Saarfalender für das Jahr 1923
„von Napoleon geſ<henkt!“. Wie ſteht es
nun in Wirklichkeit damit? Auf Grund der
einwandfreien Lauerſchen Feſtſtellung haben
die Gründer der Friedrichsthaler Glashütte
von dem Grafen von Saarbrücken rund 200
Morgen Land zur Bebauung bekommen, das
laut Urkunde vom 17. April 1723 und 25.
Februar 1732 nah Ablauf von dreißig
Jahren gegen geringe jährliche Abgaben in
Erb- und Eigentum der Gebr. Wenßtel uſw.
überging. Außerdem Haben die ehemaligen
Glasfabrikanten no< zur Fürſtlich Naſſau-
Saarbrückiſchen Zeit Ländereien anzukaufen
geſucht, worüber no< viele Kaufakte in
Händen der Fabrikanten ſind. Die Glashütte
ſelbſt war, wie aus den Beſtandsurkunden
von 1723, 1747 und 1750 hervorgeht, aus
eigenen Mitteln der „Beſtänder“ erbaut
worden und war alſo nicht Eigentum dex
Fürſten, wie gelegentlih behauptet wird:
Schon ſehs Jahre na< ihrer Gründung
wurde die Friedrichsthaler 'Glashütte vor-
übergehend ſtillgelegt, und die Glasmacher
auf die Kohlglashütte auf der Fiſchbach (hea-
tige Rußhütte) verwieſen. Da die Glas-
hüttenbeſtänder Wenßel uſw. ſi<ß nicht
dauernd von ihrem FErbbeſtandsgut in
Friedrichsthal trennen wollten, ſo erreicht2n
ſie ſchließlich vom Fürſten Wilhelm Heinrich
von Naſſau-Saarbrücken, daß ſie dortſelbſt
1747 wieder ihren Glashüttenbetrieb ex-
öffnen durften, zu welchem Zwecke ihnen
weitgehende Privilegien erteilt wurden
(Vergl. Dr. Lauer a. a. O. S. 40 flgd.) Im
benachbarten Merchweiler beſtand ſchon ſeit
etwa 1700 eine Glashütte, die 1805 an
Leonhard Reppert und Georg Högel über-
ging. Auch in Quierſchied beſtand ſeit 1779
eine Glashütte, die drei Jahre nach ihrer
Gründung von den Gebr. Köhl "angekauft
wurde. Etwa gleichaltrig“ mit dieſer Hütt»
iſt die ehemalige Glashütte von Schaum,
Herb & Co. zu Gersweiler und die Marian-
nenthaler Glashütte zu Scchnappach, die
anfänglich von den Gebr. Köhl, Leonhard
Reppert und Philipp Heinrich Eberhard b2-
trieben wurde, ſpäter aber in den "Beſitz von
A. Wagner überging. In demſelben Orte
errichtete Karl Philipp Vopelius im Jahre
1810 eine Glashütte, aus der 1857 die Firma
Chevandier & Vopelius entſtand. Drei Jahre
ſpäter (1813) kam die Fenner Glashütte auf,
die ſpäter Jahrzehnte lang im Beſitz der
Familie Raſpiller war, der auch die benach-
bart? Schönecker Glashütte gehörte, die als
die einzige von den vielen benachbarten
lothringiſchen Glashütten die Stürme der
franzöſiſchen Revolution überlebte. Auf dem
preußiſchen Gebiet des Saarreviers waren
zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Hütten
zu Fkiedrichsthal, Quierſchied, 'Mer<hweiler,
Gersweiler und Fenne in Betrieb; auf pfäl-
ziſchem Gebiet die Mariannenthaler Glas-
hütte und die Shnappacher Hütte von Karl
Philipp Vopelius.
Nachdem 1815 das Saargebiet nach
der vorübergehend franzöſiſchen Beſetzung
Preußen einverleibt worden war, beginnt
die Glasinduſtrie ſich allmählich wieder zu
heben. In den Jahren 1825-30 entſtanden
eine ganze Reihe neuer Glashüktten und
Oefen, ſo zu Friedrichsthal, Quierſchied,
Neunkir<en, Fenne, Gersweilex und For-
bach. Auch bei Luiſenthal am Lumpenberg
wurde eine neue Hütte von Louis Vopelius
errichtet, die in ſpäteren Jahren an A.
Wagner überging. Sodann entſtand 1842
die Kriſtallglashütte von Villeroy & Boch in
Wadgaſſen. Einen noh ſtärkeren Auf-
ſchwung erlebte die Glasinduſtrie in den
1850er Jahren. als die Eiſenbahn gebaut
wurde und ſomit ſowohl der Rohſtoffbezug
als auch die Abſatzverhältniſſe ſich von
Grund auf umgeſtalteten. Jnfolge der ver-
änderten Verkehrs- und Abſatverhältniſſe
kamen in der Folgezeit eine Reihe älterer
abgelegener Hütten zum Erliegen, wohin-
gegen wieder einige andere neu entſtanden.
'So wurde 1857 in Luiſenthal von A. Wagner
eine neue Hütte, 1858 von Chevandier &
Vopelius, eine neue Hütte auf vem Sulz-
bacher Banne an der Shnappacher Grenze
und 1865 von Ed. Vopoelius eine ſolche am
Bahnhof Sulzbach gebaut. Mehrere neue
Hütten entſtanden in der ſogenannten
Gründerzeit, kurz na< dem Kriege 1870.
Das Anwachſen der Glasinduſtrie wird am
deutlichſten, wenn..man die Zahl der Arbeiter
in den verſchiedenen Berioden vergleicht,
Um 1830 wurden rund
„ 1840 „
„4241855 .
„ 1865
188(
200.
415,
770,
150,
„ 2500 Arbeiter
beſchäftigt. Die 'Produktion belief ſich-in dein
1880er Jahren auf rund zwei Millionen
Quadratmeter Tafelglas, 250 000 Zentner
Flaſchen und Säureballons und etwa 25 000
Zentner Kriſtallglas. Die 1880er Jahre
find für die Glasinduſtrie von ganz beſon-
derer Bedeutung. In jenen Jahren kamen
grundlegende techniſche Neuerungen zur Ein-
führung, die manches Unternehmen in eine
kritiſche Lage verſeßten.
Bis 1870 waren in der Feuerungstechnik
keine weſentlichen Fortſchritte zu wverzeich-
nen. Um 1870 wurden die alten „Windöfen“
durch die ſogenannten Boetiusöfen erſeßt,
die jedo<h ſhon 1872 dem erſten Siemens-
ſchen 'Gas-Regenerativofen weichen mußten.
In den 1880er Jahren iſt man nun von. den
„Hafenöfen“ abgekommen - und zum konti-
nuierlihen „Wannenſyſtem“ übergegangen.
Ken |
Ir