Saarfalender für das Jahr 1923
Geſelligkeit, Er gründete eine Pferdezucht
„Zudwigsluſt“. Er war liebenswürdig, klug
und liebte das Leben, er gründete ein
Theater, in dem er oft ſelbſt mitſpielte, hielt:
Sofjagden und glänzende Paraden ab, hielt
ſih ein Leibgrenadierregiment und eine
Schwadron Gardedragoner, in deren Be-
gleitung er dur die Straßen ritt. Zu ſeinen
Zeſten bei den prächtigen Wagenauffahrien
drängten ſich die Saarbrücker. Es war ein
menſchenfreundlicher, etwas prunkliebender
Fürſt mit Geſchmack und Kunſtſinn, wenn
er auh oft ſeine Gunſt an wertloſe Men-
ſhen verſchenkte, denn ein Menſc<2nkeEnner
wor er nicht.
Glianzvolle Zeiten hatte der Schrank mit:
gemacht, nN |
An den großen Jagdtagzn füllte ſich das
ſtille Haus mit einer geräuſchvollen Jagd-
geſellſchaft, die Wagen rollten in den Hof,
ein Dienertroß eilte treppauf, treppab.
Man trug ſilberne Wandarme mit brennen-
den Kerzen an ihm vorbei, im Hof leuchteten
die Pechfackeln, und auf den engen Treppen
klirrten die Waffen 'und rauſchten die ſeide-
nen Schleppen ider Damen.
Eine prächtige Jagdgeſellſchaft ritt in
ihren bunten Uniformen in den Hof, und
wenn endlich der Fürſt ankam, in ſeiner
ſiHhweven bemalten Karoſſe, den glänzend
aufgeſchirrten Pferden, eilte ihm ein flinker
Läufer voraus, und hinter ihm ſtanden zwei
vieſige Heiducken mit hohen Bärenmüßen.
In allen Ställen brannten Lichter, im
Hof bellte die Jagdmeute, die kaum zu
balten war, vor Freude auf den nächſten
Morgen. Mit der gierigen Meute verfolgte
man in den dichten Wäldern den Eber und
den Hirſch, zur Reiherbeize wurden abge-
richtete Falken verwandt. Im wWinter
wurden in tiefem Schnee die Wölfe erlegt,
diz aus dem nahen Wasgenwald und den
Ardennen herüberkamen. Aber die junge
Fürſtin konnte an dieſen rauſchenden Feſt-
lichkeiten nicht lange teilnehmen. ſie krän-
kelte beſtändig ſeit der Geburt des Erh-
prinzen und mußte ſich ganz von der Be-
jelligkeit zurückziehen, ſie lebte gern in
dem ſtillen Jagdſchloß oder auf dem Hai-
berg, in dem neuerbauten Shlößhen Mon-
plaiſir, wo ſie ihre lezten guten Tage very
lebte. Si2 ſtarb ſehr jung 1780, und ihre
Zimmer in dem - Jagdſchloß wurden abge-
'<loſſen. Der Schrank langweilte ſich hinter
vorſhloſſenen qrünen Läden, dur< die die
Sonne nur in feinen Strahlen eindrang.
Aber bald fing das Leben in dem Hauſe
wieder an, der Fürſt hatte ſich wiader ver-
heiratet, er hatte ſeine Mätreſſe, das Gänſe-
gretel von Fechingen, zu ſeiner Gemahlin
erhoben, eine kluge energiſche Frau, die den
Gürſten bezinflußte und beherrſchte und es
verſtand, ihren Rang auszufüllen, zu dem er
ſie erhoben hatte. Er machte ſie zur Freifrau
von Ottweiler und ſpäter 'durch Kaiſerliche
Gnaden zur Reichsgräfin mißt ber Beo-
ſtimmung, daß die Kinder, die ſie ihm ge-
ihenkt, ebenfalls den Grafentitel bekamen.
Die Zeiten änderten ſich. Im Herbſt 1792
brachen franzöſiſche Revolutionsheere über
die Grenze und fielen in das „Land ein.
Fürſt Ludwig floh. Die Franzoſen drängten
ihm nad) bis an 'den Rhein, auf dieſer Flucht
geriet: er in ſeinem offenen Wagen in ein
dichtes Schneegeſtöber und erkrankte ſchwer.
Ex wurde ſterbend nach Aſchaffenburg ge»
bracht, wo er auch beerdigt wurde.
Seine Gattin war ihm gefolgt und hatte
ihn gepflegt. Auch ihr war nun die Heimat
verſchloſſen, ſie verkaufte ihre Schlöſſer uud
350g nach: Mannheim.
Der leßte Fürſt von Saarbrücken, Hein-
rich, regierte nur kurze Zeit, von 1794 his
1797. Die Franzoſen hielten die Grafſchaft
beſeßt, er durfte es nicht wagen, ſeinen
Thron zu beſteigzn. Alles war umgeſtürzt
und verändert, er mußte vom Halberg aus
zuſehen, wie die Franzoſen ſein väterliches
Schloß in Brand ſteckten und es in Flammen
aufging. Auf dem Schloßplatz arbeitzte die
Gvillotine. Vive la republiaue! Er floh,
ſtellte ſich dem deutſchen Heer, kämpfte mit
und ſtarb an den Folgen eines Sturzes vom
Vferde. Er hat ſeine Heimat nie wiedergye-
ſchen. Seine Gemahlin, 2zine Tochter 5es
franzöſiſchen Kriegsminiſters, wurde goe-
fangen genommen und nach Metz gebracht,
wo. ſie faſt zwei Jahre im Gefängnis ſaß,
bann ſchickte man ſie nach Paris. Sie ſollte
hingerichtet werden, ur Bruder war be-
reits unter der Guillofine gefallen, und ſie
erwartete dasſelbe 'Schickſal, als der Siurz
Roherpiete ſie im letzten Augenblick be-
reite.
Das alles hörte der alte Schrank, d3znn in
ſein ſtilles Zimmer flüchtete ſich oft die fürſt-
lice Familie, um ſich heimlich und unge-
ſtört zu beſprechen.
Als im Frieden von Luneville das linke
Rheinufer franzöſiſch wurde, - begann eine
böſe Zoit für das Land. Ununterbrochen
kamen Truppen durh, Einquartierung drückte
das Land, hohe 'Steuerlaſten lagen ſchwer
auf dem Säckel des Bürgers, die Saarländer
wurden nach Krüften ausgepreßt. Aber ſie
flohen nicht. |
"Ihr2 Fürſten waren nicht mehr, der leß;e
Fürſt war geſtorben, die vepublikaniſche R2-
zierung ſchaffte alle Titel und Oriden und
Fürſten ab, man war Bürger und Bürgerin
und trug Kokarden am Hut. Die Geiſtlichen
ſtanden unter polizeilicher 'Aufſicht. Die
Zeiten der Wegelagerer brachen an. Man
fiel die veiſenden Kaufleute in den Wäldern
an: und vaubte ſie aus. niemand war mehr
ſicher.
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