Full text: 1923 (0001)

Saarfalender für das Jahr 1923 
Zeichnen wir nun in ganz großen Zügen -=- eine ausführliche Darſtellung mit ſtatiſtiſchem 
Material ſoll im nächſten Jahr erſcheinen = ein Bild des augenblicklichen Standes der Leibe3-. 
übungen im Saartal, wie ſie von den maßgebenden Körperſchaften betrieben werden. Die erſte 
Arbeit leiſteten, wie überall, auch im Saargebiet die Turnvereine. Sie haben ein halbes 
Jahrhundert lang die Jugenderziehung allein in Händen gehabt und in edler Pflichtauffaſſung ein 
gewaltiges Werk vollbracht. Die Anfänge der organiſierten Turnerei fallen mit den politiſchen 
Strömungen des Jahres 1848 zuſammen. Sie ſchufen das Gebilde des politiſchen Turnvereins, 
der nicht nur die Pflege der LeibeSübungen, ſondern- auch Freiheit und Demokratie auf ſein 
Banner ſchrieb. In Saarbrücken entſtand als erſter Verein der jetzige Turnverein Saarbrücken 
von 1848. Erſt geraume Zeit nach der zweiten Turnſperre 1849--1860 bildeten ſich auch an 
den anderen Orten des Saargebiet8 Turnvereine, die ſo raſch volkstümlich wurden, daß heute 
wohl kein Ort ohne Turnverein mehr zu finden ſein dürfte. Heute umfaßt das Saargebiet 
folgende Turngaue: Saar-Blie3-Gau, Saargau, BlieSgau, die dem 9. (Mittelrhein-) Kreis der 
Deutſchen Turnerſchaft angeſchloſſen ſind. Ferner den Saarpfalzgau, der dem pfälziſchen Turner- 
bund angehört, welcher «benfalls der Deutſchen Turnerſchaft angeſchloſſen iſt. Die Geſamtzahl der 
Mitglieder dieſer vier Gaue beläuft ſich auf etwa 25000. Die alljährlich ſtattfindenden Gaufeſte 
legen Zeugnis ab von der ſtetigen Fortentwickelung der Turnkunſt an des Reiches Weſtgrenze, 
die ſich auch bei der Bürgerſchaft ſeit alteröSher großen Anſehens erfreut. So lo>te vor dem 
Kriege alljährlich das Spichererberg-Turn- und Spielfeſt viele Tauſende nach dem Kleinen Exerzier- 
plat, wo Turner aus dem ganzen Reiche um den Siegeskranz kämpften. Nach dem Friedens- 
ſchluß lebte das Feſt als Saarbrücker Turn- und Spielfeſt wieder auf, allerdings in kleinerem 
Rahmen, weil Paß-, Zoll- und Fahrpreisſchwierigkeiten das ihrige zur Abſchnürung des Saar- 
gebiets vom Reiche getan haben. 
Getreu dem Programm der Turnerſchaft, möglichſt allſeitig „und gründlich den Volkskörper zu 
durchdringen und nicht nur Einzelnen, ſondern Vielen Geſundheit und Frohſinu zu ſchenken, 
finden wir auch im Saargebiet überall in den Turnvereinen jedes Alter und Geſchlecht vertreten, 
und ein Rundgang durch die Turnhallen und über die Spielplätze beweiſt, daß es auch mit der 
praktiſchen Arbeit Ernſt iſt. Die Verbreiterung des Arbeitsfeldes der Turnvereine hat aber 
keine Verminderung der Leiſtung mit ſich gebracht. Zählt doch das Saargebiet heute eine 
Reihe ausgezeichneter Geräteturner, die hinter den Gipfelturnern anderer deutſcher Gaue nicht 
zurücczuſtchen brauchen. Noch kürzlich konnten bei den Meiſterſchaftskämpfen der Deutſchen 
urnerſchaft in Hannover Wölflinger-Fürſtenhauſen den 4: Preis erringen, Lütticken und 
Braun vom Männerturnverein Saarbrücken den 5. und 18. Preis. Außerdem wurden Sieger 
A. Herrmann und Chr. Weiß, beide vom Turnverein Clarenthal. Im Siebenkampf der 
Turnerinnen konnten Frieda Thielen und Liöbeth Mathis, beide vom Turnverein Malſtatt, 
den 11. bezw. 15. Preis erringen. Andere bewährte Kämpen haben das Saargebiet bei anderer 
Gelegenheit ebenfalls ehrenvoll vertreten. So blieb Roderich Hau<> vom Turnverein von 1848 
beim Meiſterſchaftsturnen des 9. Kreiſes in WieSbaden erſt r Sieger im Zehnkampf der Aelteren 
und Friz Morſ< vom gleichen Verein dritter Sieger. | 
Auch das Turnſpiel hat ſich in den Turnvereinen eine gute Heimſtätte erobert. Eine Reihe 
tüchtiger Schlagball- und Fauſtballmannſchaften treten alljährlich zum Wettkampf auf 
die Schanze, deren Qualität am beſten durch die Erfolge der Meiſter bewieſen wird. So blieb 
die Schlagballmannſchaft des Turnverein3 von 1848 im Vorjahre zweiter Sieger im Mittelrhein- 
kreis. In dieſem Jahre wird die Mannſchaft wieder Gelegenheit haben, um die Meiſterſchaft 
zu kämpfen. Gegen den Deutſchen Meiſter, Männerturnverein München, unterlag die Mannſchaft 
nur mit geringem Punktunterſchied. Auch der Männerturnverein Saarbrücken wird mit ſeiner 
Fauſtballmannhaft in dieſem Jahre das Saargebiet bei den Kreiskämpfen vertreten. Das 
Handballſpiel entwickelt ſich auch immer mehr zu einem beliebten turneriſchen Kampfſpiel ; 
hier dominiert Männerturnverein Saarbrücken im ganzen linksrheiniſchen Gebiet. 
Weſentlich jünger als die Turnerei im Saargebiet iſt die ſaarländiſche Sportbewegung, 
deren Anfänge mit der Jahrhundertwende zuſammenfallen. Aber auch ſie iſt heute zu einem 
wichtigen Faktor in der Volk3- und Jugenderziehung herangewachſen. Am populärſten iſt, wie 
überall, auch im Saargebiet der Fußballſport. Viele Taujende wandern in der Hochſaiſon, den 
Liga-Verbandsſpielen, hinaus zu den Sportplätzen, um den Kämpfen um die Meiſterſchaft zuzu- 
ſehen. Beſonders die Jugend liebt den begeiſternden Vorwärtsdrang, der gerade in dieſem Kampf- 
jpiel liegt, und es iſt wohl kaum Uebertreibung, wenn uns ein ſaarländiſcher Lehrer berichtet, 
daß feine Schüler die Namen der Ligaſpieler wie am Schnürchen herfagen können 
Troß der Jugend des Fußballſport8 hat ſich das Spiel auch im Saargebiet einen beachtlichen 
Entwickelungsſtand verſchafft, wobei der Einfluß der ungariſch-ſüddeutſchen Schule unverkennbar 
iſt. Das primitive Ungeſtüm hat einem wohlgepflegten Zuſammenſpiel Plaz gemacht und dadurch 
eine Menge Qualitäten ausgelöſt, die dem Semeinſmaſtögedauken entſpringen. Von den be- 
kannteren Sportvereinen, die Fußballſpiel in erſter Linie pflegen, ſind zu nennen: Boruſſia- 
Neunkirchen. Saar 05 Saarbrücken. Turnverein Burbac<, Fußballverein Saarbrücken, Sport- 
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