiter fahren will, der braucht nur das Schiff
mit dem Zug zu vertauſchen, und er iſt um 19 Uhr morgens, alſo am erften Tage ſeiner Serien, in
Schruns, der letzten Eijenbahnftation des Montafontales, dem Ausgangspunkt zur Saarbrücker Hütte.
Nun heißt es laufen. In fünf Stunden
durchläuft man das freundliche Montafon.
Reizvolle Alpenhäuſer, Almhütten, Matten,
Tannenwälder, ziſchende Waſſerfälle grü-
ßen dich in unendliher Zahl, bis "du
Partennen, den leßten Ort des Tales
erreichſt. Sünf weitere anſtrengende
Stunden würden dich hinauf zur Saar
brücker Hütte bringen; doh ih rate dir,
laß dir beim Sonnenwirt ein Zimmer
geben und verbringe dieſen erſten Abend
im Tale. Gar bald wirſt du did, im
Gaſthauſe einer höhft ſonderbaren, aber
äußerſt mitteilſamen Geſellſchaft gegen=
überſehen, der du vorerft nichts anderes
entgegenbringen kannft als ergögliches
Erſtaunen. Sommerfriſ«ler und Hod-
touriften der Silvretta geben ſich hier ein
Stelldihein, und du merkſt gleich den
deutlihen Unterſchied zwiſchen dieſen
beiden Gattungen von Alpenbeſuchern.
Sommerlich helle Eleganz, gewählt vor-
nehmes Auftreten, mitunter ſ<narrender
Ton auf der einen Seite; abgenußte Kleidung, dicke, klobige Schuhe, ſchwerer Ruckſack, der krachend
In die Eke fliegt, bäuerlich-ſHwerfälliger Gang auf der anderen Seite. Du achteft genau auf alles,
was geſprochen wird, und wenn du zu Bette gehſt, wird dich ein leiſer Stolz auf deine Heimat und
Sreude und Hoffen auf den nächften Tag zunähſt niht ſchlafen laſſen. Weißt du doch jetzt, denn du
haft es in allen Tonarten gehört, daß die Saarbrücker Hütte die weitaus ſchönſte und befteingerichtete
Hütte des ganzen Silvrettagebietes iſt.
Durd< einen fteilen, öden Taleinſchnitt geht es am nächften Morgen mühſam aufwärts. Die einzige
Sreude, die man zunächſt hat, ſind einige Schilder am Wege, auf denen man den Namen „Saarbrücken“
findet und dann das Bewußtſein, daß das kleine, gut gangbare Steiglein, das ſo ſicher und ſo tritt=
feft nach oben führt, Saarbrücker Arbeit ift. Nach etwa zweiftündigem Steigen ſteht man vor einem
mächtigen Waſſerfall, der dröhnend und ohrenbetäubend in die Tiefe hinabſtürzt. Das Steiglein erklettert
in vielen Serpentinen den mächtigen Querriegel, der hier die Talrinne 'abſhließt, und der die Urſache
des Waſſerfalles iſt. Hat man den Querriegel erklommen, ſo breitet ſich ein einzigartiges Bild vor den
ſtaunenden Augen aus, Wie gebannt und hingeriſſen ſchauft du nach oben, denn dort ſiehft du aus
mädctigen, wild durcheinandergewürfelten Shnee- und Eisfeldern zwei Berge emporragen, die fo
mächtig und kühn, jo edel und formvollendet daſtehen, daß du keinen Blick von ihnen abzuwenden
vermagſt. Es ift der erfte Blick, den du ins wirkliche ho< gebirge der Silvretta tuſt, denn bisher
waren alle Berge und Höhen, die du ſaheft, unvergletſhert. Die zwei Berge aber, die ſo erhaben
aus der ungeheuren Eiswelt emporragen, ſind diejenigen, deren Namen du unten im Tale immer
und immer wieder nennen. hörteft, und derentwegen, wie du unten erfahren haft, die Saarbrücker
Hütte erbaut worden ift. €s find 6roß=Litbner und 6roß-Seehorn, ein Brüderpaar, wie es
nur wenige ojbt im weiten Alpengebiete.
Die Saarbrücker Hütte.
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