Saarkalender für das Jahr 1923
Chriſtian Kretſchmar, der Architekt der Senediktinernabtei
Wettlach an der Snnar,.
Don Karl fohmeyer.
Unter den Barokbauten der Saar- und Moſelgegend nehmen die der Benediktiner in Mettlad
eine hervorragende Stellung ein. -- Und ihre Abtei, hart am Saarfluß, in herrlicher Lage, mitten
in von prächtigen Baumgruppen dur<zogenem, von bewaldeten Bergen umrahmtem Tal, übt in
ihrem üppig bearbeiteten roten Sandſtein, aus dem ſich der graugelbe, in geſchmeidigem Kurven-
grundriß geſchwungene und ſo reiche perſpektiviſche Eindrücke vermittelnde Hauptpavillon wuchtig
heraushebt, einen der größten Eindrücke noh urwücſig echter barocker Kunſt aus, wie«man ihn in
dieſen rheiniſchen Gegenden überhaupt haben kann.?)
Und do ſind hier fremde Rlänge ertönt, und der herrliche Bau weiſt zuſammen mit einer weitern
Gruppe. von Bauwerken in der Moſelgegend,; die im demſelben genialen Architekten zuſchreiben
will, nac) dem fernen Oſten, und die Sormenbewegtheit, in der er prangt und ſic) nicht genug tun
kann, iſt an öſtlichſüddeutſchen Bauten weit heimiſcher, an die ſie über Italien durch Öſterreich
hindur<; ihren Weg gefunden hat, als an den weſtli< abgekühlteren ſonſt in dieſen rheiniſchen
Landen. -- I< ſtehe niht an, Mettla<h hierin als die ohne Konkurrenz wichtigſte Abteiſchöpfung
des frühen 18. Jahrhunderts für die weiteren Gegenden reſtlos in Anſpruch zu nehmen. --
Und do<h iſt ſie noH; kaum bekannt und ſelbſt in ihrer Heimat vergeſſen und teilt damit das
Unbeaädtetſein mit den anderen Bauten dieſer Kunſtepohe, wie ſie gerade die Saargegend immer
noh trotz aller Kriegszerſtörungen in reichem Maße aufweiſt. -- Und wie wir hier in Mettlach ein
ſolE hervorragendes Beiſpiel aus den erſten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts beſien, haben wir
in der Ludwigskir<e in Saarbrücken einen Höhepunkt des ausgehenden und in der Benediktiner=-
kloſterkir<he in St. Avold ein wundervolles und monumentales Beiſpiel des bereits ins Klaſſiziſtiſche
übergehenden- Stils. --
Aus dem Oſten kam denn aud der geniale Schöpfer der Mettlacher Abtei, der Ardjitekt Chriſtian
Kretſchmar, ein Sachſe, wie er erſtmals wieder bei den Forſchungen zur Baugeſchichte des trieriſchen
Rurſtaats in der Barokzeit aus den vergilbten und verſtaubten Ardivalien idieſer glanzvollen
Epoche emporgeſtiegen iſt und faßbare Geſtalt angenommen hat.
Seine künſtleriſche Herkunft wird nicht weit von Leipzig weg zu ſuchen ſein, deſſen ſtattliche
Bürgerhäuſer deutliche ſtiliſtiſche Beziehungen zu ſeiner Kunſt noh am erſten aufweiſen, wenn es
au< ein Ardjitekt voll von Eigenart und eigenen Ideen geweſen iſt, der hier am Saarſtrom wie
an der Moſel ſeine perſönlihen Wege ging, ohne auf die moderne Kunſtweiſe des Weſtens Rückſicht
zu nehmen.
Die allgemeine Beachtung, die er reſtlos verdient, hat er bisher keineswegs gefunden, no<h kennt
ihn außer der kurtrieriſchen Arbeit keine Kunſtgeſchichte. -- Ja, ſein Hauptwerk Mettla< wollte
man wohl dem fränkiſchen Großmeiſter Balthaſar Keumann von Würzburg und ſeinem kurtrieriſchen
Schüler Johannes Seiz zuſchreiben,?) aber es kann nicht verhehlt werden, daß ſeine Bauformen von
dieſer Schule äußerſt verſchieden ſind, ja ſie ſogar an künſtleriſmHem Werte und Originalität, was
die Schöpfungen für Kurtrier betreffen, überragen, --
1728 war der Bau im Gang. Damals erſcheint bereits am 153. April „Chriſtianus arditectus
monaſterii“ als Treuzeuge, und ſeine Unterarbeiter treten uns auc< ſ<on aus den kurzen Ein-
tragungen im Mettlacher Kirhenbuh entgegen, von denen ic hier den am 9. Oktober 1728 ver-
ſtorbenen Daniel Heilmann, einen fränkiſchen Steinmeßen, zur Seit am Kloſterbau arbeitend, wie
die Eintragung beſagt, nennen mödte. .
Der Arditekt wird dann bei weiteren Pateneintragungen als „Chriſtianus Kregmar pro tempore
Ardhitectus noſtri monaſterii (1733, 3. Januar)“ bezeichnet, und endli< erfahren wir auh 1734 am
23. Auguſt in der Gevattereintragung „Chriſtianus Rretſ<mar Saxo monaſterii noſtri arhitectus“"
ſeinen genauen "Namen und vor allem, was wichtiger iſt, ſeine Herkunft aus Saſſen, die uns mit
einem Schlage das Rätſel des in dieſen Gegenden ſo ungewöhnlich, üppigen und bewegten Bauwerks
auflöſt. --
Im Pfarrarc<hiv des Saarört<hens Beſſeringen fand im no<h eine handſchriftliche, ſehr beachtens-
werte Chronik eines früheren Pfarrherrn vor, die auc fußend auf einer der von mir oben mit-
geteilten Kirhenbuchnotizen, Kretſchmar unter Beibringung weiterer intereſſanter Notizen über ihn
als den Architekten des grandioſen Abteibaues nennt, von dem ſie ſehr richtig betont, daß er eher
einen Hönigspalaſt als eine Wohnung welterſtorbener Ordensgeiſtliher darſtelle. =- Kuch dieſe Chronik
nimmt das Jahr 1728, das iH nah dem Kirchenbuch als das Jahr nun ſicher feſtſtellen konnte, in
dem ſich die erſten Bauanzeichen bemerkbar maden, als das Anfangsjahr des Neubaues an, und
dieſe Sahl findet ſich au<h tatſächlich im Rückflügel über einem Portal eingehauen. --
1) vergl. Cohmeyer: Johannes Seiz, Die Baugeſchichte eines rheiniſchen Kurſtaates in der Barockzeit, Heidelberg 1914
(Kapitel Mettlach).
2) Dehio : Kunſthandbücher 1V.
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