Saarfalender für das Jahr 1923
hinüberſchauen. !) Gewiß ein etwas eigentümlicher SHmuck eines Wohnpalaſtes weltabgeſchiedener
Benediktinermönde.
Don Bauten, die Rretſ<mar noh) zuſammen mit dem Abteibau errichtete, iſt vor allem. das in
ſeiner Grundrißentwikelung intereſſante Küſterhaus in St. Gangolph bei Mettla; zu erwähnen,
das er 1745 als S<hulhaus erbaute und dem er merkwürdigerweiſe die Formen eines größeren
Gartenpavillons ganz in der zentralen Anlage der ſüddeutſ<en Pagodenburgen gab. Die vier ſich an
den a<htekigen Mittelraum anlehnenden und ſo mit ihm im Grundriß die Ureuzesform bildenden
quadratiſchen Rabinette ſind genau auf die vier Himmelsrichtungen orientiert und haben hier den
Hauptraum ihrer beſonderen kuppelartigen Pavillondä<her. Die Bildhauereien über den Eingangs-
türen dieſer vier Anbauten ſtellen nackte Knaben mit den Attributen der vier Jahreszeiten dar.
Von der Anweſenheit des Ar<hitekten in Merzig zeugt das prächtige Patrizierhaus der Samilie
Staadt-Marx, heute im Beſitz der Aktienbrauerei, deſſen dur<aus Künſtleriſche Dur<bildung ohne
die nun bezeugte Anweſenheit eines bedeutenden Baukünſtlers im 18. Jahrhundert ſchwer für den
Kleinen Saarort zu erklären wäre, es weiſt den nächſten Bezug zu MeitlacQ und einigen Trierer
Bauten auf, wohin die Kunſt dieſes Sa<qſen von der Saar aus ja au< ihren Einfluß vermittelt
hat, wie wir gleich hören werden, und hierin iſt es beſonders noM dem Abteibau von St. Irmin
verwandt. Auch bei dem von hohen Terraſſen herabgrüßenden Landſ<lößhen von Hilbringen bei
Merzig, das in der Seit des Abteibaues bei Mettla<Q entſtand, wird ein Einfluß von Kretſchmar
zu erwägen ſein. Entſcheidend war aber vor allem ſeine Einwirkung auf die Bautätiakeit der
Kurtrieriſchen Hauptſtadt, auf Trier.
- Kloſter-, Abtei- und Kirh<enbauten zeigen hier ſeine Hand oder doh ſeinen Einfluß, und aud
der Wohnbau der Zeit um 1740 hat die Ausſtrahlungen dieſes genialen Baumeiſters erfahren. In
meinem Buche über Johannes Seiz habe ic zuerſt aus ſtiliſtiſchen Gründen auf ſeine Beteiligung
bei Trierer Bauwerken an vielen Stellen hingewieſen, und das hat neuerdings eine ebenſo uner-
wartete wie erfreuliche Beſtätigung dur< den glücklichen Sund eines Aktenſtükes *?) über die Trierer
Steinmetzenzunft gefunden, mit einer Beſchwerde über den fremden Konkurrenten, den „bekannten ſo-
genannten Baumeiſter von Mettla<, wel<er darmit nicht vergnügt, daß dahier in der Stadt (Trier)
ſich Rlöſter- und Rir<henbauten . . . . nad) Gefallen unterfangen, dieſelbe accordiren und nad-
gehends ein- und anderen hieſigen Meiſteren als ſubordinierte Geſellen unter ſich halte und dirigiere,
dieſes auc ſogar auf die hieſigen Bürgerhäuſer ertendieret“. Wenn man ihm aud nicht verwehren
wolle, daß er Abriſſe zu dieſen Bauten mac<he und den Bauherren mit Rat an die Hand gehe, ſo
wolle die Sunft doh zu verhindern ſuchen, daß er des Akkordmadens, alſo des Bauens ſelbſt, ſich
unterziehe und als fremder dem armen Bürgersmann die Nahrung entziehe. Ausdrücklich iſt in
dem Geſu das Haus des Ratsherrn Recking, das dieſer 1739 errichten ließ, alſo der ſtattliche
Trierer Hof genannt, den wir alſo als ein Werk Kretſ<mars in Anſpruch nehmen dürfen, da das
Geſuch, ihm dieſen Bau zu entziehen, worauf es in erſter Linie gerichtet war, von den Behörden
abſchlägig beſchieden und die Steinmetzzunft zur Ruhe verwieſen war. = Au ſonſt iſt deutlich die
Hand der Ardhitektur an bürgerlichen weiteren Bauten zu erkennen, ſo vor allem an dem Hauſe
Simeonſtraße 45, das der Hof- und Kammerrat Nell errichten ließ.
Als Rretſ<mars Hauptwerk in Trier muß die Abtei St. Irmin gelten, deren Prunkſtück, das
köſtliche, kaum bekannte Mittelriſalit in nächſtem Bezug zu dem Mittelbau von Mettlach ſteht und
gewiſſermaßen eine ſpät entſtandene (1741), maßvollere, dem neuen Geſhmak mehr angepaßte
Aufiläuae der wundervoll rhythmiſch bewegten Barockformen dieſes herrlihen Baues darſtellt. Auch
die für Mettlach hö<ſt <harakteriſtiſhen, hochgezogenen Senſterverdachungen erſcheinen genau beim
Irminer Kloſterbau. = Und au<h die einfac ausgebildete Abteianlage von St, Maximin zeigt in
ihren Profilen und Senſteraufſägen manchen Bezug.
Ein Dergleich der in Kurven maleriſch ſic ergehenden Grundrißlöſung der Saſſade der Kirche
von St. Paulin mit den Plänen Kretſhmars für die Mettla<her Abteikirhe ergibt dazu auh den
nächſten Bezug, ſodaß auc ſein Einfluß ſich bei der Entſtehung dieſer Pläne geltend gemacht haben
könnte, beſonders da der urkundlich jetzt feſtſtehende Bauleiter, der Auguſtinerbruder Joſef Walter
in ſeiner Kunſtweiſe irgendwie eine Befruchtung von der üppigen und bewegten Kunſt des Sachſen
erfahren zu haben ſ<heint. Balthaſar Neumann, dem man gewöhnlich dieſen erſten Entwurf zu-
ſchreiben will, iſt mit dem Bau erſt in den vierziger Jahren in Verbindung zu bringen, wo unter
ihm allerdings das herrlichſte, was wir heute am Bau bewundern, die den ganzen Jubel fränkiſcher
Kunſt atmende Schaffung des Innenraumes und das prunkende Hauptportal ſich geſtaltete.
„Das 3weite Hauptwerk des ſächſiſchen Arqhitekten von der Saar ſehe i< dann in der ſchon früher
mit St. Paulin verglichenen,. ſie an Ausdehnung und äußerer Pracht aber weit überragenden Abtei-
kirche der Ziſterzienſer in Himmerod in der Eifel, vor deren die alte Monumentalität noh in
überwältigender Weiſe ahnen la ſenden Ruinen man nur mit Staunen vor dem Genius dieſes Bau-
Künſtlers ſtehen kann. -- Aud Ne wurde in ſeiner Arbeitszeit von 1735-1750 unter dem Kunſt-
ſinnigen Abt Leopold Kamp errichtet. Von den heute noh ſtehenden Bauteilen iſt vor allem der
Weſtgiebel und damit die Haupteingangsfront der Kirche gut erhalten, aus deren Ardhitektur wir
jo noM am beſten vermögen, auf den erbauenden Arhitekten Rückſchlüſſe zu ziehen.
1) A. von Cohauſen : Der alte Turm zu Mettlach 1871. 2?) Kentenih : Trieriſche Chronik. N. F. XV. 1/3, S. 19ff.
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